Seite auswählen

Werbung

Briefe an unsere Lehrer: „Sie sagten, ich würde es niemals schaffen“

Briefe an unsere Lehrer: „Sie sagten, ich würde es niemals schaffen“
Foto: unsplash.com/ @taypaigey

Kaum jemand hat auf Teenager so viel Einfluss wie Lehrerinnen und Lehrer. Sie bringen den Jüngsten nicht nur Lesen bei, sondern können auch bei älteren Schülern lange Eindruck hinterlassen. MADS hat Briefe ehemaliger Schüler an Lehrer gesammelt – manche positiv, manche mit negativen Erinnerungen.


„Du kannst das nicht. Du packst das nicht“

Lieber Herr R., als ich nach Deutschland kam, landete ich in ihrer 8. Klasse auf dem Gymnasium. Natürlich war ich nicht so gut wie die anderen. Für mich war aber klar, dass ich Abi machen und studieren wollte. Wahrscheinlich wussten Sie das gar nicht. Sie sahen einfach nur ein Mädchen, dass nicht gut deutsch konnte und drohte, viele Fünfen zu bekommen. Nach einem halben Jahr sagten sie meiner Mutter, ich würde es nicht packen. Dass es mir zu schwierig werden würde und ich auf die Realschule gehen sollte. Meine Mutter bestand darauf, dass ich blieb – solange meine Noten das hergaben. Ich strengte mich so sehr an, dass ich einige Fünfen zu Dreien und Vieren machen konnte. Die Eins in meiner Muttersprache Spanisch glich dann eine Fünf auf dem Zeugnis aus. Das Gefühl, dass ich nicht dazugehöre und nicht richtig bin, hatte ich trotzdem immer. Das Gefühl haben Sie mir nämlich gegeben. In regelmäßigen Abständen sagten sie mir, dass ich nicht gut genug sei. „Du kannst das nicht. Du packst das nicht“. Ich habe mich bis zum Abitur durchgekämpft. Und als ich sie bei meiner Abientlassungsfeier gesehen habe, musste ich Ihnen einfach stolz mein Zeugnis unter die Nase halten. Ich weiß nicht mal mehr, was sie dazu gesagt haben. Das ist auch egal. Sie haben immer gesagt, ich würde es nicht schaffen – und Sie lagen falsch. Aufgezeichnet von top

Schlechte Benotung und hohe Erwartungen

Liebe Frau G., während der Schulzeit waren Sie nicht meine Lieblingslehrerin. Ganz im Gegenteil: Nach jeder Schulstunde regte ich mich über Sie auf – über Ihre schlechte Benotung, Ihre Strenge und die Art, wie Sie über Ihre eigenen Witze lachten. Wütend machte mich das vor allem, weil Sie mein Lieblingsfach unterrichteten: Deutsch, das einzige Fach, das mir Freude bereitete. Ihre hohen Erwartungen nervten mich – meine Leistungen schienen Ihnen nie zu genügen. Doch heute weiß ich: Durch Ihre Erwartungen habe ich gelernt, Kritik anzunehmen – und aus ihr zu lernen. Als Sie mir meine Abiturklausur in Deutsch auf den Tisch gelegt haben, sagten Sie mir „Ich glaube an Sie.“ Nur selten hat mich ein Spruch so überrascht und mir nachhaltig so viel Selbstvertrauen geschenkt. Auch, wenn Sie wohl nicht die einfühlsamste Pädagogin sind, haben Sie mich doch am stärksten von meinen Lehrern beeinflusst – und mich der Liebe zum Journalismus näher gebracht. Dafür bin ich Ihnen bis heute dankbar. nh

„Ohne Sie hätte ich niemals Abitur gemacht“

Foto: Nicolas Thomas

Lieber Herr W., bis ich verstanden habe, dass ich ohne Sie niemals mein Abitur gemacht hätte, hat es einige Jahre gedauert. Ich war mies in Mathe bei Ihnen – Schulnote fünf. Dann kam die Fünf in Physik dazu – und eigentlich wäre das der Grund gewesen, dass ich mindestens eine Klassenstufe hätte wiederholen müssen. Meine Rettung waren Sie. Sie haben immer an mich geglaubt. Und Sie wussten auch, dass es überhaupt nichts bringen würde, sollte ich sitzenbleiben. Ich kann die Referate, die Sie mich in Physik zum Ende der 9. und 10. Klasse halten ließen, noch auswendig. Treibhauseffekt und Wellenbewegung. Auf dem Zeugnis reichte es dann in Physik für eine Vier und ich konnte versetzt werden und Physik abwählen. Ich werde nie vergessen, wie stolz Sie auf mich waren, als ich in meiner allerletzten Matheklausur im Abitur eine Drei geschrieben habe. Sie waren da schon längst nicht mehr mein Lehrer, und trotzdem war dieser Moment noch schöner als das ganze bestandene Abitur. top

