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Die Referendarin: Schule der Referendare

Die Referendarin: Schule der Referendare
Foto: Unsplash.com/Amelie Rook

Helena (25) ist eine von rund 30.000 Lehramtsanwärtern in Deutschland. Was passiert eigentlich hinter der sagenumwobenen Lehrerzimmertür? Wie ist es, Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, die nur ein paar Jahre jünger sind als man selbst? Und wie kommt Helena mit dem Druck klar? Davon erzählt sie – unter Pseudonym – in ihrer MADS-Kolumne: die Referendarin.


Wir Referendarinnen und Referendare haben zwei Schulen: eine, in der wir vormittags unterrichten, und eine, in der wir nachmittags lernen, wie man unterrichtet. Alle zwei Wochen treffen wir uns in unseren Fächern und wöchentlich im Fach Pädagogik. Dort melden wir uns, wir machen Hausaufgaben, haben ein Lieblingsfach, lästern über unsere Lehrkräfte und bilden Cliquen. Es gibt die Strebsamen, die Panischen, die Abschreibenden und die zu Entspannten. Das Seminar ist wie eine Schule in Klein.

Helena (25) wird Lehrerin. Unter Pseudonym berichtet sie über ihr Referendariat. 
Bild: Amelie Rook

Unterschiedliche Schulwelten prallen aufeinander

Dort stoßen aber nicht nur verschiedene Typen von Menschen aufeinander, sondern auch verschiedene Schulformen. Manche Referendare beklagen sich über Eltern, denen es egal ist, ob ihre Tochter eine Vier oder Fünf in Mathe hat. Ich beklage mich über Eltern, die in seitenlangen Mails argumentieren, warum ihr Sohn eine Eins verdient hat. Ich höre Geschichten von Schülerinnen und Schülern, die einfach aufstehen und aus dem Klassenraum gehen, wenn sie keine Lust mehr haben. Mein Hauptproblem ist dagegen, wie ich minutenlange Monologe der Klassenbesten stoppe.

Doch nicht nur im Fach Pädagogik prallen unterschiedliche Schulwelten aufeinander. Als wir kurz vor den Sommerferien in Gruppenarbeit eine Stunde zum Wirtschaftskreislauf erstellen sollen, lege ich direkt los mit den Aspekten Corona-Krise und Staatsverschuldung. Mitreferendarin Kira unterbricht mich: „Wir müssen erst mal die Begriffe ,Haushalt‘ und ,Steuern‘ erklären.“ Ich blicke sie verdutzt an. „Aber das planen wir doch für eine zehnte Klasse?“, frage ich nach, doch sie antwortet nur: „Ja, eben.“ Kira unterrichtet an einer ländlichen IGS das Fach Gesellschaftskunde, ich Politik-Wirtschaft an einem städtischen Gymnasium. Abgesehen von den unterschiedlichen Fächern brauchen unsere Schülerinnen und Schüler auch unterschiedliche Herangehensweisen: Was Kiras Klasse interessiert, findet meine langweilig. Was ich im neunten Jahrgang unterrichtet habe, kam bei Kira nicht dran. Gruppenarbeit im Seminar ist oft eine Herausforderung, doch gleichzeitig vielleicht auch die beste Trockenübung für die Realität. Denn wenn Schule nicht gleich Schule ist, ist auch Klasse nicht gleich Klasse.

Von Helena Fischer


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Über den Autor/die Autorin:

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