Wie toxische Beziehungen die Jugendbuch-Bestsellerlisten erobern
Liebe auf den ersten Blick, unausgeglichene Machtverhältnisse und dann noch ein bisschen Eifersucht, Gewalt oder Missbrauch: Toxische Beziehungen sind in Jugendbüchern aktuell sehr präsent. Und das ist problematisch.
Colleen Hoover ist ein Name, der vielen jungen Bücherfans ein Begriff sein sollte, denn sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen im New-Adult-Genre. In ihrem Buch „Nur noch ein einziges Mal“, das seit 2016 bereits 17 Auflagen umfasst, geht es um die Liebesgeschichte von Lily und Ryle. Lily ist nach einer schweren Kindheit in eine neue Stadt gezogen und trifft auf den attraktiven und wohlhabenden Ryle. Als sie endlich zusammenkommen, scheint ihr Leben perfekt – bis Gewalt ins Spiel kommt und die traumhafte Beziehung zu einer toxischen wird.
Worum geht‘s in New-Adult-Romanen?
In sogenannten New-Adult-Liebesromanen steht oft eine toxische Beziehung mit bestimmten Rollenbildern im Mittelpunkt. Da wäre einmal der Bad Boy. Er ist attraktiv und hat viel sexuelle Erfahrung. Auf der anderen Seite ist das Good Girl – meist zierlich, unsicher und sexuell unerfahren. Beide verlieben sich ineinander und neben dem Sex geht es in ihrer Beziehung um Eifersucht, Gewalt und vieles mehr. Häufig hat eine Person mit einer psychischen Belastung wie einer schweren Kindheit zu kämpfen, die andere versucht, sie davon zu befreien. Die Germanistin Gerda E. Moser von der Uni Klagenfurt hat darüber mit dem österreichischen Wissenschaftsblog „Schrödingers Katze“ gesprochen. Sie bezeichnet den Bad-Boy-Charakter als „aggressiv, herausfordernd und faszinierend“ und das Good Girl hingegen als „‚Dornröschen‘ mit Herz, das ‚erweckt‘ werden will“. Zwischen den Charakteren gibt es also große Kontraste, die nicht nur ein Machtgefälle, sondern auch Streitpotenzial mitbringen.
Warum sind diese Bücher so beliebt?
Auf Plattformen wie Booktok und Bookstagram ist ein regelrechter Hype um Young- und New-Adult-Romane entstanden. Viele junge Frauen lieben die Bücher wegen der (teilweise kitschigen und klischeehaften) Romantik oder weil sie kurzweilig und unterhaltsam sind, anderen ist das aber wiederum zu viel. Daher polarisieren die Bücher auch.
Aber wo liegt das Problem?
Problematisch wird es eben, wenn man sich die Darstellung von Liebe und Beziehungen in New-Adult-Liebesromanen anschaut. Meistens muss es nämlich extrem sein. So sind toxische Beziehungen sehr stark repräsentiert, während normale und gesunde Beziehungen in dem Genre eher untergehen. Natürlich ist es nicht die Aufgabe von Büchern, die Realität darzustellen. Doch für Leserinnen und Leser ist es deshalb umso wichtiger, zwischen Realität und Fiktion klar zu trennen.
Die Sache mit der Romantisierung
Ein großes Problem ist, dass Themen wie häusliche Gewalt, Alkoholmissbrauch und Eifersucht genutzt werden, um Romantik zu erzeugen, und so unrealistische Situationen und Verhaltensweisen beschrieben werden. So wird es beispielsweise als romantisch dargestellt, dass das Good Girl von dem Bad Boy abhängig ist. Laut Gerda Moser fragen sich Leserinnen und Leser daher schnell, ob das Genre Gewalt in der Beziehung verharmlose. In diesem Bereich müssen die Bücher viel Kritik einstecken.
Auswirkungen auf eigene Beziehungen
Laut Moser kann diese Darstellung der Liebe auch negativen Einfluss auf eigene Beziehungen haben. Es werden bei Leserinnen und Lesern – teilweise auch unbewusst – Erwartungen an eine spätere Partnerschaft entwickelt, und die Charaktere der Romane werden dabei zu Vorbildern. Manche fühlen sich auch romantisch und/oder sexuell zu Charakteren hingezogen. Germanistin Moser sagt, dass sich dadurch möglicherweise zu hohe oder falsche Ansprüche an Beziehungen stellen, da diese im Leben nicht unbedingt das Happy End haben, das im Buche steht. So etwas kann auftreten – muss es aber nicht, wenn man sich beim Lesen von New-Adult-Liebesromanen bewusst macht, dass sie nur Fiktion sind, zur Unterhaltung dienen und alles andere als perfekte und realistische Beziehungen darstellen.
Von Hanna Vasel
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