„Sie haben nie aufgegeben“

Lieber Herr W., vorbildlich sind Sie jeden Tag mit dem Rad zur Schule gefahren – weder Regen noch Schnee konnte sie aufhalten. Und auch sonst konnte Sie nichts davon abhalten, uns Woche für Woche etwas bei-zubringen. Selbst dann nicht, wenn wir es Ihnen schwer gemacht haben. Ob es die deutsche Grammatik oder die keynesianische Konjunkturpolitik war, all das haben Sie uns erklärt. Und egal, in welchem Fach Sie uns ertragen mussten: Sie waren immer mit Feuer und Flamme dabei. Stets haben Sie uns mehr vermittelt, als Sie eigentlich gemusst hätten, und uns so nicht nur etwas über die Russische Revolution beigebracht, sondern letztlich auch dafür gesorgt, dass ich heute Geschichte studiere. Ich weiß, wir waren manchmal harte Arbeit, aber Sie haben nie aufgegeben. Und auch wenn Sie vielleicht einmal zu oft über Marx gesprochen haben, sind diese Stunden doch positiv hängen geblieben. Und na ja, was soll ich sagen – seine Zitate zu Produktionsverhältnissen schwirren mir immer noch im Kopf rum… flo

„Sie gaben mir das Gefühl, ich sei nicht gut genug“

Liebe Frau K., ich kann mich noch gut an meine Schulzeit mit Ihnen erinnern. Sobald ich daran denke, habe ich ein schlechtes Gefühl. Es fühlt sich an, als sei ich damals ein anderer Mensch gewesen. Ein Mensch, der nicht an seine eigenen Fähigkeiten glaubte, sich schlechtredete und jegliches Selbstvertrauen verloren hatte. Welche Worte einer Lehrerin hätten mich damals aufgebaut? „Lass dich nicht verunsichern. Jeder hat sein eigenes Tempo. Du packst das!“ Stattdessen gaben Sie mir das Gefühl, ich sei nicht gut genug. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als Sie meinen Eltern kühl und abgeklärt sagten, dass ich mein Abitur niemals schaffen würde. „Über einen Unterkurs kommt sie nicht hinaus.“ Diese Worte brannten sich in meinen Kopf ein und ließen mich nicht mehr los. Ich wechselte die Schule. Frau K., Sie hatten Unrecht: Ich habe mein Abitur mit der Note 1,6 bestanden und schließe nun mein Masterstudium in Psychologie ab. Und: Ich habe mein Selbstvertrauen wieder. aro

„Ich danke Ihnen für Ihre Ehrlichkeit mir gegenüber“

Lieber Herr M., danke, dass Sie sich immer für Ihre Schüler eingesetzt haben. Sie waren einer der wenigen Lehrer, der seinen Job aus purer Leidenschaft gemacht hat. Niemand konnte Mathe besser erklären als Sie. Nicht nur die leistungsstarken Schüler, sondern wirklich alle waren vom Unterricht begeistert. Noch heute erinnern wir uns an Sie. Sie haben uns mit Ihrer strengen, aber freundlichen Art immer ermutigt, das Beste zu geben. Sie haben in allen Schülern das Potenzial erkannt – und haben uns unterstützt, wie kein anderer. Ich danke Ihnen für die Projekte und Workshops, die Sie für uns organisiert haben, obwohl Sie selbst dafür Ihre Freizeit opferten. Und vor allem danke ich Ihnen für Ihre Ehrlichkeit mir gegenüber. rs

„Sie hätten es besser wissen müssen“

Foto: Annie Spratt

Liebe Frau Z., in der Schulzeit fand ich sie immer ganz sympathisch. Der Matheunterricht hat Spaß gemacht – es waren liebevoll vorbereitete Stunden. Leider kamen Sie selten umhin, meiner besten Freundin zu attestieren, sie hätte kein mathematisches Talent. Damals nahm ich das nur als leichtes Piesacken wahr. Heute denke ich: Was zur Hölle? Wie kann eine Pädagogin ein Kind so sehr entmutigen? Hätten nicht Sie am besten wissen müssen, dass fehlender Glaube an sich selbst schlimmer sein kann als ein Talent, das einen kleinen Schubser braucht? Letzteres ist nämlich der wahrscheinlich wichtigste Teil Ihres Jobs: Kindern den Mut und die Zuversicht zu geben, sich selbst zu bilden – egal, ob es das Lieblingsfach oder Angstthemen betrifft. Zum Glück hat meine beste Freundin das trotzdem ohne Sie geschafft. Sie ist jetzt Projektmanagerin. Und zwar eine verdammt gute. jh

​„Ich bin wirklich dankbar, Ihnen begegnet zu sein“

Liebe Frau P., ich weiß noch genau wie stolz ich war, als Sie meiner Mutter sagten, dass Sie mich später gerne in Ihrem Politik-Leistungskurs hätten. Und genau so ist es auch gekommen. Ich habe Sie als meine Tutorin gewählt und wirklich jede Stunde mit Ihnen, trotz des teilweise anstrengenden Stoffs, genossen. Es war Ihre Begeisterung, mit der Sie uns von politischen Themen erzählten – und wie Sie auf uns eingegangen sind. Sie haben mit uns über das Studieren und das Ausziehen gesprochen und mir so wichtige Erkenntnisse für meinen Lebensweg mitgegeben. Danke, für die vielen Gespräche und die wertvollen Unterrichtsstunden. Sie sind eine der besten Lehrerinnen, die ich je hatte. Leider können Sie uns nicht mehr bis zum Abitur begleiten. Auf diesem Weg verabschiede ich mich von Ihnen und wünsche Ihnen viel Glück für die Zukunft. Ich bin wirklich dankbar, Ihnen begegnet zu sein. ihl


Auch spannend:


Über den Autor/die Autorin:

Poste einen Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert