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Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Was erwartet junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt?

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Was erwartet junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt?
Foto: Unsplash/Annie Spratt

Vier-Tage-Woche oder doch eher längere Arbeitszeiten? Stefanie Wolter vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erklärt, worauf sich junge Menschen einstellen müssen.


Die Generation Z hat klare Vorstellungen vom Arbeitsleben: Work-Life-Balance ist ihr Mantra. Doch wie findet man das Gleichgewicht zwischen Job und Freizeit? Für viele junge Menschen liegt die Antwort in flexiblen Arbeitsmodellen, Homeoffice-Optionen und der Freiheit, Auszeiten zu nehmen. Auch das Streben nach mehr Selbstbestimmung spielt eine zentrale Rolle.

Der Haken: Während die Babyboomer-Generation in Rente geht, rücken zu wenig Jüngere nach. Dieser demografische Wandel könnte zu einem größeren Arbeitsdruck und einem späteren Renteneintrittsalter führen. Stefanie Wolter vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht in dieser Entwicklung dennoch Chancen für den Nachwuchs. „Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen, flexibler zu werden und sich auf die Bedürfnisse der Beschäftigten einzustellen“, sagt sie.

Stefanie Wolter. Foto: Privat

Zur Person: Stefanie Wolter schloss im Mai 2019 ihre Promotion an der Julius-Maximilian-Universität Würzburg zu „Factors of Firm Success: Management Practices, Workforce Composition and Ownership“ ab. Seit Juli 2011 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsdatenzentrum (FDZ) am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf betrieblicher Personalpolitik.

Unternehmen setzen auf mehr Flexibilität

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Viele Unternehmen setzen laut Wolter verstärkt auf flexible Modelle. Mit Homeoffice, Schichtarbeit mit Mitspracherecht oder Gleitzeit reagieren sie auf die neuen Bedürfnisse. Die Gleitzeit ermöglicht es Beschäftigten, die eigene Arbeitszeit innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens selbst einzuteilen.

Doch während solche Modelle inzwischen weit verbreitet sind, bleiben sogenannte Langzeitkonten die Ausnahme. Nur jedes zehnte Unternehmen bietet diese Möglichkeit an, bei der Überstunden, Urlaubstage oder Gehaltsteile für spätere Auszeiten angespart werden können. Grundsätzlich haben große Betriebe oft mehr Spielraum, solche flexiblen Arbeitsmodelle anzubieten, als kleinere Betriebe. 

Und wie sieht es mit der Vier-Tage-Woche aus? Eine aktuelle Studie der Universität Münster zeichnet ein positives Bild – Produktivität und Zufriedenheit seien unter den Beschäftigten sogar angestiegen. Wolter blickt trotzdem skeptisch auf die Vier-Tage-Woche. Sie argumentiert, dass eine einfache Umverteilung der Arbeitszeit längere Arbeitstage bedeuten würde, was die Produktivität und die Gesundheit gefährden könne. Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn, wie auch in der Studie der Universität Münster getestet wurde, sei angesichts des Fachkräftemangels derzeit kaum umsetzbar. „Die Umsetzung einer flächendeckenden Vier-Tage-Woche ist daher unrealistisch“, sagt sie.

Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und mehr: Jüngere Menschen wünschen sich viel von ihrem Job. Foto: Unsplash/Daria Nepriakhina

Die „faule“ Generation Z?

„Generation Feierabend“ — so bezeichnen manche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber unter 25-Jährige. Ihr Vorwurf: Die Generation sei arbeitsfaul und gefährde mit ihrer Haltung den Wohlstand. Lässt sich das wirklich belegen? Wolter mahnt zur Differenzierung: „Es gibt Vorurteile gegen jede Generation.“ Studien zeigen zwar, dass die durchschnittlichen Arbeitszeiten zurückgehen, doch dieser Trend gehe hauptsächlich auf mehr Studierende mit Nebenjobs und Teilzeitbeschäftigte zurück, nicht auf eine sinkende Arbeitsmoral. Bei Vollzeitbeschäftigten blieben die Arbeitszeiten nahezu konstant.

Zudem schließen sich der Wunsch nach mehr Work-Life-Balance und wirtschaftlichem Erfolg nicht gegenseitig aus. Wolter zufolge ist es durchaus möglich, auf die Bedürfnisse junger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzugehen und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand zu sichern – zum Beispiel durch „lebensphasenangepasste Arbeitszeiten“: Junge Menschen können in Sparphasen mehr arbeiten, um etwa ein Haus oder eine Wohnung zu finanzieren, während Eltern ihre Arbeitszeit für die Familie reduzieren. Auch Ältere profitieren von der Möglichkeit, im Alter kürzerzutreten.

Wettbewerbsfähigkeit: Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes beschreibt, wie gut es im internationalen Vergleich wirtschaftlich dasteht. Ein wettbewerbsfähiges Land hat eine starke Wirtschaft, in der Unternehmen erfolgreich produzieren und exportieren können. Es bietet gute Arbeitsbedingungen und eine hohe Lebensqualität für seine Bevölkerung.

Wohlstand: Wohlstand bedeutet, dass Menschen in einem Land genug finanzielle Mittel und Möglichkeiten haben, ein erfülltes und sicheres Leben zu führen. Er wird oft am Bruttoinlandsprodukt gemessen, also dem Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land produziert wurden.

Womit müssen junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt rechnen?

Die Zukunft des Arbeitsmarktes bietet jungen Menschen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. „Junge Fachkräfte, die in den kommenden Jahren ins Berufsleben eintreten, können sich ihre Arbeitgeber aussuchen und werden stärker als vorherige Generationen Arbeitsbedingungen mitbestimmen können“, prognostiziert Wolter. Ebenfalls erwartet sie flachere Hierarchien und eine Führungskultur, die auf Mentoring setzt. „Ein gutes Arbeitsklima ist entscheidend dafür, dass Beschäftigte gerne arbeiten – egal welches Alters“, betont die Arbeitsmarktforscherin.

Während die Arbeitswelt flexibler wird und Auszeiten ermöglicht, wird eine Unsicherheit jedoch bleiben: „Bei ihrem Eintritt in die Arbeitswelt werden viele junge Menschen wahrscheinlich noch nicht wissen, wann sie in Rente gehen.“ 

Von Luise Moormann


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Über den Autor/die Autorin:

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