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Tiktok: Zwischen kreativer Unterhaltung und Zensur

Tiktok: Zwischen kreativer Unterhaltung und Zensur
Foto: Solen Feyissa/Unsplash.com

Seit Kurzem hat Tiktok eine Milliarde aktive Nutzerinnen und Nutzer. Ein großer Erfolg für den chinesischen Konzern. Doch welche bunten, lustigen Kurzvideos wem und wo gezeigt werden, ist undurchsichtig.


Diese Woche hat Tiktok einen besonderen Meilenstein erreicht: Die Video-App hat die Marke von einer Milliarde Nutzerinnen und Nutzer, die mindestens einmal im Monat aktiv sind, geknackt. Damit ist Tiktok die einzige Online-Plattform, die nicht aus den USA stammt und trotzdem eine globale Reichweite hat. Im Juli 2021 lag die App mit 63 Millionen Downloads sogar vor Facebook und WhatsApp. 

Gerade bei Jugendlichen ist Tiktok sehr beliebt. Laut der James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Jahr 2020 haben drei Viertel der Zwölf- bis 19-Jährigen einen Tiktok-Account. Anmeldung und Bedienung sind einfach. Durch die zahlreichen Kurzvideos, die auf der For-You-Page angezeigt werden, können Nutzer sich stundenlang durchscrollen.

Tanzen, Lachen, Kochen: Tiktok hat für jeden was

Ob Tanzchoreografien zu aktuellen Hits, Comedy, Kochvideos oder Challenges – Tiktok hat für jeden etwas zu bieten und bringt mitunter sogar Tanzmuffel dazu, sich zu „Savage Love“ zu bewegen. Auch die Tiktokerin @charlidamelio ist für ihre Tanz- und Singvideos bekannt.

Die deutschen Zwillinge @lisaandlena begeistern seit Jahren die Tiktok-Community mit lustigen und kreativen Videos, in denen man sie teils kaum auseinander halten kann.

Doch nicht nur musikalisch geht es auf der Plattform zu. Viele nutzen die Plattform auch für wissenschaftliche, politische oder gesellschaftliche Themen. So überzeugt beispielsweise der Tiktoker @herranwalt seine Community mit Videos, in denen er aktuelle Geschehnisse humorvoll kommentiert und aufbereitet, wie etwa das Ergebnis der Bundestagswahl in Deutschland.

@herranwalt

Guten Morgen. 💕Hier alles was ihr wissen müsst 🖤 Wie findet ihr das? Habt ihr noch fragen? #1minutejura #nachrichten #lernenmittiktok

♬ Pieces (Solo Piano Version) – Danilo Stankovic

Tiktok kontrolliert, was User sehen

Doch was so bunt und unterhaltsam wirkt, hat auch seine Schattenseiten. Die Plattform gehört zum chinesischen Technologieunternehmen ByteDance. Laut Recherchen von netzpolitik.org kontrolliert das Unternehmen selbst sehr stark, was seine Nutzerinnen und Nutzer sehen und was nicht. So können Inhalte nicht nur gelöscht, sondern auch mit Markierungen versehen werden, die verhindern, dass Videos auf der von Algorithmen zusammengesetzten For-You-Page angezeigt werden. Manche Beiträge werden auf diese Weise zudem regional gesperrt oder eingedämmt.

Das kann dazu führen, dass Videos oder Hashtags bei der Suche nur noch schwer auffindbar sind. Gern gesehene Inhalte dagegen kann das Unternehmen pushen, sodass sie häufiger angezeigt werden.

Tiktok will politisch-kritische Inhalte kleinhalten

Diese Kontrolle ist laut Tiktok wichtig, damit Videos nicht gegen lokale Gesetze in verschiedenen Ländern verstoßen. Die Regeln, die festlegen, was gelöscht werden muss und was nicht, seien sehr knappgehalten und ließen viel Spielraum für Interpretationen offen, so ein Insider, der für netzpolitik.org berichtete. Diese Möglichkeit nutze das Netzwerk, um politisch-kritische Inhalte bewusst kleinzuhalten. Der Konzern selbst bestreitet das.

Allerdings sind zum Beispiel Videos zu den Demokratie-Protesten in Hongkong 2019 kaum sichtbar. Im September 2019 berichtete der „Guardian“ über geleakte Dokumente, die belegen, wie Aussagen zu der Unabhängigkeit Tibets zensiert wurden. In islamischen Ländern werden gezielt Inhalte ausgebremst, die sich mit der sexuellen Orientierung beschäftigen, vor allem LGBTQI-Inhalte. Zudem erlangen Videos von übergewichtigen Menschen oder Menschen mit Behinderung weniger Reichweite, laut Tiktok aus Schutz vor Mobbing.

Mangelnder Jugendschutz

Auch beim Jugendschutz weist das Unternehmen Defizite auf. Offiziell ist ein Mindestalter von 13 Jahren für die Nutzung der App nötig. Allerdings wird diese Regelung nicht überprüft und durch keinerlei Maßnahmen durchgesetzt. Minderjährige können so durch Kommentare anonymer Nutzerinnen und Nutzer belästigt werden. Auch können ihnen Videos angezeigt werden, die nicht für sie geeignet sind, da sie zum Beispiel Gewalt oder sexuelle Inhalte zeigen.

Werbung ist nicht ausreichend gekennzeichnet

Zuletzt stand die Kurzvideo-App wegen versteckter Werbung in der Kritik. In vielen Videos rufen Influencerinnen und Influencer zu Challenges auf, bei denen Zuschauer mitmachen oder diese nachmachen können. Sie nutzen dabei bestimmte Produkte, auf die sie aufmerksam machen wollen. Auf den ersten Blick wird allerdings nicht ersichtlich, dass es sich um bezahlte Produktplatzierungen handelt.

Unterhaltung statt Information

Für ältere Jugendliche hat Tiktok eine vielfältige Auswahl an unkomplizierter Unterhaltung zu bieten. Wer kreative Inspirationen und neue Tanzmoves sucht, wird auf jeden Fall fündig. Im Hinterkopf behalten sollte man allerdings, dass die Plattform vor allem dafür da ist. Wer sich unabhängig und seriös über politische Themen – vor allem aus China – informieren möchte, sollte andere Plattformen nutzen.


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Über den Autor/die Autorin:

Jette Ihl

Jette (19) hat gerade Abitur gemacht und möchte bald Politikwissenschaften studieren, um Journalistin zu werden. Sie malt und tanzt gerne, kann sich aber auch stundenlang über Katzen-Memes totlachen. Für MADS schreibt sie über Politik, Feminismus und alles, was sonst gerade noch so aktuell ist.

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