Seite auswählen

Werbung

Fördern Bio-Lebensmittel den Klimawandel?

Fördern Bio-Lebensmittel den Klimawandel?
Foto:  dpa

Wer „bio“ einkaufen geht, möchte sich etwas Gutes tun – und der Umwelt. Doch was der Umwelt gut tut, ist nicht automatisch hilfreich für das Klima. Einige Wissenschaftler sind sogar der Meinung: Bio-Lebensmittel sind klimaschädlich.


 

Wer bio kauft, hat dafür meist gute Gründe. Verbrauchern geht es um Tierschutz, um weniger Schadstoffe und Zusatzstoffe in ihren Lebensmitteln. Auch das Thema Umwelt spielt für Konsumenten eine große Rolle. Zwar glauben viele Menschen, dass bio auch gut fürs Klima sei. Doch so simpel sei die Sache längst nicht, betont Hans Marten Paulsen. „Bei einer pauschalen Beurteilung „bio ist besser“ bin ich nicht dabei“, sagt der Wissenschaftler vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Westerau.

Vorteile für die Umwelt durch Ökolandbau

Er sieht zwar klare Vorteile für die Umwelt unter anderem in Bezug auf Artenvielfalt und Gewässerschutz. Klimatechnisch hält er das Potenzial von ökologischer und von konventioneller Landwirtschaft aber für vergleichbar. Paulsen ist an einem langjährigen Forschungsprojekt beteiligt, das konventionelle und ökologische Betriebe in Deutschland miteinander vergleicht – auch in Bezug auf Klimafreundlichkeit.

Die Forscher stellten durchaus systematische Vorteile des Ökolandbaus in Bezug auf das Klima fest. So wird in ökologisch bewirtschafteten Böden meist mehr Kohlenstoff gespeichert. Außerdem setzen Biobetriebe keine Mineraldünger und Pestizide ein, deren Herstellung sehr energieaufwendig ist. Durch den fehlenden Stickstoffdüngereinsatz wird laut Paulsen auch weniger klimaschädliches Lachgas (N2O) emittiert.

Weniger Treibhausgase bei Ökobetrieben, aber auch weniger Ertrag

Insgesamt seien die Treibhausgas-Emissionen pro Hektar Fläche im Biolandbau um rund 50 Prozent geringer als in der konventionellen Landwirtschaft, sagt Kurt-Jürgen Hülsbergen vom Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der Technischen Universität München, der am selben Projekt beteiligt war wie Paulsen.

Gleichzeitig kommen Ökobetriebe aber auch auf weniger Ertrag pro Fläche. Hülsbergen schätzt, dass Ökobauern im Schnitt nur etwa 75 Prozent der Ernte von konventionellen Betrieben einfahren. Bei Weizen seien es sogar nur 60 Prozent.

Lesen Sie auch:
Deutsche greifen immer häufiger zu Bio-Produkten

Pupsende Bio-Rinder tragen zum Klimawandel bei

Das Geschäft mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland wächst rasant. Die Branche setzte 2017 erstmals mehr als 10 Milliarden Euro um. Aber wie sieht die Klimabilanz bei einem konkreten Produkt im Supermarkt aus? Pro Kilogramm Getreide oder Milch seien die Treibhausgas-Emissionen ökologischer und konventioneller Betriebe im Mittel ungefähr gleichauf, sagt Paulsen vom Thünen-Institut.

Deutlicher ist die Lage dagegen bei Rindfleisch, wie Matthias Meier vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz erklärt. Öko-Rinder, die auf der Weide stehen und Gras fressen, entwickeln sich verhältnismäßig langsam, bis sie geschlachtet werden können. Ihre Cousins aus der konventionellen Viehhaltung, die im Stall leben und mit Kraftfutter gemästet werden, brauchen nur halb so lang. Schon allein weil sie länger leben, pupsen Bio-Rinder mehr Methan aus, das als Treibhausgas zum Klimawandel beiträgt.

Methanausstoß ist schwer zu begrenzen

Meier betont aber auch, dass Rinder in Graslandhaltung kein zusätzliches Futter brauchen und dadurch Ackerflächen für Lebensmittel frei würden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es wegen der begrenzten Grasflächen wesentlich weniger Rinder auf der Welt geben würde, wenn alle Tiere auf der Weide stünden, statt Kraftfutter zu bekommen. Das würde den Methanausstoß unterm Strich reduzieren. Voraussetzung wäre aber, dass der globale Verzehr von Rindfleisch stark zurückgeht.

