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„Man setzt sich viel mehr mit dem Song auseinander“: Siga und Vanessa machen Musik für Gehörlose

„Man setzt sich viel mehr mit dem Song auseinander“: Siga und Vanessa machen Musik für Gehörlose
Foto: Unsplash/Anthony Delanoix

Auf der Bühne und in Musikvideos setzt Rapper Siga auf Inklusion. Dabei unterstützt ihn Gebärdendolmetscherin Vanessa. Doch dass der Schweizer überhaupt den Weg zur Musik gefunden hat, verdankt er auch Schauspieler Denzel Washington.


In Deutschland leben nach Schätzungen des Deutschen Schwerhörigenbundes etwa 13,3 Millionen Menschen, die hörgeschädigt sind. 80.000 von ihnen sind vollkommen gehörlos. Für diese Menschen ist es häufig kaum oder sehr schwer möglich, Musik zu hören und zu erleben. Siga will das ändern. Daher hat der Schweizer Rapper das Projekt „Du“ gestartet.

„Es gibt wenige, die so gut harmonieren“: Rapper Siga und Dolmetscherin Vanessa. Foto: privat

Die Idee, seine Songs von einem Gebärdendolmetscher übersetzen zu lassen, kam dem heute 34-Jährigen schon vor einigen Jahren. Ein Fan hatte ihm geschrieben und nach einem Musikvideo von ihm mit Untertiteln gefragt, um das Lied einer hörgeschädigten Bekannten zeigen zu können. „Damals habe ich noch selbst die Untertitel unter das Video geschrieben, und dabei habe ich mich gefragt, ob sie überhaupt diese Emotionen vermitteln können“, erzählt der Rapper. So kam er auf die Idee mit den Gebärdendolmetschern. „Dabei ist es besonders wichtig, dass das Gesicht zu sehen ist, damit übermitteln sie ja die Emotionen.“

Rapper Siga findet Dolmetscherin auf Facebook

Siga machte sich auf die Suche. Er hatte mehrere Castings, bei denen er sich einige, vor allem männliche Gebärdendolmetscher ansah. Doch bei keinem sei der Funken übergesprungen. Dann fand er Vanessa Feller-Jung auf Facebook. „Sie war damals erst 13 und übersetzte bekannte Videos in Gebärden“, berichtet der Rapper. „Ich war von ihr begeistert.“ Siga schrieb die junge Gebärdendolmetscherin an. „Sie kannte mich schon und dachte im ersten Moment, es wäre eine Verarsche. Ich habe ihr dann meine Telefonnummer geschickt, und wir haben direkt telefoniert. Das ist jetzt acht Jahre her, und es gibt wenige, die so gut harmonieren wie Vanessa und ich.“

Ein Grund dafür ist sicherlich, dass sie auf dieselbe Musik stehen. Als Teenager lud Vanessa ihre Version von „Wärst du immer noch hier“ von Bushido und andere Handyvideos auf Facebook hoch. Das kam so gut bei den Usern an, dass sie ihre eigene Fanpage namens Vanessas Gebärdenlieder erstellte. Mit der Gebärdensprache ist die Pfälzerin aufgewachsen, denn ihr Vater und ihre Mutter sind gehörlos.

Autofahrt mit Denzel Washington

Dass Siga selbst Musiker geworden ist, hat einen ganz besonderen Hintergrund. Zwar interessierte er sich in seiner Freizeit schon lange für Rap und schrieb eigene Texte, der Schweizer arbeitete zunächst jedoch als Bodyguard. „Durch meine Tätigkeit als Personenschützer war es mir strikt untersagt, meine Musik zu veröffentlichen“, berichtet Siga. Doch: „Eine Autofahrt mit US-Schauspieler Denzel Washington veränderte mein Leben.“ Nachdem er den Schauspieler zu einer Gala begleitet hatte, kamen sie auf der Fahrt zurück zum Hotel ins Gespräch. Washington war gut drauf, battelte sich mit seinem Begleiter im Singen – und forderte Siga auf zu rappen. „Es war ein unvergesslicher Moment in meinem Leben.“ Beim Abschied im Hotel sagte Washington schließlich: „You have talent, use it and believe in yourself.“ Für Siga die entscheidende Motivation, sein Leben der Musik zu widmen.

„Man achtet auf die kleinen Details“

Mit Gebärdendolmetscherin Vanessa arbeitet der Rapper inzwischen seit Jahren zusammen. Gemeinsam haben sie schon mehrere Songs für das Projekt „Du“ aufgenommen, mit dem er auch andere Künstlerinnen und Künstler zu inklusiver Musik motivieren will. Die Songs sind im Vergleich zu anderen Stücken des Rappers langsamer und mehr auf Storytelling ausgerichtet. Auch bei Videodrehs ist Vanessa dabei. „Wenn man Songs in Gebärdensprache übersetzt, setzt man sich mit dem Text und dem Song an sich viel mehr auseinander. Man achtet auf die kleinen Details, die einem beim einfachen Zuhören vielleicht gar nicht auffallen“, erzählt sie gegenüber dem Magazin der Schweizerischen Vereinigung der Eltern hörgeschädigter Kinder.

Heute sind die beiden ein eingespieltes Team. Vor Auftritten proben sie meist am Tag davor. Sonst halten sie übers Handy Kontakt, denn die beiden wohnen 300 Kilometer voneinander entfernt. Als sie noch zur Schule ging, bekam Vanessa für Konzerte und andere Termine, die unter der Woche anlagen, frei.

Aufgetreten sind sie auch beim Bundesjugendtreffen der Deutschen Gehörlosen-Sportjugend. Bei diesen Konzerten ist für das gehörlose Publikum ein spezieller Boden verlegt, durch den man die Vibrationen der Musik besonders gut spüren kann. Auf einer Leinwand wird die Übersetzerin zusätzlich im Großformat gezeigt. Für Siga sind diese Konzerte immer etwas ganz Besonderes: „Vanessa steht dann neben mir auf der Bühne und übersetzt die Texte. Im Publikum sehen wir immer ganz viele mit Ballons in der Hand, das machen viele Gehörlose, um den Bass des Liedes zu spüren. Und dann die ganzen glücklichen Gesichter, das ist ein ganz besonderes Gefühl.“ Am schönsten seien aber die E-Mails und andere Nachrichten, die sie bekommen. „In denen schreibe uns Menschen Dinge wie: Du hast uns unsere Ohren wiedergegeben.“

Von Emma Fiedler


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