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Die Referendarin: Der Druck der Notenvergabe

Die Referendarin: Der Druck der Notenvergabe
Foto: Unsplash.com/Amelie Rook

Helena (25) ist eine von rund 30.000 Lehramtsanwärtern in Deutschland. Was passiert eigentlich hinter der sagenumwobenen Lehrerzimmertür? Wie ist es, Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, die nur ein paar Jahre jünger sind als man selbst? Und wie kommt Helena mit dem Druck klar? Davon erzählt sie – unter Pseudonym – in ihrer MADS-Kolumne: die Referendarin.


Eines der vielen Dinge, auf die mich das Lehramtsstudium nicht vorbereitet hat, ist die Notenvergabe. Wie verhalte ich mich, wenn eine Schülerin in Tränen ausbricht, weil sie wegen der Fünf sitzenbleibt? Wie antworte ich auf wütende Mails von Eltern? Als mir dann noch ein Schüler schreibt, dass „die anderen auch sagen, dass Sie komische Noten geben“, bin ich es, die zu Hause in Tränen ausbricht.

Helena (25) wird Lehrerin. Unter Pseudonym berichtet sie über ihr Referendariat. 
Bild: Amelie Rook

Schülerinnen und Schüler vergleichen sich ständig miteinander – „Sina hat eine Zwei, meldet sich aber viel weniger“, lautet dann das Argument. Lehrkräften ist es verboten, zu vergleichen. Manchmal tun wir es trotzdem. Zwar erstelle ich keine Klassenrangliste. Aber wenn es um einen Punkt Unterschied geht, wandert mein Blick automatisch zu Schülerinnen und Schülern, die dieselbe Punktzahl haben – und wandert anschließend wieder ertappt zurück zu meinem Erwartungshorizont.

Der berühmte „pädagogische Spielraum“

Letztlich ist es meine Entscheidung. Ich notiere mir nach jeder Stunde, wer wie gut mitgearbeitet hat. Doch auch wenn Ron rechnerisch eine 2,7 hat, kann ich ihm auf dem Zeugnis eine Zwei geben. Der berühmte „pädagogische Spielraum“ ist Anlass für so manche Verhandlungsrunde – nicht nur mit mir selbst. Eltern kann ich noch ganz gut erklären, dass „stets bemüht“ nicht automatisch „gut“ bedeutet. Schwierig sind aber Jugendliche, die unter dem Dunning-Kruger-Effekt leiden: Schlechtere Schülerinnen und Schüler überschätzen manchmal ihr Wissen, weil sie durch ihren begrenzten Horizont den gesamten Leistungsbereich gar nicht erkennen können. Ihnen zu erklären, dass ihre Beiträge schlecht sind, ist nicht nur hart, sondern oft auch erfolglos.

Geholfen haben mir Kolleginnen und Kollegen, die mir vor Augen geführt haben, dass manchmal gar nicht ich das Problem bin („Ron? Der handelt um seine Noten wie auf dem Basar“, „Frau Müller? Ja, die steht sofort auf der Matte, wenn ihr Sohn eine Vier auf dem Zeugnis hat“). Hinzukommt die Erkenntnis, dass Unsicherheit auch ein Vorteil sein kann: Kaum jemand macht sich so intensive Gedanken über Noten wie Referendarinnen und Referendare – und kann deshalb auch Frau Müller die vergebenen Noten detailliert erklären.

Von Helena Fischer


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