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Seenotretter: Wie Jenny und Gina Pudschun in ihrer Freizeit Schiffbrüchigen helfen

Seenotretter: Wie Jenny und Gina Pudschun in ihrer Freizeit Schiffbrüchigen helfen
Foto: Die Seenotretter – DGzRS/Steven Keller

Die Schwestern Gina und Jenny kümmern sich ehrenamtlich um Schiffbrüchige vor der Insel Poel. Dabei sind Stresssituation vorprogrammiert. Dennoch machen die beiden ihre Arbeit gerne.


Wer auf dem Festland in eine Notsituation gerät, kann überall auf schnelle Hilfe von Feuerwehr, Rettungs- oder Pannendienst vertrauen. Doch was, wenn sich ein Unfall nicht auf dem Land, sondern auf dem Meer ereignet, wenn man plötzlich in Seenot gerät? Für solche Fälle stehen die Helfer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) Tag und Nacht bereit. Viele von ihnen arbeiten ehrenamtlich. Auch die beiden Schwestern Gina und Jenny Pudschun (beide 20) sind regelmäßig bei maritimen Rettungseinsätzen mittendrin im Geschehen. Sie gehören zu den 22 Ehrenamtlichen, die bei Seenot rund um die Insel Poel zu Hilfe eilen.

Ein Ehrenamt mit großer Verantwortung: Gina Pudschun gibt die per SMS übermittelte Position des Havaristen in die elektronische Seekarte ein.
Foto: Die Seenotretter – DGzRS/Steven Keller

Enorme Verantwortung

„Typisch ist, dass sich Menschen festgefahren haben oder den Anker nicht mehr loskriegen“, sagt Jenny. Das sei der Alltag der Seenotretter. Zu den Aufgaben der Freiwilligen gehört es aber auch, Personen zu suchen und Erste Hilfe zu leisten. Ein solcher Einsatz ist der 20-Jährigen nachhaltig in Erinnerung geblieben. 2019 musste sie mit ihren Kollegen einem Mann helfen, der mitten auf der Ostsee einen Herzinfarkt erlitten hatte. „Da war Perfektion vorausgesetzt“, sagt Jenny. Die Helfer sind in solchen Situationen häufig auf sich allein gestellt. „Während des Einsatzes habe ich alles ausgeblendet. Im Nachhinein hat man gemerkt, was man da für eine Verantwortung getragen hat“, sagt die 20-Jährige.

Manchmal bekomme sie deswegen Angst, dass etwas schiefgehen könnte. Um das zu vermeiden, bilden sich alle Helfer regelmäßig fort. „Wir müssen an Ausbildungen teilnehmen und haben jedes Jahr einen Erste-Hilfe-Kurs“, sagt Jennys Zwillingsschwester Gina. Zurzeit würden die Lehrgänge und Fortbildungen allerdings pandemiebedingt auf Eis liegen. Einzig ihre hauptamtlichen Kollegen dürfen aktuell an Kursen teilnehmen. Das finden die beiden Schwestern zwar nachvollziehbar. Trotzdem wünschen sie sich, bald wieder mit ihren Kollegen und Freunden den Ernstfall proben zu dürfen. „Man hat Angst, dass man aus der Übung kommt“, sagt Jenny. Und das könnte auf dem Meer fatale Folgen haben.

Motivierte Helfer

Schon zeitlich belastet das Ehrenamt die beiden Schwestern zusätzlich. Zu den regelmäßigen Übungs- und Ausbildungsdiensten kommen pro Jahr noch rund 45 Einsätze. Einige davon wären eigentlich gar nicht nötig, wenn die Menschen verantwortungsbewusster handeln würden. „Manche Sachen könnte man vermeiden, zum Beispiel bei Sturm rauszufahren“, sagt Gina. Anhand der Wettervorhersage sei es eigentlich jedem Hobbykapitän möglich, Sturmfahrten zu vermeiden. Trotzdem lösten Freizeitfahrten in schwierigen Wettersituationen immer wieder Einsätze aus. „Aber genau für solche Fälle sind wir da“, sagt Schwester Jenny.

