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„Wir finden das Negative immer sexy“: Warum positive Nachrichten wichtig sind

„Wir finden das Negative immer sexy“: Warum positive Nachrichten wichtig sind
Foto: Vitaly Gariev/Unsplash

Zwischen Katastrophen, Krieg und Krisen fehlt von guten Nachrichten häufig jede Spur. Warum Good News aber gerade in Krisenzeiten von großer Bedeutung sein können, erzählt Florian Vitello vom Good News Magazin im MADS-Interview.


Negativen und belastende Nachrichten gehören längst zum Alltag. Doch mittlerweile haben es sich immer mehr Journalistinnen und Journalisten zur Aufgabe gemacht, den Fokus auf sogenannte Good News zu richten. Statt um den Ukrainekrieg oder den Rechtsruck in Deutschland geht es beim „Good News Magazin“ und anderen Redaktionen um neu entdeckte Walarten, Krebsheilung, die Entlohnung von Care-Arbeit oder verantwortungsvolles Wirtschaften.

Florian Vitello hat unter anderem Journalismus studiert, ist 32 Jahre alt und Co-Gründer des „Good News Magazins“. Im MADS-Interview erzählt er, warum es wichtig ist, positive Nachrichten zu konsumieren und was ihn antreibt.

Foto: privat

Florian, warum sind Good News wichtig?

Ganz besonders mit der Pandemie haben wir gemerkt, dass schlechte Themen wie Terror und Tragödien in der Berichterstattung immer im Vordergrund stehen. Das macht Leute einfach extrem fertig. Es war und ist ein komplettes Ungleichgewicht. Die Welt besteht ja nicht nur daraus. Wenn man Nachrichten liest, bekommt man aber das Gefühl, die Welt sei einfach nur schlecht und alles gehe bergab. Menschen sehnen sich ganz besonders in Krisenzeiten nach guten Nachrichten. Ansonsten steigen sie aus, nehmen nicht mehr an der Zivilgesellschaft teil. Das war für uns die Motivation und der Punkt, an dem wir aus dem Social-Media-Projekt ein ernst zu nehmendes Medium mit gutem Journalismus gemacht haben. Wir zeigen, dass auch diese Geschichten eine Plattform brauchen.

Was ist euer Auftrag als „Good News Magazin“?

Es gibt ganz viele, gerade junge Menschen, die Nachrichten vermeiden. Die letzte Reuter-Institut-Studie konnte zeigen, dass die Gen Z immer weniger Nachrichten konsumiert und immer weniger Interesse daran zeigt. Das ist in Hinblick auf die Demokratie echt bedrohlich. Wir wollen schließlich alle nicht, dass wir uns vor Angst und Weltschmerz isolieren und aufgeben. Wir möchten Menschen also abholen und einladen, wieder zurückzukommen, Teil der Gesellschaft zu sein, sich für coole Sachen zu engagieren. Für jeden Menschen gibt es da irgendwas, was man machen kann. Die andere Seite ist die journalistische. Da geht es um Inspiration, Kraft und Mut für Journalistinnen und Journalisten, im besten Fall ein Umdenken in der Berichterstattung zu bewirken und die eigenen Themen, mit denen man sich journalistisch auseinandersetzt, die häufig negativ sind, zu hinterfragen.

Warum polarisieren Bad News so sehr?

Wir erleben einen Negativitätseffekt, die kognitive Verzerrung. Das heißt, wir legen den Fokus als Menschen immer auf das Negative, weil wir früher zu Urzeiten mal auf jede Gefahr aufpassen mussten, da konnte alles den Tod bedeuten. Und was früher überlebenswichtig war, ist heute aus neurowissenschaftlicher Sicht eher hinderlich. Es hält uns oft in Depressionen oder in Angstzuständen. Wir finden also das Negative immer sexy. Das geht mir ja nicht anders, ich finde ja auch erst mal das Negative interessanter und wichtiger. Und dann wird mir wieder bewusst, dass das Positive genauso wichtig ist.

Was ist die Idee hinter eurem „Weltaufgang“-Podcast?

