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Erinnerungskultur am 8. Mai: Buchtipps zum Tag der Befreiung

Erinnerungskultur am 8. Mai: Buchtipps zum Tag der Befreiung
Foto: Gulfer Ergin/Unsplash

Anlässlich des 8. Mai hat die MADS-Redaktion einige Buchrezensionen zusammengestellt, die sich mit den Themen Holocaust und Zweiter Weltkrieg beschäftigen – denn auch Bücher tragen zu einer aktiven Erinnerungskultur bei.


„Adressat unbekannt” von Kathrine Kressmann Taylor (1938)

Den amerikanischen Juden Max Eisenstein verbindet nicht nur eine innige Freundschaft mit dem Deutschen Martin Schulze. Zusammen betreiben sie auch eine gemeinsame Galerie in San Francisco. Auch als Schulze 1932 mit seiner Familie nach Deutschland zieht, halten sie weiter in warmherzigen Briefen über Privates und Berufliches Kontakt.

„Wer ist dieser Adolf Hitler?”, fragt Eisenstein eines Tages besorgt, nachdem er die jüngsten Entwicklungen in der Zeitung gelesen hat. Auch sein deutscher Freund bleibt skeptisch gegenüber dem Mann, bei dem er sich fragt, ob der „ganz richtig im Kopf ist”. In den nächsten Jahren entwickelt sich Schulze jedoch zum bekennenden Nationalsozialisten, der für seinen ehemaligen engsten Vertrauten und dessen Familie nichts mehr übrig hat. Doch Eisenstein weiß sich zu helfen.

Foto: Atlantik Verlag/Hoffmann und Campe

Mit „Adressat unbekannt” ist Kathrine Kressmann Taylor ein Kunststück gelungen: Ihr Briefroman, den sie erstmals 1938 im „Story Magazin” in New York veröffentlichte, ergreift, schockiert und lässt nachdenken. Die Erzählung ist zwar rein fiktiv, der Autorin gelingt es dabei jedoch, die Spannung zielsicher über wenige Seiten zu tragen. Auch gibt sie mehr über die amerikanische Perspektive auf Nazi-Deutschland und die Judenverfolgung vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges preis als über die historischen Ereignisse selbst. Doch grade das macht das Buch so lesenswert. 

Von Moritz Tübbecke

„Winter der Welt“ von Ken Follet (2012)

„Winter der Welt“ ist ein historischer Roman des walisischen Schriftstellers Ken Follet. Die Geschichte begleitet hauptsächlich die fiktiven Charaktere Carla von Ulrich, Lloyd Williams und Daisy Peshkov, die mit den realen Auswirkungen von Autokraten und totalitären Regimen zu kämpfen haben. Der Roman ist der zweite Teil der Trilogie „Die Jahrhundert-Saga“ und spielt in der Zeitspanne von 1933 bis 1949.

Prägende Themen sind vor allem die Machtergreifung der Nationalsozialisten, der daraus resultierende Zweite Weltkrieg und die schrecklichen Verbrechen der Nazis. Doch auch der Tag der Befreiung am 8. Mai 1945 steht im Fokus. Ebenfalls thematisiert werden unter anderem der Spanische Bürgerkrieg, die Erfindung der Atombombe und der Angriff auf Pearl Harbor. 

Foto: Bastei Lübbe

Die Protagonistinnen und Protagonisten von „Winter der Welt“ sind zwar fiktiv, jedoch gelingt Ken Follet durch intensive Recherche und einen eindringlichen Schreibstil eine realistisch erscheinende Darstellung der Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg. An einigen Stellen wirken die Charaktere etwas klischeehaft, ansonsten werden sie durch interessante Entwicklungen sehr nahbar gestaltet. So vergehen die mehr als 1000 Seiten beim Lesen fast im Flug. Die Grausamkeit des Handlungsrahmens macht es jedoch manchmal nicht leicht, der Geschichte zu folgen.

Von Tim Klein

„Der Überläufer“ von Siegfried Lenz (2016)

Siegfried Lenz‘ zweiter Roman wurde laut dem Verlag Hofmann und Campe zwar 1951 geschrieben, jedoch erst 2016 veröffentlicht und von der ARD verfilmt. Walter Proska wird darin als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg an die Ostfront versetzt und in den letzten Kriegsjahren von einem sadistischen Offizier drangsaliert. Angesichts der generellen Sinnlosigkeit des Krieges stellt Proska sich immer mehr Gewissensfragen. Und er ist nicht der Einzige in seiner Einheit, der den deutschen Angriffskrieg hinterfragt. Trotz aller Hindernisse verliebt sich Walter zudem in das polnische Partisanenmädchen Wanda – und sie sich in ihn. Die beiden treffen sich im Geheimen. 

Der Roman erzählt nicht nur von einer bedeutsamen Liebe, die Walter über Jahrzehnte hinweg auch nach dem Kriegsende nicht loslässt, sondern schildert auch den Übergang zur Teilung Deutschlands und die zunehmende kommunistische Kontrolle in der jungen DDR. Dabei spielt das Überläufer-Bild von einer Diktatur in die nächste eine entscheidende Rolle.

