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„that girl“-Trend: Toxischer Zwang oder motivierender Lebensstil?

„that girl“-Trend: Toxischer Zwang oder motivierender Lebensstil?
Foto: Unsplash/Christopher Campbell

Frühes Aufstehen, Yoga und gesunde Ernährung: Gerade zu Beginn eines neuen Jahres streben viele Menschen nach einem optimierten Selbst. Das verspricht derzeit auch der „that girl“-Trend auf Tiktok. MADS-Autorin Alina hat sich das Phänomen genauer angesehen.


Der Wecker klingelt. Möglichst früh, am besten um sieben oder noch früher. Start in den Tag. Das Bett wird gemacht. Als nächstes geht es ins Bad. Zeit für eine ausgiebige Skincare-Routine, bestehend aus mehreren Schritten. Nun ist es Zeit für eine Yoga-Session, anschließend wird meditiert. Das Frühstück ist selbstverständlich gesund, besteht beispielsweise aus einer Smoothie Bowl und, ganz klassisch, einem Matcha Latte. Nebenbei wird eine schön gestaltete To-Do-Liste für den anstehenden Tag geschrieben, bevor es dann darum geht, diese abzuarbeiten. Ein Besuch des Gyms oder ein „Hot Girl Walk“, ein Spaziergang, meistens in Sportklamotten, darf an einem solchen produktiven Tag nicht fehlen.

So sieht ein typischer Tag aus, wenn man nach dem „that girl“-Lifestyle lebt. Der Trend eroberte in kürzester Zeit vor allem Tiktok, wo viele vorrangig weiblichen Userinnen ihren produktiven Tag zeigen, um damit ihre Fans zu inspirieren und motivieren. Auch die streben meist nach ebendiesem Lifestyle, wollen „dieses eine Mädchen“ sein.

Trend als Inspiration zur Selbstverwirklichung

Auf dem ersten Blick scheint der „that girl“-Trend also ein Lifestyle zu sein, nach dem man sich richten kann, um die beste Version seiner selbst zu werden, Disziplin zu lernen und sich auf sich selbst zu fokussieren. Das Konzept soll dazu motivieren, für die eigenen Ziele zu arbeiten und sich gleichzeitig wohl im eigenen Körper zu fühlen. Das ist per se nichts Negatives, ganz im Gegenteil.

Hat der Lifestyle auch Nachteile?

Was ist jedoch, wenn man einmal morgens im Bett den Snooze-Modus aktiviert und länger schläft, das Bett ungemacht bleibt, und man zu faul ist für die komplette Skincare-Routine? Wenn morgens das Nutella-Toast doch appetitlicher aussieht als gesunde Alternativen? Hier kann sich schnell ein schlechtes Gewissen einschleichen, das durch den Leistungsdruck entsteht, den dieser Lifestyle mitsichbringt. Will man sich schließlich immer nur verbessern und optimieren, bleibt wenig Platz für Fehler und Missgeschicke, die aber im Alltag schnell passieren.

Damit passt der Trend ganz wunderbar in die heutige Leistungsgesellschaft, in der viele Menschen ihren Wert danach messen, wie produktiv sie sind und was sie leisten. Dass dieser Standard schnell fatale Folgen wie das Burnout-Syndrom oder depressive Episoden haben kann, ist längst bekannt. Die Videos in den sozialen Medien können schnell den Eindruck vermitteln, man lebe nur mit genau diesem Lifestyle gesund und Pausen seien ein Zeichen von Schwäche und mangelnder Disziplin. Dabei ist es im Gegenteil ja wichtig, sich auch mal bewusst zurückzulehnen, sich auszuruhen und sich dabei nicht schlecht oder unzufrieden zu fühlen.

Kritik am „that girl“-Trend

Auf Youtube und sämtlichen anderen Plattformen wird der Trend bereits heiß diskutiert. Vielen Leuten ist bewusst, dass die „that girl“-Videos kein realistisches Leben, sondern lediglich eine perfekte Vorstellung davon darstellen. Die Youtuberin @basicallyreese äußerte sich in einem Video zu dieser Problematik:

„Ja. Ich mache Yoga und meditiere jeden Tag, aber weil es sich für mich gut anfühlt. Ich mache das nicht, um „that girl“ zu werden, denn wenn du diese Dinge tust, nur um jemand anderes zu werden, wird es sich wie eine lästige Pflichtaufgabe anfühlen. Und es wird sich nie gut oder befriedigend anfühlen, wodurch du es nicht lange durchhalten wirst.“

Aktivitäten wie frühes Aufstehen und eine Morgenroutine, an der man sich täglich orientiert, können dabei helfen, sich gut zu fühlen und Aufgaben zu erledigen. Morgendliches Yoga haben Menschen aber auch schon lange vor Aufkommen des „that girl“-Trends gemacht, einfach weil es ihnen Spaß macht und sie motiviert.

Nicht für jeden umsetzbar

Das heißt: Nur weil der „that girl“-Lifestyle gut in das Leben mancher Menschen (im Übrigen ja nicht nur Frauen) passt, muss sich nicht jeder und jede durch ein frühes Workout quälen, um einen guten Tag zu haben. Besonders dann nicht, wenn es keine Freude bereitet. Der Trend setzt nämlich voraus, dass jeder Mensch die gleichen Interessen besitzt, ebenjene, die den Trend ausmachen. Das ist in der Realität natürlich nicht so. Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse, und nicht jedem liegt beispielsweise das frühe Aufstehen (Stichwort: Biologische Uhr).

Auch geht nicht jeder den gleichen Aktivitäten nach. Das ist völlig normal, denn würde jeder nach dem „that girl“-Lifestyle leben, wäre das auf Dauer wohl ziemlich langweilig. Demnach ist es also unlogisch zu denken, dass nur ein Leben im Sinne von „that girl“ erfolgreich und produktiv ist. Auch die Creator hinter den Kameras sind nur Menschen, und auch sie haben Tage, die nicht so aussehen, wie sie es in ihren Videos darstellen. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Da man auf den Plattformen allerdings nur die besten Ausschnitte aus dem Tag der jeweiligen Menschen sieht, mag man schnell glauben, dass das Leben der Menschen hinter der Kamera jeden Tag so perfekt ist. Man sollte das eigene Leben also nicht zu sehr mit dem vergleichen, was man online in den Feed gespült bekommt.

Positiver Grundgedanke

Trotzdem hat der „that girl“-Trend eine gute Grundlage: Ein (möglichst) gesunder Lebensstil, an dem man sich orientieren kann. Man muss aber nicht sein ganzes Leben dem Trend opfern, nur um in ein bestimmtes Bild zu passen. Vielmehr sollte man diesen Lifestyle als Inspiration und Möglichkeit betrachten, seine eigene Zeit sinnvoll zu nutzen, sich Ziele zu setzen und diese zu erreichen. Dazu gehört bereits, mehr Wasser zu trinken oder sich mehr zu bewegen. Dabei sollte man aber im Hinterkopf behalten, dass ein guter Tag nicht von Morgenroutine, Yoga oder Matcha Latte abhängen muss.

Von Alina Reschke


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

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