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Neues (altes) Schönheitsideal: Was ist „Heroin Chic”?

Neues (altes) Schönheitsideal: Was ist „Heroin Chic”?
Foto: Unsplash/Huha Inc

Kim Kardashian ist plötzlich gar nicht mehr so kurvig, und die Mode der 2000er ist schon seit einer Weile wieder im Trend. Damit kommen auch veraltete Körperbilder zurück. MADS-Autorin Marie erklärt, was hinter dem Begriff „Heroin Chic“ steckt.


Kim Kardashian schafft es mal wieder, mit ihrem Körper für Aufmerksamkeit zu sorgen. Der Reality-TV-Star wirkt deutlich dünner als zuvor. Die Vermutung: Hat sie sich ihre Implantate entfernen lassen? Über die Relevanz dieser Frage ließe sich trefflich streiten, doch der Diskurs rund um die US-Amerikanerin hat noch eine weitere Debatte gestartet: eine rund um Schönheitsideale. Denn in den sozialen Medien befürchten viele, dass der „Heroin Chic”-Trend zurückkommt.

Kate Moss an der Spitze

Im Wesentlichen ist „Heroin Chic” nur eine Zusammenfassung für die Schönheitsideale der 90er und frühen 2000er. Model Kate Moss, die durch ihre Drogenabhängigkeit und schlanke Figur bekannt geworden ist, ist die Gallionsfigur des Trends. Das Ideal sieht so aus: extrem dünne Figur, tiefe Augenringe, hervorstehende Beckenknochen und Schlüsselbeine sowie konkave Bäuche. Allein das Comeback der sogenannten Y2K-Trends (Mode der 2000er) und 90-Jahre-Stile wie low-waisted Jeans, Miniröcke und Babydoll-Tops, die damals wie heute vorsätzlich an dünnen Körpern zelebriert werden, lässt dies anklingen. Eine Grundregel der Modeindustrie ist schließlich: Nach 20 Jahren kommt alles wieder. Das trifft eben nicht nur auf Kleidung, sondern offensichtlich auch auf Körper zu.

Dazu werden verstaubte Relikte dieses Ideals im Internet ausgegraben wie die Fashion Shows der Unterwäschemarke Victoria’s Secret. Sie werden von Usern über alle sozialen Medien zurückgefordert: Dabei waren die extrem dünnen Models und die Beschwerden über mangelnde Diversität Gründe für den Stopp der Show.

Neben Kim Kardashians veränderter Figur befeuerte auch Bella Hadid die Debatte. Vergangenes Jahr lief sie für Coperni über den Laufsteg: Sie betrat ihn so gut wie nackt, als Manel Torres – der Erfinder einer patentierten Aufsprühtechnologie – und zwei Wissenschaftler eine neblige Flüssigkeit auftrugen, die sich fast augenblicklich in ein tragbares Material verwandelte. Dieses Spray-on-Kleid wurde einerseits als der Moment gefeiert, der Hadid zum neuen Supermodel in Tradition von Ikonen eben wie Kate Moss oder Naomi Campbell befördert haben soll. Er hat im selben Zug auch mehrere Medien zu plakativen Schlagzeilen wie „Bye-bye booty: Heroin chic is back” veranlasst, da sie genau dem oben beschriebenen Ideal entspricht.

@saintpaulw

I’M OBSESSED, another moment in fashion history #BellaHadid #Coperni

♬ west coast – favsoundds

Von Plus-Size zu „Heroin Chic”

Die Entwicklung zurück zu extremer Schlankheit mag auf den ersten Blick im krassen Gegensatz zur Body-Positivity-Bewegung stehen. Models wie Ashley Graham und Iskra Lawrence wurden in den vergangenen Jahren extrem gefeiert, viele Labels brachten inklusivere Größen raus, und die Beziehung zum eigenen Körper wurde gesellschaftlich breit thematisiert. Das war ein starker Gegensatz zu zuvor beliebten Sätzen wie „Nothing tastes as good as skinny feels” – ein Mantra aus dem Mund von Moss.

Die Krux an der Sache: Zwar wurden in jüngerer Zeit erstmalig auch Models gefeiert, die nicht extrem dünn und groß sind, aber eben genau diese Körper sind nie von der Bildfläche verschwunden. Für kurze Zeit war es akzeptabel, vom Ideal abzuweichen, das Ideal selbst hat sich jedoch nicht verändert. Eine Kompromisslösung war noch das als „slim thick” vermarktete, bereits kaum erreichbare Ideal à la Kim Kardashian. Mehr noch, die wenigen Plus-Size-Models waren und sind nicht mehr als Tokens in einer Industrie, die weiterhin großteilig auf das traditionelle Model setzt. Von einem Comeback des „Heroin Chic” zu sprechen ist daher eigentlich übertrieben. Der Trend war nie wirklich weg.

Körper als Accessoires

Natürlich kann man Tiktok-Hypes wie den „that girl”-Trend, Ballett(-core) (eine Sportart, die für ihre strenge Körperpolitik berüchtigt ist) oder die Renaissance der von Tumblr geprägten Ästhetik als weitere Faktoren für dieses Phänomen hinzuziehen. Sie alle spiegeln lediglich das vermeintliche „Comeback“ wieder. Viel problematischer noch als dieses ist jedoch, was es beweist: Unsere Körper sind und bleiben – zumindest aus Perspektive der Modeindustrie – Accessoires, deren Idealmaße mit Modetrends kommen und gehen. Dass man seinen Körper aber nicht wie Kleidung und Stile beliebig verändern kann, fällt dabei hinten runter. Stattdessen wird weiterhin die Objektifizierung des in erster Linie weiblichen Körpers propagiert. Das endet für die Einzelne im schlimmsten Fall in psychischen Erkrankungen wie einer Essstörung.

All das wird sich auch so schnell nicht ändern. Schließlich profitieren Unternehmen, die im Bereich Wellness, Schönheit und Mode agieren, von den Unsicherheiten ihrer Kundinnen: Indem sie ihnen nämlich Produkte verkaufen, die sie scheinbar näher an das aktuelle Schönheitsbild holen. Egal, ob das nun Kate Moss oder Bella Hadid ist.


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Über den Autor/die Autorin:

Marie Bruschek

Marie (20) studiert Weltliteratur. Wenn sie nicht gerade schlechte Wortwitze macht oder sich zum zehnten Mal Mamma Mia anguckt, schreibt sie für MADS über alles, was sie gerade interessiert.

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