Lenz stellt große Fragen: Wie wirken sich Diktaturen auf die menschliche Psyche aus? Kann man lieben, obwohl man einander hassen sollte? Und: Was unterscheidet einen guten von einem bösen Menschen? Kann man überhaupt von guten Menschen sprechen, oder bewegen wir uns alle nicht ständig in moralischen Grauzonen?

Von Lisa Neumann

„28 Tage lang“ von David Safier (2014)

In seinem Jugendroman „28 Tage lang“ schildert David Safier die Geschichte des Aufstandes im Warschauer Ghetto aus der Perspektive der jungen Jüdin Mira. Verzweifelt versucht sie, trotz aller Widrigkeiten am Leben zu bleiben und Hoffnung zu bewahren. Der Roman schildert Miras Leben und das ihrer Freunde und schafft eine Perspektive, die jugendliche Leserinnen und Leser mitfühlen lässt – mit einer Teenagerin, die nur ein glückliches, sicheres Leben führen möchte.

Foto: Rowohlt Verlag

David Safier selbst verlor seine Großeltern durch den Holocaust im Konzentrationslager Buchenwald und im Ghetto Łódź. Der Roman ist für den Autor eine Auseinandersetzung mit der eigenen familiären Geschichte und das Anliegen, den Holocaust und das Leiden jüdischer Menschen in der NS-Zeit besonders jungen Leserinnen und Lesern näherzubringen. Von Seite zu Seite hofft und bangt man mit Mira, die sich, ihre Familie und ihre Freunde zu retten versucht. Dafür schmuggelt sie Waren außerhalb des Ghettos, eine versteckte Tätigkeit, die eine große Gefahr für sie selbst ist und jede Menge Mut erfordert.

Von Lisa Neumann

„Die Nachtigall“ von Kristin Hannah (2016)

Der 2016 erschiene Roman von Kristin Hannah erzählt keine großen Heldengeschichten des Krieges, sondern entführt Leserinnen und Leser in den Alltag zweier Frauen im von den Deutschen besetzten Frankreich. Was würde man in so einer Situation tun? Die beiden Schwestern Vianne und Isabelle könnten nicht unterschiedlicher handeln. Vianne versucht in erster Linie, ihre kleine Tochter zu schützen und ihr Leben so weiterzuführen, als wäre nichts geschehen. Ihre jüngere Schwester Isabelle hingegen riskiert alles und schließt sich der Resistance an. Darüber geraten die Schwestern immer wieder in Konflikt, und auch als Lesender fragt man sich zunehmend: Wofür würde man sich in einer solchen Situation entscheiden?

Ein Buch über schwere Entscheidungen, Familie und Verantwortung, das jede Person gelesen haben sollte, um das zivile Leben im Krieg und unter fremder Besatzung zu verstehen.

Von Jennifer Kramer

„Dora Bruder“ von Patrick Modiano (1997)

In „Dora Bruder“ begibt sich der Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano auf die Spuren von Dora Bruder, einer französischen Jüdin, die in Auschwitz ermordet wurde. Er folgt ihren Spuren zu dem katholischen Pensionat, aus dem Dora weglief. Danach war sie Monate lang verschollen. Anhand von Zeitungsartikeln und Polizeiregistern versucht Modiano, Doras Leben zu rekonstruieren und ihre Erinnerungen mit seinen eigenen zu verknüpfen. Schlussendlich erfährt Modiano, dass Dora 1942 von Drancy nach Auschwitz gebracht wurde, wo sie und ihre Eltern ermordet wurden.

Foto: Hanser Literaturverlage

Modiano schreibt auf seine ganz eigene Art und Weise über das Paris der deutschen Besatzungszeit und rekonstruiert vorsichtig das zerstörte Leben eines Mädchens. Er gibt so den Lesenden das Gefühl, Dora gekannt zu haben. Das Buch ist spannend geschrieben, berührend und sehr einfühlsam.

Von Olivia Bodensiek

„Ich war Hitlerjunge Salomon“ von Sally Perel (1990)

In seiner Biografie schreibt Sally Perel über die Zeit während der NS-Diktatur. Er war Jude, seine Eltern und Schwestern wurden ermordet. Er aber überlebte durch eine falsche Identität, gab sich als Volksdeutscher aus und landete so bei der Wehrmacht. Von dort aus wurde er in ein Eliteinternat der Hitlerjugend geschickt und gegen Ende des Krieges an die Front.

Seine Geschichte ist besonders und zeigt auf, wie paradox die Richtlinien der Nazis waren. Sie selbst erkannten den Juden in ihren eigenen Reihen nicht. Sally Perel beschreibt diese Zeit sehr anschaulich und stellt seine konstante Angst dar. Gleichzeitig gibt er zu, sehr mit seiner Entscheidung gehadert zu haben. Er erklärt, dass die Ideologie der Nationalsozialisten sich auch teilweise in seinen Gedankengängen wiederfand. Das hat ihn sehr erschreckt, zeigt aber auch, wie wirksam die Propaganda der Nazis war. Perel regt zum Nachdenken, zum kritischen Hinterfragen des eigenen Gedankenguts an.

Foto: Heyne Verlagsgruppe

Er starb im Februar 2023, hat aber zeit seines Lebens Vorträge als Zeitzeuge während der NS-Diktatur gehalten. Seine Erzählungen über sein Leben waren genauso fesselnd wie das Buch.

Von Olivia Bodensiek


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Über den Autor/die Autorin:

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