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Austauschprogramm trotz Corona: So leben internationale Jugendliche in Deutschland

Austauschprogramm trotz Corona: So leben internationale Jugendliche in Deutschland
Foto: Christian Lue/Unsplash

Wie ist es, in einem fremden Land zu leben und zu lernen – und das während der Pandemie? Davon berichten vier junge Menschen aus aller Welt, die sich für ein Austauschprogramm in Deutschland entschieden haben.


Hanna aus Ungarn hofft auf Abenteuer

Aus Ungarn nach Rosengarten nahe Hamburg: Dort lebt zurzeit die 16-jährige Hanna Pataki. Sie nimmt in diesem Schuljahr an einem Austauschprogramm in Deutschland teil. Betreut wird sie dabei von der Organisation STS Education. Wie bringt man als so junger Mensch den Mut auf, für ein ganzes Jahr ins Ausland zu gehen? „In Ungarn habe ich Deutsch gelernt, aber es war nicht sehr erfolgreich. Ich dachte, wenn ich die Sprache richtig lernen möchte, muss ich nach Deutschland gehen“, sagt Hanna. Und noch etwas motivierte die Schülerin: „Wegen Corona gab es lange nur Onlineunterricht, das war langweilig. Ich liebe Abenteuer und wollte einfach mal wieder etwas Neues erleben.“

Hanna Pataki (16) macht ein Austauschjahr in Deutschland nahe Hamburg. Mit ihrer Gastfamilie hat sie schon viele Ausflüge unternommen, wie zum Beispiel in die Heide. Foto: privat

„Deutschland ist sehr umweltfreundlich und reich“

Vor ihrer Ankunft dachte Hanna, die Deutschen seien „ein bisschen kalt“. Doch sie wurde direkt mit offenen Armen empfangen. Die Menschen seien aber nicht nur freundlich, sondern auch ehrlich, meint Hanna. Und das Land selbst? „Deutschland ist sehr umweltfreundlich und reich“, sagt sie. „Zum Beispiel gibt es in den Läden viele Flaschen aus Glas statt aus Plastik und der Müll wird getrennt.“

Heimweh hatte Hanna bisher noch nicht, alles sei noch so neu und spannend. Mit ihrer Gastfamilie, bestehend aus den Eltern, fünf Geschwistern und zwei Hunden, hat sie schon viele Ausflüge unternommen, nach Hamburg und in die Heide. In den Herbstferien ging es gemeinsam nach Dänemark. In Zukunft möchte Hanna einen Tanzkurs machen, um neue Menschen kennenzulernen und Freundschaften zu schließen. Das sei das Wichtigste, um sich in einem fremden Land wohlzufühlen, sagt die 16-Jährige.

Der Weg zum Schüleraustausch

Es gibt viele Organisationen, die einen Schüleraustausch rund um die Welt möglich machen. Dazu zählt nicht nur STS Education, sondern auch Education First (EF), Stepin – Highschool International, das American Institute For Foreign Study Deutschland (AIFS) sowie der Verein Experiment und viele mehr. Zudem veranstalten viele Schulen direkt Auslandsaufenthalte für ihre Schülerinnen und Schüler.

In jedem Fall gilt: Wer an einem Austauschprogramm teilnehmen möchte, sollte sich rechtzeitig informieren und mit der Planung beginnen, am besten schon ein halbes bis ganzes Jahr, bevor es losgehen soll. Die Kosten für einen Auslandsaufenthalt können je nach Zielort und Bedingungen stark variieren. In der Regel liegen die Preise für mehrmonatige Aufenthalte aber bei mehreren Tausend Euro.

