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Weder männlich noch weiblich: Robin (28) ist nicht binär

Weder männlich noch weiblich: Robin (28) ist nicht binär
Foto: Unsplash.com/Sharon McCutcheon

Weder männlich noch weiblich: Robin (28) ist nicht binär. Wie es es ist, wenn sich jedes Pronomen falsch anfühlt, hat Robin MADS erzählt.


Lange Zeit machte es einfach nicht Klick. Mit dem Wort Klick be-schreibt Robin das Gefühl, wenn sich ein Begriff zur Beschreibung der eigenen Person richtig anfühlt. „Wenn beim Schulsport aufgefordert wird, dass alle Jungs nach links und alle Mädchen nach rechts gehen sollen, dann gibt es bei den meisten diesen Moment im Kopf“, erzählt Robin. „Es macht entweder bei ‚alle Jungs‘ oder bei ‚alle Mädchen‘ Klick – und sie fühlen sich angesprochen.“ Doch bei Robin blieb dieses Empfinden aus. Erst bei der Bezeichnung „nicht binär“ setzte das lang ersehnte Gefühl ein – und es machte endlich Klick.

Seit Robin einen neutralen Namen benutzt und keine Pronomen mehr verwendet, hat Robin viel Selbstsicherheit gewonnen.
Foto: Privat

„Nichts von beidem“

Die Haare trägt Robin kurz, die freundlichen Augen schauen durch eine schmale Brille und die Kleidung bedient weder männliche noch weibliche Stereotype oder Klischees. „Bist du ein Mädchen oder ein Junge“, fragte ein Kind letztens im Supermarkt. „Ich habe geantwortet: ,nichts von beidem‘“, erzählt Robin. Das ist die abgespeckte Bedeutung von „nicht binär“, – denn die Bezeichnung löst sich von der zweiteiligen Untergliederung in männlich und weiblich.

Nicht binäre Personen können sich also weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht oder auch beiden Kategorien zugehörig fühlen. Statt Pronomen (Fürwörter) wie er oder sie zu verwenden, verzichten nicht binäre Menschen häufig ganz auf die Pronomen und benutzen einen geschlechtsneutralen Namen – wie Robin. In der deutschen Sprache ist das aber gar nicht so einfach. Im Englischen nutzen nicht binäre Menschen wie zum Beispiel Promis wie Demi Lovato, Elliot Page oder Sam Smith auch die Pronomen they und them. Solche Alternativen entwickeln sich aktuell zwar auch in Deutschland – wirklich gebräuchlich sind ausgedachte Pronomen wie dey aber noch nicht.

Ein langer Weg

„Hi, ich bin Robin, und ich verzichte auf Pronomen“ – mit Worten wie diesen stellt Robin sich deshalb heute in Vorstellungsrunden der Uni vor. Doch bis Robin diesen Satz selbstbewusst aussprechen konnte, war es ein langer Weg.

Vor rund sieben Jahren probierte Robin erstmals neue Labels, also Worte zur Beschreibung des Ge- schlechts, aus. „Das war ein Prozess, bei dem ich gespürt habe, welche Begriffe sich besser und welche sich schlechter anfühlen“, erklärt Robin. Gewonnen hat Robin auf diesem Weg Selbstsicherheit und Zuschreibungen, die sich gut anfühlen. Verloren gingen einige Freundschaften.

Ablehnung im Freundeskreis

„Am Anfang war ich noch gar nicht fähig, mich rechtfertigen zu können, wenn jemand mein Coming-out nicht respektierte, weil ich ja selbst auch überfordert war“, erzählt Robin. Denn die Bitte, Robins neuen, geschlechtsneutralen Namen zu verwenden, stieß im Freundeskreis auch auf Ablehnung. „Eine Personhat sich komplett dagegen ausgesprochen, und das führte dann letztlich auch zum Bruch mit meiner alten Clique“, sagt Robin, klingt dabei jedoch weder traurig noch bedauernd. Ausschließlich negative Reaktionen gab es allerdings nicht – Robins langjährige Freundin reagierte unterstützend. „Eine ihrer ersten Fragen lautete ,Was kann ich für dich tun?‘ statt ,Bist du dir damit wirklich sicher?‘“, erzählt Robin. „Für mich hat das gezeigt, dass sie darauf vertraut, dass ich selbst am besten weiß, wie ich mich fühle.“

