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Nachhaltig und entschleunigt: Ole (18) trägt historische Kleidung und baut Modellschiffe

Nachhaltig und entschleunigt: Ole (18) trägt historische Kleidung und baut Modellschiffe
Foto: Rainer Dröse

Der 18-jährige Ole Kuhtz aus Celle interessiert sich für längst vergangene Zeiten: Privat trägt er Kleidung aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Daneben baut und malt er Schiffe nach Vorbild der 1800er. Seine Bilder sind aktuell in einer Ausstellung in Celle zu sehen.


Wenn Ole durch die Celler Innenstadt läuft, erntet er Blicke – teils irritierte, teils neugierige. Denn der 18-Jährige kleidet sich anders als Gleichaltrige, er trägt weder Sneaker noch Hoodie, sondern Spitzbundhose und Hut. Ole kleidet sich nämlich im Stil des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Dank seiner mittelgroßen, schlanken Statur passen ihm die Kleidungsstücke und Anzüge von damals – die Menschen waren im Durchschnitt kleiner als heute.

Nachhaltigkeit und Vergangenheit gehen Hand in Hand

„Ich habe nach wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltiger Kleidung gesucht“, begründet der Jugendliche seinen Kleidungsstil. Dazu sieht er seine Kleidungsstücke als Investition und möchte diese möglichst lange tragen – für diese Qualität gibt der 18-Jährige dann auch mehr Geld aus, pro Hose meist zwischen 100 und 200 Euro.

Ole mit Hemd, Schleife, Spitzbundhose, Hosenträgern zum Knöpfen, Sommerhut und Flanierstock ausgestattet in der Celler Altstadt. Foto: Rainer Dröse

Seine Auswahl trifft Ole nach gründlicher Begutachtung der Stücke. Er trägt sowohl echte als auch nachgemachte Kleidung, die den Originalen nahekommt und sogar aus echten Stoffen der damaligen Zeit produziert wird. Dabei achtet er zwar auf die Authentizität. „Ich würde aber keinen Anspruch darauf erheben, mich wirklich historisch korrekt zu kleiden“, sagt der Celler, Original-Kleidung aus der jeweiligen Zeit sei selten. Neben dem Nachhaltigkeitsaspekt ist auch sein geschichtliches Interesse ausschlaggebend für seine Kleiderwahl. „Mich begeistert an Geschichte das, was im Verborgenen liegt. Das Interessante ist, das Mystische zu erforschen.“

Von Mode bis Ölgemälde

Sein Geschichtsinteresse geht über die Mode hinaus: Seine womöglich größte Leidenschaft bringt Ole beim Malen zum Ausdruck. Häufigstes Motiv: Schiffe um 1800. Ganz wichtig ist ihm hierbei – wie bei der Kleidung – die Authentizität und Detailtreue. „Als Künstler lernt man in erster Linie nicht zu zeichnen, sondern zu gucken, man muss den Blick finden“, sagt Ole. Der Jugendliche hat sich das Malen selbst beigebracht und recherchiert darüber hinaus viel dazu, wie Gegenstände der jeweiligen Epoche aussahen. Mittlerweile kennt er sich gut aus, trotzdem braucht er für ein Ölgemälde oft Wochen bis Monate. „Mein Stil ist detailreich. Das ist für mich wichtig“, sagt der Schüler. Er bewundert zwar die Kunstwerke von Dalí, Da Vinci und Derek Gardner, möchte aber nichts kopieren. Aktuell stellt er zehn seiner Bilder im Celler Coffee Shop aus. Der Verkauf seiner Bilder laufe gut, berichtet Ole.

Die Reaktionen aus seinem Umfeld zu seinem außergewöhnlichen Hobby und dem speziellen Kleidungsstil seien durchweg positiv gewesen. In Celle ist er zudem etwas bekannter und wird auch mal auf der Straße angesprochen, was den Schüler freut. Über seinen Instagram-Account möchte er seine Kunst vermarkten, sich mit anderen vernetzen und auch mit seiner Kleidung inspirieren. Leidenschaft für die Vergangenheit und Instagram? Für Ole kein Widerspruch. „Ich picke mir das raus, was ich gut finde. Social Media ist nicht nur gut und nicht nur schlecht. Man muss das differenziert betrachten.“

Ole vor einem seiner Bilder im Celler Coffee Shop. Foto: Rainer Dröse

Berufsziel: Bootsbauer

Die Faszination für Schiffe geht sogar in die Praxis über: Ole baut und bastelt kleine Modellschiffe. Dies dauere oft Jahre, berichtet er, der Prozess sei ihm aber wichtig. „Ich schaffe es mittlerweile, die Geduld mitzubringen, an solch langen Projekten zu arbeiten. Die Ergebnisse kommen nicht, wenn man nach ein paar Tagen aufgibt.“ Was er jetzt bereits im Kleinen macht, möchte Ole später im Großen weiterführen: Nach seinem Abitur strebt er eine Ausbildung zum Bootsbauer an. Die Freude an handwerklicher Arbeit mit wertigen Materialien kann er hier mit seiner Liebe zu Schiffen verbinden. Er hat Lust darauf, „richtig anzupacken“. Um Schiffe soll es auch in seinem Roman gehen, den er schreiben möchte. Die Handlung soll – wenig überraschend – im Jahr 1800 spielen. 

Selbst produzieren, statt konsumieren

Ole würde zwar mit Vergnügen mal eine Zeitreise machen, lebt aber gerne im Hier und Jetzt – obwohl er nicht unbedingt die gleichen Interessen wie andere in seinem Alter hat. Er geht nicht gern feiern, und auch Alkohol reizt ihn eher weniger. „Immer so ein Mittelmaß finden, das ist mir wichtig.“ Überhaupt steht bei Ole die eigene Produktion, das eigene Schaffen und nicht der Konsum von Dingen im Vordergrund.

Der Celler macht insgesamt einen ruhigen Eindruck. Was er tut, tut er mit Bedacht und nimmt sich Zeit dafür: „Ich gehe lieber fünf Minuten länger und dafür entspannt und achte bewusst darauf, keinen Stress zu haben.“ Auch sein Glaube ist dem Christen ein wichtiger Anker. „Wer sät, erntet auch irgendwann“, paraphrasiert er einen Bibel-Vers. „Aber es gibt auch eine Zeit, da muss das wachsen – so ist es auch in der Kunst.“

Von Sonja Scheller


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

2 Bemerkungen

  1. Peter Simon

    Ich hätte sehr gern die Adresse dieses trefflichen jungen Mannes, um ihm ein Buch mit dem Titel: Kapitänsbilder“ zu schenken
    Peter Simon aus Leipzig

    Antworten
    • Johanna Stein

      Vielen Dank für Ihre Nachricht! Wir haben sie an Ole weitergeleitet. Viele Grüße aus der MADS-Redaktion

      Antworten

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