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„Love is Blind“: Kann man sich wirklich in einer TV-Show verlieben?

„Love is Blind“: Kann man sich wirklich in einer TV-Show verlieben?
Foto: Unsplash/Brooke Cagle

Menschen unterhalten sich zehn Tage lang, ohne einander zu sehen – und verlieben sich so? Das ist zumindest das Konzept der Netflixserie „Love is Blind“, die im Februar in die zweite Staffel gestartet ist. Möglich sei das tatsächlich, sagt eine Paartherapeutin im MADS-Interview. Es gibt jedoch einige Hürden.


Frau Gerber, wir alle kennen das Sprichwort „Liebe auf den ersten Blick“. Ist es denn auch möglich, sich nur durch Gespräche zu lieben, ohne die andere Person je gesehen zu haben?

Dass sich eine Verliebtheit nur über tiefgründige Gespräche entwickelt, kann ich mir schon vorstellen. Wenn man von jemandem eine Stimme hört, den Klang, den Tonfall, kann man sich verlieben. Man lernt sich kennen und findet sich sympathisch. Im Rahmen dieses Prozesses kann man sich auch verlieben und lieben lernen. Dennoch braucht Liebe mehr als nur eine sympathische Unterhaltung und Kribbeln im Bauch.

Eine Beziehung ist ja etwas Persönliches zwischen zwei Menschen. Wird es nicht schwieriger, sich auf die andere Person einzulassen, wenn die ganze Welt zusehen kann?

Dass es schwierig ist, kann ich mir gut vorstellen. Außerdem werden Stresshormone ausgeschüttet und man ist auf viele andere Faktoren ausgerichtet. Vielleicht wird man in der Sendung vorher gebrieft, wie man sich zu verhalten hat, welche Fragen man stellen soll. So wird das ganz natürliche, unverfängliche Kennenlernen erschwert.

Über die Show

Die Netflixserie „Love is Blind“ (deutsch: Liebe macht blind) ist ein soziales Experiment aus den USA. Menschen sollen auf neue und ungewöhnliche Art die Liebe ihres Lebens finden – nämlich, ohne sie vorher zu sehen. Jeweils 15 Frauen und Männer daten sich zehn Tage lang, sitzen sich dabei gegenüber, wobei eine Wand die Sicht auf die andere Person versperrt. Das Ziel: Die Paare lernen sich ausschließlich über Worte und Gespräche kennen. Sehen dürfen sie sich erst nach ihrer Verlobung.

Im Februar ist die zweite Staffel von „Love is Blind“ bei Netflix gestartet. Auch andere Länder haben das Experiment inzwischen ausprobiert. So kann man sich bei Netflix ebenfalls „Love is Blind Japan“ und „Love is Blind Brazil“ anschauen.

Ist es überhaupt möglich, sich in einer Fernsehshow zu verlieben?

Ich denke schon. Es ist nur sehr viel unwahrscheinlicher als im Fernsehen dargestellt. Dass man sich dort verliebt, kann passieren. Aber ob es den Wochen und Monaten nach Ende der Show standhält, das würde ich bezweifeln.

Die Paare sitzen sich beim Dating in kleinen Räumen gegenüber, die durch eine Wand getrennt sind. Foto: Love Is Blind/Netflix

Warum sind einige Menschen beim Dating so stark auf das Aussehen fokussiert?

Das hat bestimmte Ursprünge in dem, wie wir in den Urzeiten Partner und Partnerinnen gefunden haben. Sie mussten in dem Sinne attraktiv sein, um das Überleben zu sichern. Der Mann musste zum Beispiel stark sein, nur so konnte er die gemeinsamen Kinder verteidigen und seine Familie beschützen. Ich glaube, so ist das auch heute noch, dass wir jemanden attraktiv finden, der uns anspricht und mit dem wir im Alltag Stärke beweisen.

Und wie wichtig ist das Aussehen beim Flirten?

Da spielt nicht nur das Aussehen, sondern auch das Verhalten eine wichtige Rolle. Wir spielen miteinander, wir halten Augenkontakt, lächeln und senden Signale aus. Flirten kann aber auch funktionieren, ohne sich dabei zu sehen. Manchmal geht das sogar beim Schreiben und am Telefon. Wir können bestimmte Wörter anders betonen, die Tonlage unserer Stimme ändert sich, sie wird weicher, langsamer oder tiefer. Oft passiert das ganz automatisch, wenn wir Interesse haben.

Es braucht doch sicherlich mehr als nur gutes Aussehen, damit Liebe entsteht?

Ganz sicher ist das so. Es nützt einem der schönste Partner oder die schönste Partnerin nichts, wenn man merkt, dass man sich nicht geborgen, nicht sicher oder nicht wertgeschätzt fühlt. Tatsächlich gibt es bestimmte Parameter, die durch Langzeitstudien erforscht wurden, die erfolgreiche Paare auszeichnen. Das sind zum Beispiel das Bewahren der Eigenständigkeit, Toleranz und Akzeptanz oder auch die Kommunikation in der Beziehung und nicht gleich an das Aufgeben zu denken.

Mal ganz abgesehen vom Aussehen – die Paare können sich vor der Verlobung auch nicht umarmen, riechen oder Sex miteinander haben. Für viele elementare Aspekte einer Partnerschaft. Was, wenn der Charakter stimmt, es aber auf dieser Ebene nicht passt?

Das bedeutet im schlimmsten Fall viel Schmerz, weil man sich wieder loslassen muss. Es gibt natürlich auch Partnerschaften, in denen sich beide Seiten einig sind, dass sie sich auch ohne Sexualität lieben. Manche Paare sind dagegen bereit, Commitments einzugehen. Das muss jedes Paar ganz individuell für sich selbst entscheiden.

Paartherapeutin Katrin Gerber aus Lübeck. Foto: Privat

Wie schätzen Sie die Zukunft der Paare ein, die sich dort verlieben oder gar heiraten?

Es kommt immer darauf an, wie man abseits der Kameras miteinander agiert, ob man sich da auch charakterlich überhaupt wiedererkennt und zur Normalität findet. Dann kann es etwas werden. Nur durch das Setting einer Show schätze ich es eher schwierig ein. Wenn, dann passiert es außerhalb oder danach. Dann müssen sich die Paare gegenseitig beweisen, dass sie sich noch immer interessant und reizvoll finden.

Kann man aus Dating-Shows auch etwas für das eigene Leben oder Dating lernen?

Man kann daraus lernen, dass man beim Dating keine Checkliste dabeihaben sollte. Man soll die Dinge offen auf sich zukommen lassen, ohne im Kopf Haken zu machen. Dating funktioniert durch Interesse, aufrichtige Neugierde und Spaß daran zu haben, Menschen erst einmal kennenzulernen und dann zu schauen, ob sich da mehr daraus entwickelt. Und das geht tatsächlich auch erst einmal blind.

Von Jule Arista Runde


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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