Wissenschaftliches Know-how

Robin verzichtet auf Pronomen.
Foto: Unsplash.com

In den vergangenen Jahren hat Robin nicht nur viel über sich selbst gelernt, sondern auch über Geschlechterforschung. So lautet nämlich der Titel des Masterstudiengangs, den Robin in Göttingen besucht. Eigene Erfahrungen und das wissenschaftliche Know-how aus dem Studium bringt Robin auch bei der Arbeit für den Verein Queeres Netzwerk Niedersachsen ein – hier arbeitet Robin als Landeskoordination für das Netzwerk Trans* in Niedersachsen (TiN). TiN setzt sich für die Interessen von Personen ein, die sich nicht mit ihrem zugewiesenen Geschlecht identifizieren – oder es zumindest hinterfragen.

„Durch meine Arbeit und mein Studium konnte ich mir ein sehr sicheres Umfeld aufbauen“, erklärt Robin. Erlebnisse mit Transfeindlichkeit oder andere Formen von Diskriminierung seien deshalb verhältnismäßig selten. Dennoch gebe es immer mal wieder verletzende Situationen. Als das Kind neulich im Supermarkt nach Robins Geschlecht fragte, korrigierte etwa das Elternteil Robins Antwort mit den Worten „Nein, das ist eine Frau“.

Mit solchen Situationen kann Robin heute meistens souverän umgehen oder sogar darüber lachen. Das liegt auch an dem Klickmoment, – denn Label wie nicht binär könnten Menschen helfen, sich selbst besser zu verstehen und zu akzeptieren. Auch wenn Robin heute nicht mehr gänzlich von dem Begriff überzeugt ist.

Androgyn statt nicht binär

„Nicht binär ist ja immer noch an das binäre – also zweiteilige – Konzept geknüpft, davon möchte ich mich gerne lösen“, erklärt Robin und bezeichnet sich selbst daher am liebsten als androgyn. „Bei dem Wort denken viele zwar auch wieder an eine Mischung aus maskulin und feminin, die ebenfalls an das binäre Konzept anknüpft.“ In Robins Verständnis steckt hinter dem Begriff trotz dieser Vermischung eine besondere Eigendynamik. „Lila ist ja auch eine eigene Farbe, obwohl sie aus rot und blau gemischt wird.“


Nicht nach biologischem Geschlecht fragen

Immer wieder werden nicht binäre Menschen nach ihrem biologischen Geschlecht gefragt. Die Bezeichnung gilt mittlerweile als überholt. Denn das biologische Geschlecht wird nur von den äußeren Geschlechtsorganen abgeleitet und ignoriert etwa Chromosomen, Genetik und Hormone. Der Begriff weist also auf eine wissenschaftliche Betrachtung des Geschlechts hin, obwohl zahlreiche Daten dabei ignoriert werden.

Mittlerweile spricht man eher vom zugewiesenen Geschlecht – dem Geschlechtseintrag bei der Geburt, der auf Basis der Genitalien erfasst wird. Doch auch danach solltest du nicht binäre Personen nicht fragen. Die Begründung: In der Vergangenheit von betroffenen Personen können Traumata oder negative Empfindungen mit dem zugewiesenen Geschlecht verankert sein. Nach dem zugewiesenen Geschlecht oder dem früheren Namen (auch oft Deadname genannt) zu fragen, kann also schmerzhafte Erinnerungen hervorrufen.

Außerdem wollen sich nicht binäre Menschen von der Binarität des Geschlechts lösen. Verraten sie anderen ihr zugewiesenes Geschlecht, könnte ihr Umfeld sie unbewusst als männlich oder weiblich einordnen. Das fördert auch das Misgendern, also das Benutzen falscher Pronomen.


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Über den Autor/die Autorin:

Nina Hoffmann

Nina (24) studiert Soziologie und kennt somit alle Sprüche über eine Karriere als Taxifahrerin. Statt an ihren Fahrkünsten zu feilen, liest sie lieber Texte über Gender-Fragen und Emanzipation - oder noch besser: Die dazugehörigen Kommentare der Facebook-Nutzer/innen.

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