Kommentar: Gaming einzuschränken ist kontraproduktiv
China gibt mit einem neuen Gesetz feste Gaming-Zeiten für Minderjährige vor. Das ist der falsche Weg, meint MADS-Autor Victor. Denn Videospiele können auch einen gesunden Einfluss auf die Psyche haben.
Das ist der Traum vieler Eltern: Auf Bitten von Lehrkräften und Erziehungsberechtigten tritt in China ein neues Gesetz in Kraft, dass das Zocken für Kinder und Jugendliche stark einschränkt. Minderjährige dürfen dann nur freitags, samstags, sonntags und in den Ferien von 20 bis 21 Uhr Onlinespiele spielen. Kontrolliert wird die Regelung durch Daten des Personalausweises. Bei den Spielen des Unternehmens Tencent, zu denen zum Beispiel „League of Legends“ gehört, erfolgt die Kontrolle sogar durch Gesichtserkennung. Das Gesetz soll verhindern, dass junge Menschen, „die sich selbst noch nicht so gut kontrollieren können“, süchtig werden. Doch ist das wirklich der richtige Weg?
Gaming hat auch Vorteile
Auch wenn viele Eltern es vielleicht nicht wahrhaben wollen: Das regelmäßige Zocken hat auch positive Seiten. Schwedische Forscher der Unis Göteborg und Karlstad haben 2015 herausgefunden, dass Spieler von Multiplayer-Online-Rollenspielen häufig gut Englisch sprechen. Gamer müssen die Sprache verstehen und manchmal auch anwenden können. So haben die Wissenschaftler mithilfe eines Fragebogens festgestellt, dass die Englischkenntnisse mit der Häufigkeit des Spielens und der Art der gespielten Spiele zusammenhängen und diese Faktoren einander positiv beeinflussen.
Außerdem steigert Gaming die Kreativität, wie eine Studie von Wissenschaftlern der Michigan State University belegt – egal, welches Spiele Jugendliche zocken. Gaming könne auch die Aufmerksamkeit steigern, schreiben die US-Forscher C. Shawn Green and Aaron R. Seitz. In Strategiespielen ist es auch möglich, dass die Geduld und das Denkvermögen gesteigert werden, heißt es in ihrem Bericht von 2015 weiter. Wissenschaftler der Universität von Iowa fanden heraus, dass das Zocken bei Menschen im Alter ab 50 Jahren, den Rückgang einer Reihe von kognitiven Fähigkeiten um bis zu sieben Jahre verhinderte. Dafür müssten die Probanden „nur“ zehn Stunden lang ein Game spielen, das ihre geistige Verarbeitungsgeschwindigkeit und ihre Fähigkeiten anregte.
Gaming macht optimistisch und neugierig
In einem Fall hatte Gaming sogar eine heilende Wirkung. Jane McGonigal, eine Computerspieleentwicklerin, erlitt eine schwere Gehirnerschütterung. Ihr Arzt verbot ihr zu lesen, schreiben und joggen, ebenso wie Koffein-Konsum und Videospiele, um die Heilung zu beschleunigen. Nach einem Monat hatte sich ihr Zustand sogar verschlechtert. Sie entwickelte Angstzustände, Depressionen und suizidale Tendenzen. Erst durch das Spielen ihres eigenen Spiels, das „World of Worldcraft“ ähnelt, ging es ihr besser. Laut McGonigal machen Spiele optimistisch, neugierig und fördern die Motivation.
Gaming ist also gar nicht so schädlich, solange es nicht andere Lebensbereiche wie Schule und Schlaf beeinträchtigt. Ist das Gaming-Verbot für Minderjährige in China also viel zu harsch? An Schultagen nicht unbegrenzt zu zocken ist natürlich sinnvoll. Denn Spiele können sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, eine „League of Legends“-Runde dauert zum Beispiel durchschnittlich 30 Minuten. Dennoch sollte das kein Gesetz regeln, sondern Eltern. Die Gaming-Zeit auch noch in den Ferien einzuschränken ist wiederum kontraproduktiv. Schließlich ist bewiesen, dass Spiele einen gesunden Einfluss auf die Psyche haben.
Inhaltszensur geht zu weit
Eine weitere Entscheidung Chinas zum Thema Videospiele steht gerade in der Kritik. „Obszöne und gewalttätige“ Inhalte sowie Inhalte, die „ungesunde Tendenzen wie Geldanbetung und Verweiblichung“ fördern, sollen aus den Online-Spielen der großen Tech-Konzerne wie Tencent entfernt werden. Auch aus TV und Streamingangeboten will China „verweichlichte Männer“ streichen. Außerdem soll die Zulassung neuer Videospiele in China ausgesetzt werden, was 2018 schon einmal geschah.
Von der Zensur und dem zweifelhaften Männlichkeitsideal mal abgesehen, ist es zudem unverständlich, wieso diese Regelung für alle gilt und nicht wie beim Gaming-Verbot nur für Minderjährige. Ab 18 Jahren sollten Menschen ohnehin selbst entscheiden dürfen, welche Inhalte sie spielen und konsumieren wollen.
Von Victor Ji-Hong Li
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