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Erstwähler bei der Bundestagswahl: Eine Generation ohne Vertrauen

Erstwähler bei der Bundestagswahl: Eine Generation ohne Vertrauen
Foto: Unsplash.com/ Francesco Luca Labianca

Wie fühlen sich junge Menschen vor ihrer ersten Bundestagswahl, wie beeinflussen Corona- und Klimakrise ihre politische Motivation? Zwei 18-jährige Erstwählerinnen berichten.


Wahlen sind das wichtigste Mittel der politischen Partizipation in einer Demokratie – durch sie können neue Regierungen gebildet und alte abgelöst werden. Das erste Mal an einer Wahl teilzunehmen ist genau deshalb für viele Menschen etwas Besonderes. Auch Nina und Aileen (beide 18 Jahre) sind bei der Bundestagswahl am 26. September Erstwählerinnen, zwei von insgesamt etwa 2,8 Millionen in Deutschland.

Jung und links?

Nina und Aileen haben mehrere Dinge gemeinsam: Beide ordnen sich im linksliberalen Spektrum ein und beschreiben sich als politisch interessiert. So geht es vielen Erstwählerinnen und Erstwählern, wie eine Forsa-Umfrage von Mitte Juni zeigt. Insgesamt 42 Prozent der befragten 18- bis 20-Jährigen wollen ihr Kreuz bei den Grünen setzen. Dass die Grünen eine Stärke bei jungen Menschen haben, war bereits bei der vergangenen Bundestagswahl der Fall. Betrachtet man das Zweitstimmenergebnis der Parteien nach Alter, hatten die Grünen am meisten Erfolg in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen mit 14,6 Prozent, wobei die Partei damals noch lange nicht so erfolgreich war wie heute. Auch bei der Linken sind hohe Werte in dieser Altersgruppe auffällig.

„Ich wähle, weil ich das Privileg dazu habe, die Politik mit meiner Stimme zu beeinflussen, und die Pflicht, anderen zu helfen.“

Nina (18), Erstwählerin

Einen großen Einfluss auf die politischen Ansichten der heutigen Jugend hat die Corona-Pandemie. „Während des Lockdowns habe ich mich viel mehr mit Politik auseinandergesetzt als davor, ich konnte die zusätzliche Zeit für Recherchen zu politischen Themen nutzen“, sagt Aileen. „Auch die Klimakrise ist ein Faktor, der bei meinen politischen Ansichten mit reinspielt.“ Wenn überhaupt, hätten sich die politischen Positionen der beiden im vergangenen Jahr nur verschärft. Besonders wichtig sind ihnen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Antirassismus, Feminismus und Umweltschutz. Die zunehmende Bedeutung gerade von Klimathemen spiegelt sich auch in der Shell Jugendstudie von 2019 wider, laut der 71 Prozent der Jugendlichen am meisten Angst vor Umweltzerstörung haben.

Bundestagswahl: 4,6 Prozent sind Erstwähler

Junge Menschen machen nur einen sehr kleinen Anteil an Wählerinnen und Wählern aus, Erstwählerinnen und Erstwähler umfassen gerade mal 4,6 Prozent aller Wahlberechtigten. Nina und Aileen schreckt das nicht ab, zu wählen ist für sie selbstverständlich. „Ich wähle, weil ich das Privileg dazu habe, die Politik mit meiner Stimme zu beeinflussen, und die Pflicht habe, anderen damit zu helfen“, sagt Nina. Aileen sieht das ähnlich. Wählen biete ihr die Möglichkeit, selbst etwas zu einer Verbesserung beizutragen und ihre Meinung zu äußern. „Außerdem bin ich gespannt auf das Ergebnis. Es ist natürlich ein anderes Gefühl, wenn man das erste Mal auch selbst mitbestimmen darf.“ Für Politikverdrossenheit und Desinteresse haben die beiden kein Verständnis.

„Jüngeren Menschen wird nicht genug zugehört, obwohl sie sich immer mehr für Politik interessieren.“

Aileen (18), Erstwählerin

Gefühl der Vernachlässigung

Obwohl das politische Interesse Jugendlicher seit 2002 fast stetig gestiegen ist, haben 82 Prozent der jungen Menschen in Europa laut der Jugendstudie „Generation what?“ kein politisches Vertrauen mehr. 90 Prozent glauben, dass soziale Ungleichheiten immer größer werden. Ein Grund dafür ist, dass sich junge Menschen oft von der Politik vernachlässigt fühlen. Mit ihnen gewinnt man schließlich keine Wahlen, ihr Anteil an der wahlberechtigten Bevölkerung ist zu gering.

„Jüngeren Menschen wird nicht genug zugehört, und ihre Meinungen werden oft als unerfahren oder naiv abgetan, obwohl sie sich immer mehr für Politik interessieren und auch etwas beitragen wollen“, meint Aileen. „Das sollte nicht einfach ignoriert werden.“ Das sieht auch Nina so: „Vertrauen in die Politik habe ich nicht mehr – aber die Hoffnung, dass unsere Generation dies ändert. Der erste Schritt ist der zur Wahlurne.“


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Über den Autor/die Autorin:

Marie Bruschek

Marie (20) studiert Weltliteratur. Wenn sie nicht gerade schlechte Wortwitze macht oder sich zum zehnten Mal Mamma Mia anguckt, schreibt sie für MADS über alles, was sie gerade interessiert.

2 Bemerkungen

  1. Frank Schulz

    Liebe Marie,

    in der MAZ am 13.9.2021 war noch ein anderer Artikel von Dir, zum Wahlrecht. Da ist ein Fehler enthalten, der möglicherweise Wähler, die ihre Benachrichtigungskarte verlegt haben, vom Wählen abhalten könnte:

    Die Wahlbenachrichtigungskarte ist zum Wählen am Wahltag nicht erforderlich. Verbindlich ist allein das im zuständigen Wahllokal vorliegende Wählerverzeichnis, in dem die Wählerin enthalten sein muss, um wählen zu können. Das wird mit dem Ausweis überprüft. Die Karte erleichtert den Wahlhelfern nur das Auffinden der richtigen Zeile.

    LG

    Antworten
    • Johanna Stein

      Lieber Herr Schulz, vielen Dank für den Hinweis! Da haben Sie natürlich recht. Wir werden das in der Onlineversion korrigieren. Beste Grüße aus der Redaktion

      Antworten

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