E-Sport: Ist das der Beruf der Zukunft?
Es ist eines der beliebtesten Videospiele bei jungen Menschen: „FIFA“. Mittlerweile nehmen Hunderte Spieler an der Virtual Bundesliga teil und spielen um ein Preisgeld von 40.000 Euro. MADS hat mit den E-Sport-Profis Niklas Luginsland und Lena Güldenpfennig über ihren ungewöhnlichen Beruf gesprochen.
Aus dem Hobby einen Beruf machen – diesen Traum haben viele. Niklas Luginsland hat es geschafft. Niki, wie er von seinen Fans genannt wird, ist E-Sportler. Eine Berufsgruppe, welche nicht gerade vielen Menschen geläufig ist, jedoch immer populärer wird. Der Weg von Niki zeigt, wie man sich vom entspannten Hobby-Gamer zum professionellen E-Sportler entwickeln kann.
Das ist NikLugi
Der deutsche „FIFA“-Gamer NikLugi, bürgerlich Niklas Luginsland, ist einer der bekanntesten deutschen E-Sportler. Aktuell ist er bei Leno E-Sports als Spieler und Content Creator unter Vertrag. Dabei streamt er auf Youtube und Twitch. Er sitzt seit Kindertagen wegen einer Glasknochenkrankheit im Rollstuhl.
„Mit sechs Jahren habe ich bereits mein allererstes ‚FIFA‘ bekommen. Das war damals noch ‚FIFA 2002‘ – eine ganz andere Welt“, sagt Niklas. „Das Kompetitive kam bei mir jedoch sehr spät. Heutzutage sind Jugendliche im Alter von 14 oder 15 bereits richtig gut und nehmen schon regelmäßig an Turnieren teil. Das war bei mir nicht so.“ Wie hat er es also zu einem der besten „FIFA“-Spieler Deutschlands geschafft? „Das kam bei mir erst während der Abi-Zeit, als ich gesehen habe: Ey cool bei ‚FIFA‘ gibt es Turniere, da kann ich doch mal mitmachen.“
Über Turniere zum VfB Stuttgart und 1. FC Heidenheim
Niklas merkte schnell, dass er „ganz gut“ war. Er nahm an immer mehr Turnieren teil, konnte auch das eine oder andere gewinnen. So kam irgendwann der Kontakt zum VfB Stuttgart zustande. Eine Herzensangelegenheit für den VfB-Fan. Nach seiner Zeit beim E-Sport-Verein der Schwaben ging Niklas anschließend für den 1. FC Heidenheim auf virtuelle Torejagd, über den er inzwischen Teil des E-Sport-Teams von Nationaltorhüter Bernd Leno ist.
Um mit dem Zocken genug Geld zu verdienen, muss man laut Niklas aber nicht nur gut vor der Konsole sein. „Da gehört mittlerweile mehr dazu, als nur ‚FIFA‘ zu spielen und zu trainieren. Dieser ganze Social-Media-Bereich hat zumindest bei mir extrem zugenommen. Kurz vor Beginn der Corona-Pandemie habe ich angefangen zu streamen und gesehen, dass das Ganze richtig gut ankommt.“ Durch das Streamen erreichen E-Sportler deutlich mehr Zuschauerinnen und Zuschauer. Wer auf Twitch oder Youtube gut ankommt, hat demnach viel mehr Möglichkeiten, in der digitalen Welt erfolgreich zu werden. So lief es auch bei Niklas. „Dadurch habe ich viele neue Möglichkeiten bekommen mit neuen Partnern. Ich habe meinen Vertrag bei Leno verlängert und bin dort nicht nur Spieler, sondern auch als Content-Creator zuständig für das Team.“
Was verdient ein E-Sport-Profi?
E-Sportler, die bei einer deutschen Organisation oder einem Verein unter Vertrag stehen, können bis zu 10.000 Euro im Monat verdienen. Das gilt allerdings nur für die allerbesten Spieler der Branche. Grundsätzlich schwanken die Gehälter stark. Zusätzlich zu dem monatlichen Gehalt können dann noch Preisgelder bei Turnieren hinzukommen.
Diese Preisgelder in der deutschen Virtual Bundesliga (VBL) stiegen zuletzt an. Im Wettbewerb, wie es ihn heute gibt, mit Einzelspieler- und Klub-Meisterschaft, ist man im Jahr 2018 mit einem Preispool von 45.000 Euro gestartet. Die Summe blieb bis 2020 identisch. Seit 2021 liegt die Belohnung für die professionellen VBL-Spieler aber mit insgesamt 100.000 Euro bei mehr als dem Doppelten. Bei der „FIFA“-Weltmeisterschaft werden insgesamt sogar 500.000 Dollar ausgeschüttet.
