Drei Generationen berichten: So lief der Start an der Uni früher und heute
Nervosität, Bauchkribbeln und Vorfreude: Der erste Tag an der Uni ist definitiv etwas Besonderes. Wolfgang Fischer (linkes Bild, Mitte) studierte in den Siebzigerjahren Elektroingenieurwesen in der DDR – sein Studium unterschied sich kaum von der Schulzeit. Anders geht es heute Jeffrey Ji-Peng Li (rechtes Bild), der sich bei 300 Studierenden und mehreren Campus erst einmal zurechtfinden musste.
Marx im Ingenieurstudium: Wolfgang studierte in Magdeburg
Als Dozent an der Universität habe ich viele Studierende an ihrem ersten Tag beobachten können. Mein eigener Start des Studiums sah aber um einiges anders aus, als ich 1974 das allererste Mal den Campus in Magdeburg betrat. Das Studienfach war Elektroingenieurwesen und der Abschluss damals noch das Diplom.
Eine Voraussetzung für das Studium war der Wehrdienst. Also leistete ich nach meinem Abitur 1972 anderthalb Jahre Grundwehrdienst, bevor ich mich auf einen Platz bewarb. Mit 27 Studierenden war unser Studiengang kaum größer als eine Schulklasse. Es gab eine klare Struktur, und wir alle hatten denselben Stundenplan, dieselben Prüfungen und schrieben die Diplomarbeit gleichzeitig. Der Unterschied zur Schule war also gar nicht so groß.
Noch dazu lernte man sich schnell untereinander kennen. Mit Beginn des Studiums zog ich in das Wohnheim ein, wo fast alle meine Kommilitonen lebten. Die Jungs waren alle auf einem Flur, wir teilten uns die Zimmer zu zweit.
In den ersten Tagen im Wohnheim verbrachten wir viel Zeit miteinander und hatten eine typische Ersti-Woche mit Einführungsveranstaltungen und Kennenlernen der Dozenten – schließlich waren wir Neuen eine Woche früher da als die älteren Studierenden. Nach zwei Tagen kannte ich den ganzen Studiengang, was heutzutage wohl kaum jemand mehr von sich behaupten kann.
Ein DDR-Studium hat auch Nachteile
Einerseits war es toll, dass alles bereits organisiert war und man sich um fast nichts mehr kümmern musste. So waren die ersten Tage entspannt, und die gesamten vier Jahre als Student war ich frei von komplizierter Selbstorganisation. Das DDR-Studium hatte aber auch seine Nachteile: Alle waren zwangsweise Mitglieder in der Freien Deutschen Jugend (FDJ), dem kommunistischen Jugendverband der DDR, der einzigen staatlich anerkannten und geförderten Jugendorganisation.
So gab es neben dem Studium Arbeitseinsätze, und ein Drittel der Jungs musste sich als Reserveoffizier bereit erklären. Wir hatten das Pflichtfach Marxismus-Leninismus, in dem wir auch eine Prüfung ablegten. Was das mit Elektroingenieurwesen zu tun hatte, blieb mir ein Rätsel.
Dennoch habe ich die ersten Tage in guter Erinnerung. Nach dem Studium blieb ich schließlich auch an der Universität, erwarb einen Doktortitel und konnte aus nächster Nähe miterleben, wie eine DDR Universität in eine international anerkannte Bildungseinrichtung umgewandelt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.
Aufgezeichnet von Marie Bruschek
Wo geht’s hier zum Hörsaal?: Jeffrey studiert in Berlin
Der erste Tag an der Uni war für mich gleichzeitig der erste Tag nach meinem Auszug aus dem Elternhaus. Direkt nach dem Abi zog ich für das Medizinstudium von meiner Heimat Hannover nach Berlin. Ich musste mich neben dem Uni-Alltag also auch noch auf das selbstständige Leben umstellen – ganz schön viel auf einmal.
Erst mal war es sehr ungewohnt, am ersten Uni-Tag allein im Wohnheimzimmer aufzuwachen. Den Veranstaltungsplan für die erste Woche hatten wir zum Glück im Voraus per Mail erhalten, weshalb ich schon ungefähr wusste, was mich erwartete. Den Campus hatte ich vorher zwar schon mal besucht. Trotzdem musste ich am ersten Tag googeln, in welchem Hörsaal die Einführungsveranstaltung stattfindet – und wie ich dort hinkomme. So ein Campus ist eben nicht mit einem Schulgebäude vergleichbar. So machte ich es in der ersten Woche zum abendlichen Ritual, den Campusplan eingehend zu studieren.