Emma aus Dänemark: Kulturschock in der Schule

Emma Filbert aus Dänemark hat ihren Auslandsaufenthalt mit STS Education in Deutschland bereits hinter sich. Die Schülerin kam im August 2020 mit 16 Jahren nach Laudenberg in Baden-Württemberg und blieb fast ein ganzes Jahr. „Ich wollte gern nach Deutschland, weil ich das Land schon immer schön fand“, berichtet die Schülerin. Auch die Sprache hat es ihr angetan. „Viele Dänen sagen, Deutsch sei schwierig und mache keinen Sinn, aber ich finde, es klingt sehr schön.“

Die Erlebnisse in den ersten Wochen nach der Ankunft waren für Emma überwältigend. Besonders in der Schule gab es viele Herausforderungen. „Das Schulsystem war der größte Kulturschock für mich“, erzählt sie. Denn in Dänemark besuchten Kinder zehn Jahre lang die Grundschule und entschieden sich erst dann für das Gymnasium oder eine Berufsausbildung. „In Deutschland geht alles sehr viel schneller“, sagt Emma, die hier die zehnte Klasse besuchte.

Emma Filbert aus Dänemark unternahm während ihres Auslandsjahres in Deutschland viele Ausflüge mit ihrer Gastfamilie – zum Beispiel an den Neckar. Foto: privat

Bei Heimweh hilft Ablenkung

In ihrer Freizeit unternahm Emma viel mit ihren Gasteltern und -geschwistern. Außerdem spielte sie Gitarre, machte einen Tanzkurs und Leichtathletik. Familie und Freunde halfen der Jugendlichen ganz besonders dann, als das Heimweh kam. „Im November und Dezember war ich wegen Corona viel zu Hause. Da habe ich oft an meine Heimat gedacht“, erzählt Emma. Ihr Tipp für solche Momente: „Versuche, dich abzulenken und was zu unternehmen.“

Wer ins Ausland gehen möchte, aber noch zweifelt, dem möchte die junge Dänin Mut zusprechen. „Man sollte es einfach machen. Es wird schon gut.“ Für Emma war es sogar so gut, dass sie nach ihrem Schulabschluss in Dänemark wieder nach Deutschland zurückkehren will. „Vielleicht zum Studieren“, sagt sie.

Lies auch: Digitale Messe #GoEU informiert Jugendliche über Auslandsaufenthalte

Arya aus Indonesien will Forscher werden

Als 17-Jähriger verließ Arya Hafiidh Kumalajati seine Heimat Jakarta in Indonesien und machte sich auf den Weg nach Deutschland – im März 2020, genau zu Beginn der Corona-Pandemie. „Ich wollte schon lange in Deutschland studieren, denn da sind viele berühmte Wissenschaftler geboren“, erklärt er. Die weite Reise unternahm Arya ganz allein. Auch im Zielland angekommen, musste er sich selbstständig zurechtfinden – eine Wohnung suchen, einen Sprachkurs machen, sich bei der Universität einschreiben. „Es war schwer, das alles zu organisieren“, sagt er rückblickend. Anfangs habe er sich oft einsam gefühlt. „Ich hatte auch Angst vor vielen Sachen, weil ich die Sprache noch nicht so gut konnte, zum Beispiel zum Bürgeramt zu gehen.“ Zudem stellte der Corona-Lockdown den Jugendlichen vor große Herausforderungen.

Arya Hafiidh Kumalajati (19) kommt aus Indonesien und studiert Elektrotechnik an der Leibniz-Universität Hannover. Foto: Rabea Osol

Hannover fühlt sich wie Heimat an

Heute spricht Arya fließend Deutsch. Zu Beginn fand er die Sprache noch komisch. „Aber wenn man sie kann, klingt sie schön.“ Bevor Arya nach Deutschland kam, glaubte er, die Deutschen seien unhöflich und kalt. Doch schnell merkte er: „Eigentlich sind hier alle ganz nett.“ Das Leben hier gefällt Arya sogar so gut, dass sich der mittlerweile 19-Jährige vorstellen kann, nach dem Elektrotechnikstudium in Hannover zu bleiben. „Weil es sich mittlerweile wie meine Heimat anfühlt.“

Heimweh habe er in den vergangenen Monaten nicht mehr gehabt, sagt Arya. „Ich kam mit zwölf in ein Internat und bin es gewohnt, meine Familie lange Zeit nicht zu sehen.“ Doch eines vermisst Arya dann doch ganz besonders: das indonesische Essen. „In meiner Heimat gibt es immer Reis. Wenn du etwas ohne Reis gegessen hast, hast du noch nicht gegessen“, sagt er schmunzelnd.