Doch im Vergleich zu anderen Videospielen, wie zum Beispiel „Fortnite“, ist auch das noch relativ wenig. Bei der „Fortnite“-WM im Jahr 2019 spielten Einzelspieler und Zweierteams jeweils um ein gesamtes Preisgeld von 15 Millionen Dollar.
Wie lässt es sich als E-Sportler also leben? Neben den möglichen Preisgeldern bei Turnieren sind laut Niklas inzwischen die Einnahmen aus Youtube und Twitch wichtig. „Aber gerade die Top-E-Sportler konzentrieren sich mehr auf das Spiel an sich, als dass sie das Ziel haben, in der Woche zwei Youtube-Videos zu bringen.“
Für Niklas stehen nicht nur „FIFA“-Turniere im Mittelpunkt, sondern auch sein Leben abseits der Konsole. „Wenn man zum Beispiel ins Stadion geht und eine Verbindung zu ‚FIFA‘ hat, kann man auch ein geiles Video daraus machen, da kann man dann so ein bisschen Beruf und Freizeit miteinander verknüpfen und das beispielsweise als Vlog auf Youtube hochladen.“
Das ist die Virtual Bundesliga
26 Fußballklubs aus der 1. und 2. Fußball-Bundesliga nehmen heute an dem "FIFA"-Turnier Virtual Bundesliga (VBL) teil. Bekannte Vereine wie der FC Schalke 04, SV Werder Bremen und der 1. FC Köln sind dabei.
Als die Deutsche Fußball Liga (DFL) in Kooperation mit dem Videospielentwickler EA Sports 2012 die VBL startete, sah das noch ganz anders aus. Damals war noch nichts von großen Fußballklubs zu sehen. Erst 2015 hat sich der VfL Wolfsburg als erster deutscher Klub aus dem Profifußball dazu entschlossen, auch auf dem virtuellen Rasen anzutreten. Ein Jahr später wagte sich einer der traditionsreichsten deutschen Fußballvereine in die virtuelle Fußballwelt – der FC Schalke 04 gründete 2016 ein "FIFA"-Team. 2018 beschloss die DFL, unter diesen Klubs die deutsche Meisterschaft ausspielen zu lassen. Seit November 2020 wird in Anlehnung an den DFB-Pokal dazu ein sogenannter DFB-ePokal ausgetragen.
Statt der Fußballvereine stehen immer öfter E-Sport-Organisationen im Vordergrund, die sich in anderen Videospielen bereits einen Namen gemacht haben. Diese sind wie eigenständige Unternehmen aufgebaut. Das Problem dieser Teams ist, dass ausschließlich Vereine, die der DFL angehören, an der VBL teilnehmen dürfen. Daher arbeiten Organisationen häufig mit Fußball-Profivereinen zusammen, die keine eigene E-Sport-Sparte haben. Seit 2020 kooperiert beispielsweise der 1. FC Heidenheim mit dem Team Leno E-Sports von Namensgeber und Nationaltorhüter Bernd Leno.
E-Sport: Ein reines Männerding?
Die Frage nach ihren größten Erfolgen kann Lena Güldenpfennig leicht beantworten: „VBL-Klubmeister mit meinem Team zu werden und als erste Frau überhaupt in der VBL gespielt zu haben.“ Sie ist seit September 2020 E-Sportlerin bei RBLZ Gaming, dem umbenannten E-Sport-Team von RB Leipzig, und hat schon einige Turniere professionell bestritten. Gerade der Teamgedanke am E-Sport macht ihr Spaß: „Klar ist es nicht so ein riesiges Team wie im Fußball, aber in diesem kleinen Team herrscht eine sehr gute Atmosphäre. Selbst als ich mit Corona daheim bleiben musste und wir mit den RBLZ VBL-Klubmeister geworden sind, haben mich die Jungs immer digital mitgenommen.“
Das ist RBLZ_LENA
Die deutsche FIFA-E-Sportlerin Lena "RBLZ_LENA" Güldenpfennig zockt seit der ersten Stunde professionell im Bereich "FIFA". Seit September 2020 ist die 21-Jährige bei RBLZ Gaming, dem E-Sport-Team von RB Leipzig, unter Vertrag.
