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Von der Freude, etwas zu verpassen: Das ist Jomo

Von der Freude, etwas zu verpassen: Das ist Jomo
Foto: Kinga Howard/Unsplash

Viele kennen Fomo, die Angst, etwas zu verpassen. Doch es gibt auch Jomo, die Joy of missing out. Was sich dahinter verbirgt und warum sie gerade jungen Menschen nützt, erklärt eine Diplom-Psychologin im MADS-Interview.


Frau Scharnhorst, was bedeutet Jomo?

In unserer heutigen Zeit gilt häufig die Regel, immer alles mitbekommen zu müssen und immer auf dem neuesten Stand zu sein. Deshalb hat sich eine kritische Haltung gegenüber dem übermäßigen Online-Sein entwickelt – in Form von Joy of missing out oder kurz Jomo. Damit ist der bewusste Verzicht gemeint. Man sagt: Ich muss nicht ständig online sein, und ich muss auch nicht bei allem dabei sein.

Wie kam der Begriff zustande?

Zuerst ist der Begriff Fomo entstanden, das bedeutet Fear of missing out. Fomo beschreibt die Angst, etwas zu verpassen, was heutzutage eine weit verbreitete Sorge vieler Menschen ist. Daraufhin hat eine US-amerikanische Autorin ein Buch darüber geschrieben, wie es war, 31 Tage auf ihr Handy zu verzichten. Sie nannte das Buch „Joy of missing out“.

Foto: privat

Julia Scharnhorst ist Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin. Nach ihrem Studium der Psychologie studierte sie Public Health mit dem Schwerpunkt Management im Gesundheitswesen.

Inwiefern ist Jomo gerade für junge Menschen von Bedeutung?

Junge Menschen sollten sich überlegen, was ihnen im Leben wirklich wichtig ist. Viele Jugendliche verbringen viele Stunden online, dadurch geht viel Zeit verloren. An welche Inhalte, die wir heute gesehen haben, werden wir uns morgen noch erinnern können? Wir haben keinen dauerhaften Nutzen davon.

Spiegelt der Begriff Jomo den Zeitgeist unserer Generation wider?

Wir sehen schon jetzt, dass die Aufmerksamkeitsspanne bei Jugendlichen kürzer wird. Deswegen hoffe ich, dass der Trend anhält. Es geht darum, bewusst zu entscheiden, wann bin ich online und wann nicht. Da ist es am sinnvollsten, sich Alltagssituationen vorzunehmen und zu schauen, was man ändern kann. Wann bringt es mir etwas, und wann vergeude ich meine Zeit?

Wie kann es gelingen, den Trend im eigenen Alltag durchzusetzen?

Tatsächlich gibt es dafür Apps, aber es geht auch ohne. Es hilft, sich abends eine Zeit zu überlegen, zu der ich das Handy in den Flugmodus schalte. Vielleicht sollte man auch die Whatsapp-Gruppen verlassen, die einem selbst nichts bringen. Ein guter erster Schritt ist außerdem, Bildschirmzeiten aufzuschreiben: Wie lange bin ich eigentlich online? Dann kann man sich Zeitlimits setzen. Auch ich habe von 10 Uhr abends bis 7 Uhr morgens den Flugmodus drin – dann kommt nur meine Tochter durch. 

Foto: Sten Ritterfeld/Unsplash

Mit welchen Risiken ist Jomo verbunden?

Die einzige Gefahr sehe ich darin, sich mit Freundinnen und Freunden oder der Familie zu streiten, wenn man sich mit den Antworten auf Nachrichten Zeit lässt. Es kann Unverständnis aufkommen, wenn man selbst nicht mehr in der Gruppe aktiv ist. Das kann als persönlicher Angriff aufgefasst werden. Aber wenn die eigenen Freundinnen und Freunde das nicht akzeptieren, sollte man sich auch überlegen, ob das die richtigen Freundinnen und Freunde sind. Sicherheitshalber sollte man vorher Bescheid geben, dass man jetzt langsamer auf Nachrichten reagiert.

Die aktuelle Weltlage verlangt doch ein bisschen, dass man sich informiert und einigermaßen auf dem neuesten Stand ist. Steht Jomo dem nicht im Weg?

Es ist sinnvoll, sich tagsüber eine Zeit für Nachrichten festzulegen. Wenn ich morgens und abends Nachrichten schaue, genügt das. Gerade wenn mich Nachrichten belasten, sollte man nicht ständig damit zu tun haben. Nach einiger Zeit wird man feststellen, dass man gar nicht so viel verpasst hat.

Wird sich Jomo durchsetzen?

Es wird wahrscheinlich nicht unter diesem Namen weiterlaufen. Aber was bleibt, ist die Gewissheit, dass wir uns Gedanken machen müssen, wie wir mit den modernen Medien umgehen wollen. Gerade auch was das Arbeitsleben betrifft: Abends sollten die dienstlichen Mails geschlossen bleiben – sonst ist das Abschalten ganz schwierig. Technik an sich ist erst mal neutral, die Frage ist, wie wir damit umgehen. 

Initerview: Arne Seyffert


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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