Wehrpflicht in Deutschland? Was junge Bundeswehrsoldaten dazu sagen
Wird die Wehrpflicht in Deutschland ein Comeback erleben? Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist diese Diskussion wieder aufgekommen. Zwei junge Bundeswehrsoldaten erzählen, was sie davon halten.
Mit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine ist auch das Thema einer allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland wieder aufgekommen. Befürworter argumentieren nicht nur mit weltpolitischen Spannungen mit Fokus auf den Ukraine-Russland-Konflikt, sondern führen auch den Pflegenotstand an, der durch den Zivildienst verbessert werden könne.
Eine Pflicht wieder einführen, nachdem man sie doch vor zehn Jahren erst abgeschafft hat? Bei vielen Menschen trifft diese Diskussion auf Unbehagen. Wie reagieren junge Menschen darauf, die selbst bereits Teil der Bundeswehr sind und sich freiwillig für den Wehrdienst entschieden haben?
Lieber eine Dienstpflicht als eine Wehrpflicht?
Emilia* ist eine von ihnen. Die 25-Jährige hat bei der Bundeswehr studiert und ist jetzt schon seit einigen Jahren bei der Marine. Dennoch ist sie nicht überzeugt von einer Wehrpflicht. „Ich würde eine Dienstpflicht – mit einer freiwilligen Option auf Wehrpflicht, also auf einen Dienst bei der Bundeswehr für ein Jahr – bevorzugen“, sagt sie. Doch auch diese Möglichkeit ließe sich in ihren Augen nicht allzu schnell umsetzen. „Dazu müsste die Bundeswehr erst einmal neue Gebäude bauen, Renovierungsarbeiten stattfinden lassen. Es müssten Kasernen zurückgekauft werden, da man sich infrastrukturell so ins Aus geschossen hat, dass es gar nicht möglich wäre, diese Menge an Personal überhaupt unterzubringen.“
Infrastruktur der Bundeswehr mangelhaft
Ehe man also überhaupt über die allgemeine Umsetzung der Wehrpflicht nachdenke, müsse die Struktur der Bundeswehr überarbeitet werden. Insgesamt sind eigenen Angaben zufolge derzeit 265.000 Menschen bei der Bundeswehr beschäftigt. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht würde zwar zu erwünschtem Zuwachs führen, allerdings könnte man die Millionen an jungen Erwachsenen unmöglich richtig unterbringen und betreuen.
Selbst Wehrpflicht-Befürworter sehen Probleme
Eine etwas andere Meinung hat Leo*. Er arbeitet bereits seit elf Jahren bei der Bundeswehr. Mit 18 Jahren hat er sich entschieden, ohne Studium direkt im Heer anzufangen, heute ist er Hauptmann bei den Streitkräften. „Ich halte die Wehrpflicht für richtig – das ist ein Dienst für das Vaterland“, sagt er. Er meint, dass bei einer solchen Pflicht auch wirklich alle eingezogen werden sollten, die die Voraussetzungen für einen Wehrdienst erfüllen.
Doch auch Leo sieht ein, dass dies aktuell nicht wirklich umzusetzen ist. Dabei verweist er wie Emilia auf die Infrastruktur: „Es fehlt der Bundeswehr an Unterkünften und an Material. Unsere Strukturen sind in den vergangenen zwölf bis 15 Jahren eingefallen.“ Die Idee der Dienstpflicht findet auch er gut: „Mit einer Dienstpflicht kann unsere Gesellschaft wieder mehr zusammenrücken. Auch sicherheitspolitisch macht sie Sinn – durch mehr Personal haben wir die Chance, einen krisenresistenteren Staat aufzubauen. Man hat einfach mehr in der Hinterhand.“ Leo bezeichnet die Dienstpflicht für Deutschland als „überlebensnotwendig“.
Zweifel im Bundestag
Ob die Wiedereinführung der Wehrpflicht wirklich der richtige Weg ist, bezweifeln viele Politiker und Politikerinnen im Deutschen Bundestag immer wieder. „Eine Reaktivierung der Wehrpflicht leistet keinen Beitrag zum Abbau aktueller Bedrohungen und lenkt von dringlichen Problemen ab“, sagte beispielsweise SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Anfang März. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verwies außerdem auf rechtliche Fragen, die es im Rahmen der Wiedereinführung zu klären gebe. Von Seiten der Bundeswehr selbst äußerte sich Generalinspekteur Eberhard Zorn, der militärische Berater der Bundesregierung, kritisch. „Wir brauchen gut ausgebildetes, in Teilen sogar hoch spezialisiertes Personal, um das gesamte Aufgabenspektrum abzudecken“, sagte er. Frisch Wehrpflichtige könnten diese Aufgaben nicht erfüllen.
Von Alexandra Schaller
*Namen von der Redaktion geändert
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