„Du darfst niemals aufgeben“

Für alle, die ein Studium im Ausland anstreben, hat Arya noch einen Rat: „Das Wichtigste ist, dass du dich anpasst, damit du die Herausforderungen meistern kannst. Und du darfst niemals aufgeben, auch nicht, wenn du Angst hast. Du bist nicht allein.“

Austauschprogramm für das Studium im Ausland

Wer einen Auslandsaufenthalt während des Studiums plant oder gar das gesamte Studium im Ausland absolvieren möchte, hat viele Möglichkeiten. In der Regel informieren die Universitäten selbst über Austauschprogramme. Besonders beliebt ist das EU-Förderprogramm Erasmus, welches Studierenden ermöglicht, durch einen drei- bis zwölf-monatigen Auslandsaufenthalt an einer Universität innerhalb der EU zu studieren oder ein Praktikum zu absolvieren. Unabhängig von den Universitäten haben auch viele Austauschorganisationen neben Schülerreisen Angebote für Studierende.

Niren aus Indien liebt die Natur in Deutschland

Im Studium in Deutschland war Niren Giniya erst mal orientierungslos – und das im wörtlichen Sinne. Denn am Anfang musste er oft suchen, wo seine Kurse überhaupt stattfinden. „In Hannover gibt es für alle Fächer verschiedene Räume und Gebäude, die in der ganzen Stadt verteilt sind“, sagt er. In seinem Heimatland Indien sei an den Unis dagegen alles in einem Gebäude untergebracht. Mittlerweile lebt Niren seit drei Jahren in Deutschland und kennt sich gut aus an der Leibniz-Universität, wo er Optical Technology im Master studiert. Seinen Bachelor in Maschinenbau absolvierte der 25-Jährige zuvor in Indien. In seiner neuen Heimat gefallen dem Studenten besonders gut die öffentlichen Verkehrsmittel und das Semesterticket, mit dem er in ganz Niedersachsen kostenlos Zug fahren kann.

Niren Giniya (25) kommt aus Indien und studiert seit 2018 Optical Technology an der Leibniz-Universität Hannover. Foto: Rabea Osol

„In Deutschland muss man Deutsch sprechen“

An Deutschland liebt Niren auch die Natur. Er war schon im Schwarzwald, im Harz und an der Ostsee. „Da habe ich einige der schönsten Orte gesehen, an denen ich je war“, berichtet er. In Hannover hat Niren außerdem viele Freundschaften geschlossen. Diese Menschen, sagt er, hätten ihm sehr geholfen, als er Heimweh hatte – und das sei gerade in der Corona-Zeit oft vorgekommen. „Ich habe meine Familie sehr vermisst.“ Mit der Sprache tat sich der junge Student anfangs schwer. Eine Begegnung mit einer Deutschen motivierte ihn jedoch: „Ich habe sie gefragt, ob sie mit mir Englisch sprechen könnte, und sie sagte: ‚Nein, du bist jetzt in Deutschland, da musst du Deutsch sprechen.‘ Da wurde mir klar, dass sie recht hat und ich die Sprache lernen muss.“

„Sei nicht schüchtern und frag nach Hilfe“

Mittlerweile fühlt sich Niren in Deutschland zu Hause und möchte seine Erfahrungen mit anderen internationalen Studierenden teilen. Dafür arbeitet er im International Office der Leibniz-Universität. Dort erhalten Studierende zum Beispiel Hilfe bei bürokratischen Angelegenheiten und können Kontakte knüpfen. Eines möchte Niren allen, die ein Studium im Ausland beginnen, unbedingt ans Herz legen: „Sei nicht schüchtern und frag nach Hilfe. Nur dann kannst du auch Hilfe bekommen.“

Von Rabea Osol


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