Jenny Pudschun ist eine von 22 Freiwilligen, die rund um die Insel Poel im Einsatz sind.
Foto: Die Seenotretter – DGzRS/Steven Keller

Damit das im Ernstfall klappt, müssen alle mitspielen, so auch der Arbeitgeber. Manchmal gibt es aber technische Probleme. Bei der Arbeit hat Jenny keinen Handyempfang, deswegen schaffen es die Alarm-Benachrichtigungen nicht auf ihr Handy. Sie macht eine Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit. Schwester Gina erhält die Alarm-SMS zwar, ist bei ihrer Ausbildung zur Erzieherin tagsüber aber zu weit weg, um schnell zum Hafen zu kommen. Dank der anderen Mitglieder finde sich aber immer jemand, der das Boot besetzt, egal zu welcher Tageszeit. „Bis jetzt konnte unsere Truppe immer zu einem Einsatz fahren“, sagt Jenny. Bei ihrem Nebenjob in der Gastronomie sei ihr Engagement gern gesehen. Ihre Arbeitgeber fänden es selbstverständlich, wenn die Schwestern während der Arbeitszeit zum Boot eilen müssen. „Das sind auch Poeler, die haben da Verständnis.“

Manchmal bleibt der Kontakt

Aus dem Ehrenamt hätten sich bereits Freundschaften entwickelt, sagt Gina. Sie erinnert sich an einen stürmischen Einsatz. Mit den ehemals Schiffbrüchigen verbindet Gina heute eine enge Freundschaft. „Wir haben uns schon oft getroffen“, sagt die 20-Jährige.

Das Klischee der rauen Seefahrt spiegelt sich in der Gruppenzusammensetzung der Poeler Seenotretter wide. Unter den 22 Freiwilligen sind nur drei Frauen. Für die beiden Schwestern ist das kein Problem. „Wir kennen die alle, seitdem wir klein sind“, sagt Jenny. Eine ausgeglichenere Zusammensetzung der Geschlechter fänden die beiden dennoch gut. „Ein bisschen weibliche Verstärkung wäre schön“, sagt Gina. An der DGzRS reizt Gina vor allem die Unvorhersehbarkeit. „Man weiß nie, wann etwas kommt, das ist cool“, sagt sie. Auch für ihre Schwester Jenny ist die Arbeit bei der Seenotrettung nicht wegzudenken. „Wir tun hier etwas Gutes“, sagt sie.

Von Finn Bachmann


So findest du ein passendes Ehrenamt

Rund 30 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich. Viele Wege führen zum Ehrenamt, je nach Interessen und Zeitaufwand entscheiden sich Interessierte ganz individuell für eine Organisation. Grundsätzlich gibt es kein Mindestalter, sodass auch Kinder und Jugendliche helfen können. Eine ehrenamtliche Tätigkeit hat keine festgelegte Dauer – es ist egal, ob sie für einen kurzen Zeitraum oder jahrelang übernommen wird.

Ehrenamtlich helfen kannst du direkt vor der Haustür, in der eigenen Stadt oder auch gezielt am Meer oder in den Bergen und im Ausland. Es ist sogar möglich, dass sich aus der Tätigkeit eine berufliche Perspektive ergibt.

Auf der Internetseite www.helfenkannje­­der.de gibt es einen Helf-O-Mat. Anhand von 18 Fragen und dem eigenen Wohnort schlägt der Helf-O-Mat Organisationen vor, die den eigenen Interessen entsprechen.

Auch die Internetseite www.govolunteer.com zeigt anhand der eigenen Interessen und des Wohnorts Vorschläge an. Es gibt Themenfelder wie Natur-, Klima- und Tierschutz, Queeres, Kunst und Kultur oder Sprache. Daneben können Interessierte das Angebot mit weiteren Filtern genauer einschränken.

kk


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Über den Autor/die Autorin:

Finn Bachmann

Finn (21) studiert Politik und Informatik. In seiner Freizeit ist er nicht nur bei der Feuerwehr, für MADS und die Hannoversche Allgemeine Zeitung schreibt er über Lokales, Internationales und was ihn sonst so bewegt.

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