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Goldschmiedin, Sattlerin, Orgelbauer: Azubis über ihre traditionellen Berufe

Goldschmiedin, Sattlerin, Orgelbauer: Azubis über ihre traditionellen Berufe
Foto: privat

Warum entscheiden sich junge Menschen heutzutage noch dazu, einen uralten Handwerksberuf zu erlernen? MADS hat mit drei Lehrlingen über ihre Ausbildung in einem traditionellen Beruf gesprochen.


Die Liste der Ausbildungsberufe ist lang. Besonders Lehren in den Bereichen Einzelhandel, Kfz-Mechatronik oder auch Fachinformatik zählen derzeit zu den beliebtesten. Doch es gibt auch junge Menschen, die stattdessen lieber einen alten Handwerksberuf erlernen. MADS hat mit drei von ihnen gesprochen.

Jule macht eine Ausbildung zur Goldschmiedin

„Geduld, Geschick und ein Auge fürs Detail“, darauf kommt es bei Goldschmieden an, meint Jule. Die 28-Jährige steckt gerade im dritten Lehrjahr ihrer Ausbildung. Dem voraus gingen ein angefangenes Studium der Kunsttherapie und eine rein schulische Lehre zur Schmuckdesignerin. Doch sie wollte mehr Praxis. „Ich habe schnell gemerkt, dass die Uni irgendwie nicht so meins ist. Ich liebe das kreative Arbeiten und learning by doing. Deshalb habe ich mich dann für die Ausbildung zur Goldschmiedin entschieden.“

Hier arbeitet Jule gerade an einer Sonderanfertigung. Für einen Ohrschmuck lötet sie ein Blech auf eine Zarge. Foto: privat

Dort fertigt sie in erster Linie Trau- und Verlobungsringe an. Sie schmiedet, lötet und befeilt das Gold, versäubert Gussteile oder fasst Edelsteine ein. „Wir haben bei uns im Betrieb aber auch viel Kontakt zu den Kunden, gehen mit ihnen ins Gespräch und besprechen ihre Vorstellungen.“ Das bringt natürlich auch einen gewissen Druck mit sich: „Wenn man Entwürfe für Kunden macht, muss man im Hinterkopf behalten, dass das relativ schnell abgewickelt werden muss. Zeit ist eben immer noch Geld.“

Jule ist mit ihrer Ausbildung gerade wegen der praktischen Arbeit trotzdem zufrieden. Sie sagt jedoch auch, dass dieser Aspekt schon bald verloren gehen könnte: „Viele Goldschmieden wollen oder können aus finanziellen Gründen keine Leute mehr ausbilden.“ In Zukunft könne es also sein, dass die Ausbildung nur noch rein schulisch stattfindet. „Das ist meiner Meinung nach ein qualitativer Unterschied, weil einem am Ende die Erfahrung fehlt, die man im Betrieb erlangen kann“, meint Jule. „Dieses Weiterreichen von Tipps und Tricks à la ‚Ich lerne von meinem Meister, was er schon von seinem Meister gelernt hat‘ würde damit wohl verschwinden.“

Dass der Beruf in naher Zukunft ausstirbt, denkt die 28-Jährige jedoch nicht: „Viele Leute wollen heutzutage immer noch ein Schmuckstück mit Persönlichkeit und keine Massenware. Sie bevorzugen deshalb einen Ring vom Goldschmied gegenüber dem vom Juwelier um die Ecke oder aus dem Internet.“

Pia: Von Dresden nach Hannover, um Sattlerin zu werden

Pia möchte ihre beiden Hobbys Reiten und Nähen zum Beruf machen und hat sich deshalb für eine Ausbildung zur Sattlerin entschieden. Dafür ist die 17-Jährige 2021 extra von Dresden nach Hannover gezogen und hat diese Entscheidung nicht bereut. „Ich mag meine Arbeit schon sehr“, sagt sie.

Hier näht Pia die weiche Knielage an das Sattelblatt. Foto: privat

In ihrem Betrieb durchläuft Pia jede Abteilung und lernt dabei die einzelnen Schritte, die zur Herstellung von Pferdesatteln, Zaumzeug und Pferdegeschirr benötigt werden. Aus Leder schneidet sie die Einzelteile zu, schärft die Kanten aus, näht sie zusammen und polstert den Sattel anschließend auf. „Es sind extrem viele Arbeitsschritte, die da auf einen zukommen, und es ist super interessant zu lernen, wie das alles geht“, meint Pia.

Dabei arbeitet sie einen großen Teil der Zeit an der Nähmaschine. Weil da aber nicht alles drunter passt, lernt sie auch, gewisse Teile per Hand zusammenzunähen. Das Schöne an dem Beruf: „Er kann eben nicht so leicht von einer Maschine ersetzt werden“, meint Pia. Gerade, wenn es um die Vor- und Nachbereitung des Nähens, das Befüllen von Kissen oder die Kantenbearbeitung gehe, sei Handarbeit gefragt. „Außerdem ist Leder ein so vielfältiger Werkstoff. Das gesamte Handwerk macht einfach Spaß und ich finde es auch schön, wenn man selbst etwas kann, was vielleicht nicht so alltäglich ist.“

Ben lernt den Beruf des Orgelbauers

Ben erging es nach seinem Abitur zunächst wie vielen anderen auch. „Ich hatte erst mal keinen richtigen Plan, was ich machen wollte.“ Statt für ein Studium entschied er sich jedoch für einen außergewöhnlichen Handwerksberuf: „Eine Freundin meiner Mutter hat mich damals zu einem Praktikum beim Orgelbauer überredet, und daran bin ich dann hängen geblieben. Und das, obwohl ich während meiner Schulzeit noch gar nicht wusste, dass es diesen Beruf gibt.“

Hier sticht Ben das Labium für eine Holzpfeife. An dem schmalen Holzstück bricht später der Luftstrom und erzeugt einen Ton. Foto: privat

Jetzt befindet er sich bereits im dritten Lehrjahr seiner Ausbildung und lernt dort unter anderem, wie man eine Orgel von Grund auf anfertigt. „Im Prinzip kaufst du als Orgelbauer einen Stamm Holz und das Rohmaterial der Pfeifen, also meist Zinn oder Blei, baust daraus in vielen Schritten die einzelnen Teile und fügst diese dann zusammen.“ Doch zu dem Beruf gehört noch einiges mehr: Da die meisten Kirchen bereits mit Orgeln versorgt sind und diese auch einige Jahre halten, besteht ein Großteil der Arbeit aus Reparatur, Reinigung, Restauration und dem Stimmen. „Ein Orgelbauer verdient das meiste Geld mit Stimmtouren, denn je nach Typ müssen die Instrumente alle paar Jahre oder sogar Monate gestimmt werden.“

Musikalisches Können sei dafür zwar von Vorteil, aber dank entsprechender Stimmgeräte, die vorgeben, wie ein Ton zu klingen hat, nicht zwingend notwendig. „Es schadet natürlich nicht, wenn man weiß, welche Taste welche Pfeife anspielt, und wenn man die Orgel auch mal ein bisschen durchspielen kann. Ich selbst spiele aber bis heute privat kein Tasteninstrument“, erzählt Ben. Trotzdem ist er durchaus glücklich mit der Wahl seiner Ausbildung: „Es ist ein Beruf, bei dem man wirklich sieht, was man macht. Wenn man Tag für Tag im Betrieb an einer Orgel arbeitet und diese dann ein paar Monate später in der Kirche sieht, dann ist man schon stolz.“

Von Benjamin Wätzold


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