Der „Weltaufgang“-Podcast geht an jedem letzten Tag im Monat online. Das ist das Medium, bei dem wir inspirierende Leute interviewen, die motivieren, die mit gutem Beispiel vorangehen. Wir sprechen auch über die Klimakrise mit ihrer negativen Auswirkung, aber immer auch über die Lösung und darüber, wo man noch etwas machen und aktiv werden kann. Es geht darum, mit den Interviewpartnerinnen und -partnern aufzuzeigen, dass Engagement im Klimaschutz zum Beispiel Spaß machen kann. Das Thema wird sonst sehr wissenschaftlich und katastrophisierend dargestellt.

Foto: Weltaufgang Podcast

Wie sieht eure Recherche nach Good News aus?

Wir sind mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo wir eigentlich gar nicht mehr groß auf die Suche gehen müssen. Natürlich kommt es vor, dass wir manchmal noch gewisse Themen recherchieren. Aber die allermeisten Themen kommen quasi aus der Community. Da kommen Leute auf uns zu und schreiben: „Guckt mal, was hier Geiles passiert ist, darüber sollte man mal berichten.“ Wir schreiben über die große Weltpolitik bis hin zu den ganz kleinen Lösungen, die wir dann die „Großigkeit“ nennen. Kleine Sachen, die Großes bewirken. Der etwas abgedroschene Spruch „Global denken, lokal handeln“ ist ein Stück weit eine unserer Leitlinien.

Wer ist eure Zielgruppe?

Das hat sich stark verändert, weil wir natürlich gewachsen sind. Am Anfang waren es vor allem junge Leute zwischen 20 und 30. Mittlerweile würde ich sagen, wird unser Publikum immer diverser. Und man merkt auch, dass diese Kategorien auch gar nicht so sinnvoll sind. Es muss ja nicht zwangsläufig sein, dass junge und alte Menschen ganz unterschiedliche Dinge spannend finden.

Was gibt dir die Arbeit persönlich?

Ich als Journalist und politisch interessierter Mensch verfalle auch sehr leicht in Weltschmerz und bin nicht krass positiv. Umso wichtiger ist für mich dieser Job, weil es mich auch immer wieder daran erinnert, dass es so viel Positives gibt. Und das brauchen wir auch als Gegengewicht. Uns passiert viel mehr Gutes als Schlechtes. Der Job gibt mir persönlich Kraft und Motivation weiterzumachen.

Foto: Jon Tyson/Unsplash

Was würdest du jungen Menschen an die Hand geben, die Weltschmerz verspüren?

Ich hoffe, dass die jungen Menschen nicht den Kopf in den Sand stecken und sich nicht erzählen lassen, dass alles verloren ist. Sondern dass sie auch hoffnungsvoll in ihre Zukunft blicken dürfen, dass sie sich verdammt noch mal feiern dürfen für ihr Engagement. Es gibt so krasse junge Menschen. Es ist aber genauso wichtig, dass man sich da nicht überarbeitet, ausbrennt. Sondern, dass man sich selbst und anderen auf die Schulter klopft. Es braucht auch Momente, in denen man innehält, sich feiert und dankbar ist.


Weitere Medien, die über Good News berichten

  • Das 22-köpfige Team des Online-Magazins „Perspective Daily“ möchte mit Artikeln wie „Aufatmen: In diesem Land bleibt eine brutale „Tradition“ gegen Frauen weiterhin verboten“ und „Weil Auflagen wirken: Dieser europäische Fluss wird immer sauberer“ Visionen und Lösungen aufzeigen und diskutieren.
  • Good News sind häufig zeitloser als tagesaktuelle Kriegsberichterstattung. So schafft auch der „Tagesspiegel“ mit seiner Rubrik „Good News aus aller Welt“ einen Ort für gute Nachrichten, die „eher die Ausnahme“ seien. Neben weniger Abholzung im Amazonasgebiet und immer mehr Pandas in freier Wildbahn, geht es auch um Frauen- und Kinderrechte.
  • Ob News für ein tägliches Lächeln oder gar Ideen für effizienten Klimaschutz: Auch das ZDF berichtet in seiner Rubrik „Gute und konstruktive Nachrichten“ von Zukunftsvisionen und Lösungen in den Bereichen Klimaschutz und Menschenrechte.
  • Der WDR verbreitet mit seinem Podcast „COSMO Daily Good News“ mit täglichen Kurzfolgen wie „Mehr Menschen machen eine Ausbildung zur Pflegekraft“ und „Berlin: Neue Wäscherei für obdachlose Menschen“ schnell und einfach Good News, die den Tag gleich besser machen können.

Von Sandra Kopa


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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