Adieu, Uni – und jetzt? Auf Umwegen zum Traumberuf
Auf das Studium folgt das Berufsleben. Oder doch nicht? Drei Menschen berichten von ihrer Zeit zwischen Uni und Berufseinstieg.
Als Impfarzt die Pandemie eindämmen
Corona hat vielen Menschen den Berufseinstieg erschwert. Doch für Henrik ergab sich durch die Pandemie eine einzigartige Chance nach seinem Medizinstudium. Anstatt wie die meisten Berufsanfänger und Berufsanfängerinnen direkt eine Anstellung im Krankenhaus zu suchen, arbeitete Henrik nach seinem Abschluss Ende 2021 als Impfarzt für Corona-Impfungen.
Zu jener Zeit starteten die Boosterimpfungen, weshalb überall händeringend Personal gesucht wurde. Zusammen mit seiner Frau Ayçen Koç, die zeitgleich das Studium abgeschlossen hatte, arbeitete er zuerst in Berlin, später in seiner Heimatstadt Neuruppin in Brandenburg. „Ich hatte persönlich genug von Corona und wollte meinen Beitrag dabei leisten, die Pandemie einzudämmen“, erzählt Henrik. „Außerdem wollte ich eine andere ärztliche Arbeit kennenlernen, bevor ich in den nächsten Jahren in die Klinik gehe.“
Das Impfen allein beanspruchte dabei gar nicht so viel Zeit. Viel mehr mussten die Mediziner die Patientinnen und Patienten über die Impfung aufklären. Das sei Pflicht bei jedem medizinischen Eingriff. Dazu gehört, die Sorgen der Patientinnen und Patienten ernst zu nehmen und eventuell die Medikamente bei einigen anzupassen.
Viel Verantwortung für den Berufseinsteiger
Vor jedem Dienst habe es eine kurze Teambesprechung gegeben, um die Neuigkeiten über die Vakzine zu besprechen, erzählt Henrik. Mit Fragen konnte er sich an Kolleginnen und Kollegen wenden. Denn neben vielen Berufseinsteigenden impfte erfahrenes Fachpersonal in den Impfzentren. Später in Brandenburg leiteten Henrik und Ayçen den Dienst manchmal allein. „Das ist schon krass, wenn man überlegt, dass wir erst seit einigen Monaten den Abschluss hatten“, sagt Henrik. In der Hochphase arbeiteten sie damals zum Teil elf Stunden täglich – und das sechs Tage pro Woche.
Da die Nachfrage nach den Impfungen mittlerweile gering ist, braucht es weniger Personal. Henrik hat einen Job an einem Krankenhaus im Fachbereich Radiologie gefunden. Trotzdem war die Erfahrung als Impfarzt wertvoll für ihn, da er zum ersten Mal allein für einen Patienten verantwortlich war. „Mit dieser Rolle klarzukommen, ist für jeden Berufseinsteiger schwierig. Im Impfzentrum war das aber einfacher für mich, da das Fachliche sehr überschaubar ist“, erklärt Henrik. „Ich konnte viel über den Umgang mit Patienten lernen. Das wird mir auch in meinem späteren beruflichen Leben weiterhelfen.“
Von Jeffrey Ji-Peng Li
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Ein Praktikum nach dem anderen: Der Weg in die Modebranche
Spätestens seit dem Film „Der Teufel trägt Prada“ ist bekannt: Die Arbeit im High-Fashion-Business ist kein Zuckerschlecken. Samantha aus Wolfenbüttel hat dennoch genau diesen Weg eingeschlagen. Schon als Kind wollte sie Modedesignerin werden. Auch wenn der Weg ins Modegeschäft lang und steinig ist.
Das Zauberwort heißt: Praktika. Je mehr und renommierter, desto besser. Nach ihrem Studium, dem Bachelor in Modedesign an der Hochschule Hannover, hat Samantha ein halbes Jahr bei Haider Ackerman in Antwerpen und ein halbes Jahr bei Iris van Herpen in Amsterdam verbracht. Die beiden Haute-Couture-Größen kleiden Stars wie Kanye West, Timothee Chalamet und Lady Gaga ein.
„Trotz allem eine gute Portion Glück“
Erfahrung sei im Fashion Business das Wichtigste, sagt Samantha. Die zielstrebige Bachelorabsolventin gibt immer 110 Prozent. „Wenn man zum Beispiel in eine große Firma ins Ausland möchte, konkurriert man nicht nur mit Absolventen in Deutschland, sondern weltweit. Und es gibt ein paar sehr berühmte sehr gute Modeschulen auf der Welt. Man muss also nicht nur gut, sondern sehr gut sein, mehrere namenhafte Praktika aufweisen können, und dazu gehört trotz allem eine gute Portion Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.“
Um ihre Chancen zu verbessern, macht Samantha noch ein drittes Praktikum bei Acne Studios in Stockholm. Vom schwierigen Weg zu ihrem Traumberuf lässt sie sich nicht unterkriegen. Für angehende Modedesignerinnen und -designer hat sie einen Tipp: „Die eigenen Vorlieben und Stärken genau anschauen. Es gibt viele Nischen und Abteilungen in der Mode, die man sich vielleicht auch vorstellen kann.“
Von Melina Wall
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Vom kurzen Stopp im Ausland zum Traumjob
Nach dem Studium haben einige das Gefühl, noch nicht zu wissen, wo es hingehen soll. So ging es auch Hayam. Schon als Bachelorstudentin überlegte sie, wie es weitergehen soll. Sie wusste nur, dass sie im Bereich Creative Direction arbeiten will. Also entschied sie sich, nach ihrem Abschluss noch einmal ins Ausland zu gehen, um ein paar Ideen zu sammeln. Für sie ging es nach Budapest, wo sie bereits ihr Auslandssemester während des Studiums verbracht hatte.
Dort kam sie eines Abends mit ihren Freundinnen und Freunden auf die Idee, ein Kollektiv zu bilden, das große Events in der Hauptstadt Ungarns organisiert. Mit ein wenig Eigenkapital fing die Gruppe „Times New Romance“ an, die ersten Feiern zu planen und umzusetzen. Und das mit Erfolg: Zu jedem Event erschienen mehr und mehr Leute. Bald zog Hayam offiziell nach Budapest, um ihre Veranstaltungen vor Ort besser planen zu können. Mit jeder neuen Feier probierte die Gruppe neue Wege aus, um mehr Menschen zu begeistern. Auch Theaterstücke plant sie mittlerweile.
Kein Druck nach dem Studium
Hayam steht nicht still. Durch ihre Eventplanung in Budapest konnte sie viele neue Kontakte schließen, unter anderem zu einem Jungregisseur. „Seit Anfang Juni arbeite ich als produktionsleitende Regieassistentin für einen Film.“ Sie mag die verschiedenen Aufgaben. „Gerade weiß ich auch noch nicht zu 100 Prozent, was ich machen möchte. Aber genau deswegen möchte ich mich ein bisschen ausprobieren.“
Anderen Uniabsolvierenden rät sie, nach ihrem Gefühl zu gehen. „Man sollte sich von seiner Umgebung nicht unter Druck setzen lassen, dass man direkt arbeitet oder einen Master macht. Selbst wenn man einen Job anfängt, kann man immer noch aufhören und irgendwas anderes machen. Man sollte keine Angst davor haben, was Neues auszuprobieren.“
Von Alexandra Schaller
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