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Erasmus: Ist das Auslandssemester ein Must-Do im Studium?

Erasmus: Ist das Auslandssemester ein Must-Do im Studium?
Foto: Unsplash/Matt Ragland

Für viele gehört ein Auslandssemester über Erasmus zum Studium dazu. Das Programm der EU existiert seit 2003 und hat zwei Ziele: Es erleichtert die Anerkennung von Studienleistungen im Ausland und unterstützt die Studierenden auch finanziell. Doch die Zeit im Ausland kann auch negative Seiten haben. Zwei Studierende berichten.


Myron (23): Gruppenzwang durch Partys im Ausland

Ich habe im Wintersemester 2022/23 einen Erasmus-Aufenthalt in Liverpool absolviert. In dieser Zeit habe ich viel erlebt, viele schöne Momente gehabt, mich in bestimmten Situationen allerdings auch sehr unwohl gefühlt. Diese unangenehmen Situationen stehen beinahe ausnahmslos in Verbindung mit Alkoholkonsum und Partykultur.

Myron Christidis (links) studiert Deutsch und Englisch im Master of Education. Foto: privat

Ich habe zu Beginn schnell Anschluss in einer Gruppe von Erasmus-Studierenden gefunden. Aber: Wer nicht immer dabei war oder sich nicht genug bemüht hat, der gehörte schnell nicht mehr dazu. Dieser Teil hat für mich ganz gut funktioniert, da ich mich mit meinen Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen und den Menschen drum herum gut verstanden habe – zumindest tagsüber. Während des Studiums im Allgemeinen, aber auch ganz speziell während eines Austauschs scheint das Nachtleben jedoch für viele Studierende elementar für das Knüpfen intensiver Beziehungen zu sein.

In diesen ersten paar Wochen standen nahezu jeden Abend Clubbesuche an. Ich habe kein Problem mit Alkohol, gehe aber nur in den Club, wenn ich Menschen dabei habe, mit denen ich mich wohlfühle. Deshalb bin zunächst noch nicht mitgekommen. Die Gruppe ist dann ohne mich weiter zusammengerückt, und ich habe häufig auch nicht mehr mitbekommen, wenn am nächsten Tag gemeinsam Kaffee getrunken oder zu Mittag gegessen wurde. Das hat dafür gesorgt, dass ich mit diesen Menschen immer weniger zu tun hatte.

Foto: Unsplash/Atanas Paskalev

Ich hatte das Glück, dass ich auch ein paar Freunde kennengelernt habe, die das ähnlich sahen wie ich. Schön war diese Erfahrung trotzdem nicht. Ich bin auch mal mit in den Club gegangen, aber es hat sich oft ein wenig erzwungen angefühlt. Wer nicht mitkommen wollte, wurde selten angeprangert, meist aber unter Druck gesetzt, bearbeitet und sprichwörtlich mit Alkohol übergossen. Für alle schien klar: Man hatte nur ein halbes Jahr in Liverpool, und da musste alles rausgeholt werden. War ich nicht da oder bin früher gegangen, durfte ich mir dumme Sprüche oder tiefverletzte Sprachnachrichten von betrunkenen Leuten anhören. Nach außen hin nahm ich das mit Humor, aber fragte ich mich immer öfter, ob mit mir vielleicht irgendetwas nicht stimmt.

Das ist bestimmt nicht überall so, aber ich habe solche Dynamiken während meines Auslandsaufenthaltes sehr oft erlebt. Sicherlich ist das auch eine generelle Problematik bei jungen Menschen, aber während des Erasmus-Semesters war dieser Aspekt noch einmal deutlich verstärkt. Die auf ein halbes Jahr datierten und daher sehr intensiven Beziehungen sind wie ein Katalysator für Partyerfahrungen. Wer da nicht mithalten kann, ist dann eben eher Stimmungskiller.

Von Myron Christidis

Lies auch: Als Azubi ins Ausland? Klar – Erasmus ist nicht nur etwas für Studenten

Lore (23): Sprachkenntnisse und neue Freunde dank Erasmus

Ich war für fünf Monate im spanischen Tarragona, einer etwas kleineren Stadt südlich von Barcelona, an der Küste. Schon zu Beginn meines Studiums hatte ich mir ein Auslandssemester vorgenommen. Corona hat mich erst an dem Plan zweifeln lassen, aber als die Situation sich etwas entspannte, beschloss ich, mich zu bewerben. Das war dann kurz vor der Deadline, also ein Semester vor dem eigentlichen Auslandssemester.

Wie gut die jeweilige Organisation abläuft, hängt allerdings immer ein bisschen von der Uni ab. Schon die Suche nach einem Land gestaltete sich bei mir schwierig. Anfangs hatte ich nach einem englischsprachigen Angebot gesucht, das war allerdings nicht verfügbar. Mein Erasmuskoordinator von der Uni hat mir Ungarn angeboten, ich wollte aber die Einheimischen auch verstehen und keine Sprache komplett neu lernen. Schließlich fiel die Wahl auf Tarragona. Ich konnte ein bisschen Spanisch aus der Schule und dachte, wenn der Unterricht auf Englisch sei, könne da eigentlich nichts schiefgehen.

Lore Riße studiert Medienwissenschaft. Foto: privat

Während der Vorbereitung hat sich mein Koordinator selten gemeldet und war kaum ansprechbar, da er oft krank war. Inzwischen habe ich festgestellt, dass er gar nicht mehr am Institut ist. Unser International Office hat zum Glück sehr gut reagiert. Sie haben mir bei sehr knappen Deadlines viel unter die Arme gegriffen, sodass zum Schluss doch alles problemlos lief. Es wurde mir immer gesagt: Leichter kommst du nie wieder ins Ausland, also mit weniger Bürokratie und Selbstorganisation. Ich denke, dass das stimmt.

In Spanien stieß ich auf eine Überraschung: Eigentlich hat mein Koordinator mir gesagt, dass ich Kurse auf Englisch belegen könne, schließlich gab es aber keinen einzigen Kurs auf Englisch. Auch Kurse auf Spanisch gab es nur wenige, die meisten Kurse waren auf Katalanisch. Letztlich bin ich trotzdem gut durchgekommen, weil das Konzept der Uni auch auf Erasmus-Studierende ausgelegt war und deswegen die Bewertung nicht so streng war.

Foto: Unsplash/Pau Sayrol

Zudem habe ich Leute aus der ganzen Welt getroffen und auch Freundschaften geschlossen. So habe ich auch Auslandsstudierende aus Argentinien und Chile kennengelernt, mit denen ich jetzt eng befreundet bin. Es ist zwar ein bisschen traurig, dass ich sie jetzt erst mal nicht so schnell wiedersehen kann, aber wir bleiben noch immer über Facetime in Kontakt.

Auch mein Spanisch hat sich verbessert. Vor und nach dem Auslandsaufenthalt bekommt man von Erasmus einen Sprachtest zugesendet, den man absolvieren kann. Vorher ergab der Test bei mir ein A2-Niveau, hinterher ein B2-Niveau. Allerdings würde ich sagen, dass ich am Anfang vielleicht nicht ganz so schlecht war, wie der der Test gesagt hat, und am Ende vielleicht nicht ganz so gut. Subjektiv bin ich aber im alltäglichen Umgang definitiv besser geworden, auch wenn ich nicht fließend Spanisch auf Muttersprachen-Niveau spreche.

Aufgezeichnet von Sophie Gaedke


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