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Neue Neue Deutsche Welle: Wenn Gen Z auf die Achtziger trifft

Neue Neue Deutsche Welle: Wenn Gen Z auf die Achtziger trifft
Foto: Unsplash/Eric Nopanen

Künstlerinnen und Künstler wie Edwin Rosen erobern die Musikszene. Besonders bei jungen Leuten kommt der Sound an. Dabei erinnert er verdächtig an die Neue Deutsche Welle aus den 80er-Jahren.


Seine Konzerte in Hannover und Dresden: in größere Hallen verlegt; Berlin, Kiel und Bremen: ausverkauft. Edwin Rosen ist gerade einer der Shootingstars der deutschen Musikszene. Die Zahlen seiner ersten Deutschland-Tour zeigen das eindrucksvoll. Dabei hat der 24-jährige Stuttgarter bisher kaum Musik veröffentlicht. Gerade einmal acht unterschiedliche Songs zieren sein Spotify-Profil. Eine kurze EP ist dabei herausgekommen, ein Album gibt es noch nicht. 

Edwin Rosen orientiert sich an Musik aus den 80ern

Wenn man seinen Songs lauscht, zieht es einen auf direktem Weg zurück in die 80er. Die Single „Vertigo“ erinnert an Peter Schillings „Major Tom“ – ein Lied, das auch vielen ein Begriff ist, die erst nach dessen Durchbruch 1982 geboren sind. Wer beide Lieder kennt, neigt dazu, beim Mitsingen die Refrains zu vertauschen. Zu ähnlich ist vor allem die Melodie. Rosens Song „Verschwende deine Zeit“ ist angelehnt an D.A.F.s „Verschwende deine Jugend“ aus dem Jahr 1981. Doch Edwin Rosen ist nicht der einzige Künstler, der die Wiedergeburt der Neuen Deutschen Welle (NDW) zelebriert. Die Neue Neue Deutsche Welle, wenn man so will. Ältere Beispiele sind Bilderbuch oder Drangsal, die beide inzwischen zum erweiterten Mainstream gehören. Die 80er-Jahre-Vibes sind überall – und sie haben Erfolg. Speziell bei Jugendlichen. 

„Der Jugend heutzutage muss nichts peinlich sein“

Doch was ist es genau, das junge Leute heute am Sound der Neuen Deutschen Welle begeistert? Immerhin haben sie die Zeit selbst nicht miterlebt. „Der Jugend muss aus der Zeit nichts peinlich sein, gerade weil sie nicht dabei war“, sagt Barbara Hornberger. Die Professorin für Musikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Populäre Musik und digitale Musikkulturen an der Bergischen Universität Wuppertal sieht darin einen großen Grund, warum die Neue Deutsche Welle immer wieder auflebt. Niemand müsse sich heute mehr daran erinnern, dass zum Ende der Neuen Deutschen Welle „der alte deutsche Schlager in Neuer Deutscher Peinlichkeit erblühte“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung 1983 schrieb.

Barbara Hornberger, Professorin für Musikwissenschaft. Foto: privat

Gleichzeitig seien die Messages immer noch dieselben wie damals – und aktueller denn je. „Die Themen Resistance und Pleasure betreffen die Jugend heute genauso wie in den 80ern“, sagt Hornberger. Schon damals verarbeiteten die Künstlerinnen und Künstler die gesellschaftlichen Entwicklungen, die vermehrt Kapitalismus und Leistungsdruck in den Mittelpunkt rückten. Teile der Gesellschaft wollten das so nicht hinnehmen. Auch heute kämpfen vor allem junge Leute gegen zu viel Arbeit und für eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Der Spaß am Leben soll nicht verloren gehen. Während sich die Generation Z also vom unangenehmen Teil der Neuen Deutschen Welle distanzieren kann, nutzt sie die Musik weiterhin als Protest gegen Krisen. „Man muss sich die Musik als kleine Alltagswiderhaken vorstellen“, erklärt Hornberger.

DIY at its best

Der Sound passt dazu. Er ist gleichzeitig Produkt und Ventil des Alltagsstresses. Elektronischer Synthesizer-Sound, der sich anhört, als wäre er spontan vor dem Song entstanden. DIY eben. „In vielen Liedern hört man auch kleine Fehler. Die Songs der Neuen Deutschen Welle stellen Unschuld und Naivität offen zur Schau“, sagt Hornberger. Das passt erst mal gar nicht in eine immer stärker technologisierte Welt, die nach Perfektion strebt. Und doch reihe sich gerade das perfekt ein in das Gesamtkonzept der Neuen Deutschen Welle, betont Hornberger: „Es geht darum, ernsthafte Messages zu senden, aber gleichzeitig Spaß zu haben. Man wollte auch in den 80ern nicht einfach nur frustriert sein.“ Das Spielen mit Beats, die Unabhängigkeit in der Musik und vor allem auditiv charmant klingen – das kommt an bei jungen Generationen. Ihnen machen die aktuellen Zustände deutlich zu schaffen, wie eine aktuelle Studie im Auftrag der Vodafone Stiftung zeigt: 86 Prozent der Befragten 14- bis 24-Jährigen machen sich zumindest teilweise Sorgen um die Zukunft.

Musik für alle Gruppen

Eine Art Neue Neue Deutsche Welle scheint dabei unterschiedliche Gruppen an jungen Leuten in ihren Bann zu ziehen. Hornberger stellt fest, dass die Begeisterung für die Musik inzwischen in alle Schichten vordringt. „Auf einem Bilderbuch-Konzert war ich fasziniert von der Heterogenität des Publikums“, erzählt sie. Als sie sich in der Location umblickte, sah sie zwar vor allem junge Leute. Doch die waren bunt gemischt. „Von BWL-Studierenden zu Punks war alles dabei.“ Auch vor der Generation Y scheint der Hype nicht Halt zu machen. Für Hornberger bedeutet das vor allem eins: „Vor allem ist der Sound Musik für Musikfans.“ Und von denen gibt es auch heutzutage noch genug.

Von Jasper Bennink


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