Sie kann sich noch gut an ihre Anfänge erinnern: „Ich habe in meinem Sportinternat angefangen zu zocken. Doch erst in der Pandemie hatte ich so viel Zeit, dass ich mich stetig verbessern konnte.“ Sie nahm an einem Turnier des DFB teil und setzte sich gut genug durch, um gesichtet zu werden.
"Spiele ich jetzt gegen ein Mädchen?"
Doch der weitere Weg ist nicht leicht. Als eine der ersten Frauen im "FIFA"-E-Sport ist sie Vorurteilen ausgesetzt. „Wenn ich gegen weniger professionelle Leute spiele“, erzählt Lena, „dann fragen hin und wieder auch Gegner: Spiele ich jetzt gegen ein Mädchen? Muss das sein?“ In den sozialen Medien sind die Anfeindungen noch härter. „Wenn ich online gegen andere Spieler gewinne und diese später herausfinden, dass ich ein Mädchen bin, dann bekommt man immer wieder auch böse Nachrichten.“ Allerdings gehe das Feedback auch in beide Richtungen. „Wenn aber die Leute noch mal gegen mich antreten und dann erneut verlieren, geben sie mir auch Zuspruch.“
Gar keine Probleme habe sie aber auf professionellen Events, betont Lena. „Ich werde komplett angenommen. Die Spieler gehen alle mit Respekt untereinander um, aber auch die Zuschauer fragen dort gerne nach Autogrammen.“ Das sei deswegen der Fall, weil sich jeder in den anderen hineinversetzen könne. „Erstens weiß jeder, wie viel Arbeit dahintersteckt, und zweitens wissen auch die Männer, wie viel Hass man im Netz erfährt.“
Die 21-Jährige ist froh darüber, einen Grundstein für die weibliche E-Sport-Community legen zu können. „Für manche E-Sportlerinnen, die jetzt gerade in den letzten Jahren dazu gekommen sind, konnte ich so ein bisschen das Vorbild sein“, sagt Lena stolz. Sie will andere junge Frauen ermutigen, sich nicht zu verstecken: „Gebt nicht auf, wenn es mal nicht funktioniert. Es gibt genug Videos und Streams, mit denen man lernen kann. Die Chance, sich auf Turnieren zu zeigen, ist immer da, denn es gibt genügend davon.“
Ausbildung, RB Leipzig und E-Sport-Turniere
Um an solchen Online- oder Offline-Turnieren in Deutschland und auf der Welt teilnehmen zu können, hat Lena genug zu tun. Neben einer Ausbildung zur Erzieherin und Fußball in der U23 von RB Leipzig setzt sie sich jeden Tag für ein paar Stunden an die Konsole. Doch wenn das neue "FIFA", das jedes Jahr im September erscheint, oder wichtige Turniere anstehen, investiert sie noch deutlich mehr Zeit in den E-Sport. „Vor Turnieren sitze ich ganze Nachmittage an der Konsole, um zu trainieren. Bei einem neuen Spiel sind es bei E-Sportlern acht bis neun Stunden am Tag. Man muss das Spiel von Grund auf neu lernen“, sagt Lena.
Darüber hinaus gehört zum E-Sport mehr als nur Zocken. Auch Lena ist in mehreren sozialen Netzwerken vertreten. „Du wirst in sehr vielen Sachen eingebunden. Du streamst, woraus Videos für Youtube entstehen. Man hat Fototermine und ist hin und wieder auch bei Werbungen dabei.“ Lena weiß, dass der ganze Trubel auch schnell zu Ende gehen kann. „Es ist ein bisschen wie im Fußball. Wenn du deine Leistungen ablieferst, dann erhältst du einen neuen Vertrag. Falls du deine Leistung aber nicht bringst, dann wird der Vertrag nicht verlängert. Aber es gibt zurzeit genügend Vereine in ganz Deutschland, sodass man schnell einen neuen Club finden kann.“
Durch die vielen Profivereine, die in den E-Sport eingestiegen sind, sieht sie sich in dem großen Potenzial bestätigt. „Der E-Sport wird heute schon im TV übertragen, und es wird noch größer werden.“ Als Ziel für die nächste Saison möchte sie mehr Einsätze in der VBL verbuchen können. Denn: „Je länger ich mit meinen Teamkollegen trainiere, desto besser werde ich. Hoffentlich kommen somit ein paar mehr Spiele mehr hinzu.“
Von Alex Frieling, Torben Kleene, Franz-V. Reitzler und Lars Wilke
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