Vergleich von Bio- und konventionellen Lebensmitteln ist komplex

Bei Untersuchungen, die biologische und konventionelle Lebensmittel in Bezug auf ihre Emissionen direkt vergleichen, rät Meier zu Vorsicht. Je nach Studie und Lebensmittel fielen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus. „Sie werden alles finden“, sagt er. Sein Kollege Martin Hofstetter von Greenpeace ergänzt: „Es ist hochkomplex, Bio- und konventionelle Lebensmittel in Bezug auf das Klima zu vergleichen. Auf welchen Böden und mit welchem Aufwand wurde etwas angebaut, wie wurde die Ernte gelagert und transportiert?“ Selbst die Art des Traktors spiele eine Rolle. „Die Aussage, bio wäre in Bezug auf das Klima immer besser, ist falsch.“

Lesen Sie hier:
Ökotest: Nur vier Bio-Eier überzeugen

Forscher sehen im Ökolandbau Vor- und Nachteile

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch ein Klimaschutz-Gutachten aus dem Jahr 2016, das für das Bundeslandwirtschaftsministerium erstellt wurde. Darin heißt es: „Allein aus Gründen des Klimaschutzes ist eine pauschale Förderung des Ökolandbaus angesichts der bisher vorliegenden Daten nicht zielführend.“ Die Gutachter schreiben aber auch: „Der ökologische Landbau hat vielfältige positive Umweltauswirkungen auf Biodiversität, Grünlanderhalt, Boden- und Grundwasserschutz sowie Tierschutz.“

Fünf Tipps für einen klimabewussten Einkauf:

Für einen klimabewussten Einkauf spiele das Bio-Siegel eine untergeordnete Rolle, sagt Greenpeace-Experte Hofstetter. Man sollte beim Einkauf auf folgende Punkte achten – in dieser Reihenfolge:

1. Mit vollem Magen und Einkaufszettel einkaufen gehen. So landen weniger überflüssige Produkte im Einkaufskorb.

2. Verzicht auf Produkte, die eingeflogen werden. Das gilt zum Beispiel für frische Himbeeren, Papayas, frischen Fisch aus Island, lebende Hummer aus Kanada oder auch grüne Bohnen aus Afrika. Äpfel werden hingegen meist per Schiff transportiert.

3. Wenig Rindfleisch. Die Klimabilanz von Steak & Co. ist besonders schlecht.

4. Fleisch und Milchprodukte reduzieren. Bei der Produktion von pflanzlichen Produkten entstehen weniger Treibhausgase.

5. Auf Saisonalität und Regionalität achten. Je weniger Produkte gefahren und/oder gekühlt werden müssen, desto besser.

Schwedische Forscher: Bio-Lebensmittel sind klimaschädlich

Stefan Wirsenius von der Technischen Hochschule Chalmers im schwedischen Göteborg ist – anders als viele seiner deutschen Kollegen – überzeugt davon, dass biologische Lebensmittel sogar schlechter für das Klima sind. Seine Logik: Weil für die Produktion von Bio-Lebensmitteln mehr Fläche benötigt werde, gebe es global gesehen weniger Platz beispielsweise für Wald, der ein bedeutender Kohlenstoffspeicher ist. Bislang werde oft unterschätzt, wie viel CO2 Flächen speichern könnten, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, schrieb Wirsenius mit Kollegen im Dezember im Fachblatt „Nature“.

Jeder Anbau von Lebensmitteln habe globale Auswirkungen

„Unsere Studie hat gezeigt, dass in Schweden angebaute Bio-Erbsen eine um 50 Prozent größere Auswirkung auf das Klima haben als konventionelle Erbsen“, sagt Wirsenius laut einer Mitteilung seiner Universität. Er verweist darauf, dass Lebensmittel-Märkte global sind. „Wie wir in Schweden Landwirtschaft betreiben, hat Auswirkungen auf Rodungen in den Tropen. Wenn wir mehr Land für dieselbe Menge Essen brauchen, tragen wir indirekt zum Abholzen von Wäldern in anderen Weltregionen teil.“ Viele deutsche Experten überzeugt das allerdings nicht.

Bio-Lebensmittel beeinflussen den Lebensstil

Es sei nur schwer abzuschätzen, ob ein vermehrter Konsum von Bio-Lebensmitteln hierzulande zu Rodungen anderswo führen würde, sagt Paulsen vom Thünen-Institut. So gehe mit einem ökologischem Lebensstil auch oft eine bewusstere und fleischärmere Ernährung einher. Bei der Produktion von Fleisch sind die Emissionen im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln besonders hoch. „Wenn Sie eine Familie mit Bio-Fleisch ernähren wollen, ist das so teuer, dass sie automatisch auf zwei bis drei vegetarische Tage kommen“, sagt Paulsen.

Auch interessant:
Müssen Landwirte auf künstliche Beregnung verzichten?

Von RND/dpa/Valentin Frimmer


Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

Poste einen Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

UNSERE MADS-PARTNER

Jetzt zum MADS-Newsletter anmelden

Jetzt zum MADS-Newsletter anmelden

Laufend die neuesten Artikel direkt in deine Mailbox -bequemer geht's nicht. Melde dich schnell und kostenlos an!

Du bist erfolgreich angemeldet