Obwohl es am ersten Tag und auch in der Orientierungswoche bereits Vorlesungen und Seminare gab, ging es eigentlich eher darum, sich in das Uni-Leben einzuleben. Da ich fast niemanden in der neuen Stadt kannte, nutzte ich die Vorlesungspausen oder das Uni-Grillfest, um neue Menschen kennenzulernen. Nachdem ich acht Jahre lang auf dem Gymnasium dieselben Freunde hatte, war es doch etwas Fremdes für mich, wieder neue Kontakte knüpfen zu müssen. Vor dem ersten Uni-Tag war ich deshalb besonders aufgeregt, aber auch ängstlich. Würde ich mit den anderen Studierenden gut klarkommen?
Neue Bekanntschaften und Campustour in Berlin
Wie sich herausstellte, waren meine Sorgen unbegründet. Schließlich ging es den meisten der 300 Studierenden in meinem Jahrgang nicht anders als mir. Alle waren auf der Suche nach neuen Leuten, dementsprechend leicht war es, Bekanntschaften zu schließen. Meine Whatsapp-Kontaktliste war nach wenigen Tagen um einige Einträge länger. Die meisten meiner jetzigen Freunde aus der Uni habe ich während dieser Zeit kennengelernt.
Auch den Campus erkundeten wir schließlich am ersten Tag bei einer geführten Campustour. Blöd nur, dass wir insgesamt drei Hochschulstandorte haben, die quer über Berlin verteilt sind. Für die anderen gab es leider keine Tour, und wir mussten uns in den ersten Tagen des Studiums selbst einen Überblick verschaffen. Obwohl der Lernstoff der ersten Woche schlussendlich nicht klausurrelevant war, war diese Woche rückblickend also doch eine der wichtigsten Phasen meines Studiums.
Jeffrey Ji-Peng Li
Alles auf Anfang: Ines studierte in Hamburg
Ines Walkowiak begann 1990 ihr Studium in Hamburg: Draußen auf dem Flur vor den offenen Türen des Hörsaals saß ich und versuchte, so viel wie möglich von meiner ersten Vorlesung über Literaturgeschichte mitzubekommen. Was blieb mir anderes übrig, alle Plätze im Hörsaal waren bereits belegt. Meinen Vorstellungen von der ersten Woche entsprach dies gar nicht.
Das Studium in Hamburg begann ich nach der Wende. Zu dieser Zeit war ich im sechsten Semester meines Germanistik- und Slawistikstudiums, das ich 1986 an der Pädagogischen Hochschule Erich Weinert in Magdeburg begonnen hatte. Ich hatte also sozusagen zwei erste Tage an der Uni.
Dass ich mal Lehrerin werden wollte, war mir schon lange vor meinem Abitur klar. Ich weiß noch, wie müde ich an meinem ersten Tag in Hamburg war. Nachdem wir am Tag zuvor unser Studentenwohnheim bezogen hatten, verbrachten wir eine feierreiche Nacht. Diese Müdigkeit minderte meine Nervosität leider gar nicht. Ganz im Gegenteil. Vor lauter Aufregung bekam ich so gut wie nichts von dem obligatorischen Rundgang über das Gelände mit.
Erst als es an der Zeit war, die Dozierenden kennenzulernen, war ich wieder hellwach. Diese weisen und gebildeten Menschen würden für die nächsten Jahre meine Lehrkräfte sein. Ihre allwissende Aura schüchterte mich mehr ein, als mir lieb war. Als mein Professor dann auch noch anfing, auf Russisch zu sprechen, befürchtete ich endgültig, den Anforderungen nicht zu genügen. Im Rückblick kann ich sagen: Mein Lieblingsprofessor wurde er nicht, weitergebracht hat mich sein Seminar dennoch.
Bauchkribbeln und Freiheitsgefühl: So nahm Ines ihre ersten Uni-Tage wahr
Die ersten Uni-Tage waren eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Neben Bauchkribbeln und Vorfreude dominierte vor allem ein Freiheitsgefühl. Ich war froh, endlich von zu Hause ausgezogen zu sein. Gefeiert habe ich natürlich auch viel in meiner Studentenzeit. Eins meiner Highlights der ersten Woche war die Fete der Erstsemester im pädagogischen Institut und das anschließende Verrotten in der Kneipe mit meinen neuen Kommilitonen und Kommilitoninnen.
Müsste ich ein Wort wählen, um meine erste Woche in Hamburg zu beschreiben, dann wäre dieses wohl „chaotisch“. Aus Magdeburg kannte ich nur Organisation und Ordnung, während hier alles durcheinander lief. Bei der Größenordnung war dies allerdings auch kein Wunder. Die Vorlesungen waren mit bis zu 200 Studierenden in einem Hörsaal deutlich besuchter als die in Magdeburg. Da musste man schon mal von draußen zu hören.
Aufgezeichnet von Maja Walkowiak
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