„Sex Education“: Auch Staffel 3 ist ein Sprachrohr für Offenheit
Die Netflix-Serie „Sex Education“ geht in die dritte Runde. Die neue Staffel bietet auch weiterhin größtenteils authentische Figuren und wichtige Lektionen im Umgang mit sexueller Selbstfindung.
Die schülergeführte Beratungsstelle in den Schulklos ist geschlossen, die Schultherapeutin entlassen – was bleibt da noch übrig für die Netflix-Serie „Sex Education“? Die Antwort lautet: eine ganze Menge. Nachdem die ersten beiden Staffeln alle möglichen sexuellen Ratschläge erteilt haben, liegt der Fokus nun mehr auf den Charakteren und Handlungssträngen, die nicht unbedingt mit dem titelgebenden Aufklärungsunterricht zu tun haben. In Staffel 3 dreht sich alles um persönliche Weiterentwicklung, Selbstfindung und das Brechen von Stigmata. Otis (Asa Butterfield) und Maeve (Emma Mackey) müssen ihre Beziehung definieren, das Hause Milburn-Nyman wird durch Jeans Schwangerschaft ordentlich aufgewühlt, und dann wäre da noch die Umstrukturierung der Schule.
„Sex Education“: Strengere Regeln an der Schule
Nach den sexuellen Eskapaden in der Vergangenheit soll die Moordale Secondary School nun nämlich umgekrempelt werden. Die neue Rektorin zielt auf strenge Disziplin ab: Schuluniformen, festgesetzte Laufwege, das Überstreichen von Kritzeleien und Graffiti. Individuelle Entfaltung ist in sämtlichen Bereichen untersagt. Durch die neue Schulsituation werden in „Sex Education“ nun alte Glaubenssätze und pädagogische Ansätze aufgegriffen, die man heute als überholt weiß, darunter das Anraten von Enthaltsamkeit als Universalmittel und das generell Verteufeln von Sexualität. Seltsam ist nur, dass diese grundsätzliche Umstellung durch eine Einzelperson erlaubt ist und so uneingeschränkt vonstattengehen kann. Schulbehörde oder Stadt scheinen die Handlungen der neuen Rektorin nämlich nicht zu interessieren, und ohnehin ist es fragwürdig, dass eine junge Person im 21. Jahrhundert noch so denkt. Insgesamt kann man darüber jedoch hinwegsehen, denn unterhaltsam bleibt die Serie.
Ausbaufähigkeit bei Handlungsstrang Genderidentität
Ein wenig zu sehr wie einem Lehrbuch entsprungen wirkt allerdings teilweise das neu eingeführte Thema Genderidentität. Maeves Exfreund Jackson freundet sich in der dritten Staffel mit Cal (Dua Saleh) an. Anhand der neuen Figur werden neutrale Pronomen und das Nichtbinärsein erforscht – ein Thema, das an sich super in die Serie passt. Gut funktioniert das Ansprechen der kategorisch weiblichen und männlichen Schuluniformen, doch Cals Erklärungen klingen häufig steif, als sei die Figur nur in die Serie eingefügt worden, um eine Nische abzudecken. Das ist schade, denn die Dynamik mit Jackson ist eigentlich erfrischend. Zudem hätte Cal als aus den USA zugezogener Skate-Fan mit einem ausgeprägten Sinn dafür, sich jederzeit auszuleben, auch andere spannende Handlungsstränge mit sich bringen können. So jedoch bleibt keinerlei Interaktion mit einem der Hauptcharaktere der Serie, und die Szenen haben kaum Auswirkung auf das Geschehen.
Authentische Charaktere in den Hauptrollen
Dies steht im direkten Kontrast zu einem Aspekt, der „Sex Education“ bisher so von anderen Serien abhob: Alles wurde authentisch und natürlich angesprochen, bot Identifikationsfläche. Außerdem hat eigentlich jeder Charakter Tiefgang, und niemand wird nur in eine bestimmte Rolle gedrückt. In präsenteren Handlungssträngen wird das auch in der dritten Staffel erfolgreich fortgeführt: Nach Modepüppchen Aimee und Sportler Jackson in alten Staffeln erhält nun vor allem Ruby, das sehr auf Optik fixierte angesagteste Mädchen der Schule, mehr Background. Am überzeugendsten bleiben aber Otis und Eric als Duo, das vollständig ohne Filmklischees auskommt. Die freundschaftliche Basis der beiden ist so ungezwungen, dass sie als solche wohl auch in jedem anderen Setting funktionieren würde. Außerdem ist die Serie lustig, ohne aufgesetzt zu wirken, und herzerwärmend, ohne je zu rührselig zu werden. Und für die erfrischende Normalisierung aller einvernehmlichen Sexpraktiken sorgen weiterhin die Einstiege in die Folgen, die stets Paare oder Masturbationsszenen im Zusammenschnitt zeigen. So bleibt die Serie weiterhin grundsätzlich ein positives Sprachrohr dafür, dass so ziemlich alles normal ist – auch als Teenager.
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