Mit 25 schon Chefin: Wie es ist, als junger Mensch ein Unternehmen zu leiten
Die eine leitet eine Yachtschule, der andere ist bereits Bürgermeister. MADS hat mit jungen Menschen gesprochen, die bereits Führungsverantwortung haben. Sie erzählen, wie sie zu ihrem Job gekommen sind – und wie es ist, wenn die Angestellten im Unternehmen älter als sie selbst sind.
Ausbildung oder Studium, Berufseinstieg und dann stetig weiter hocharbeiten: So sieht der klassische Weg an die Unternehmensspitze aus. Und der Weg ist normalerweise lang. Das Durchschnittsalter von Führungskräften in Deutschland lag im Jahr 2018 laut Statista bei 51,3 Jahren. Doch es gibt Ausnahmen. MADS stellt fünf junge Menschen vor, die bereits eine Führungsposition innehaben.
Johanna Ahrens (25) leitet eine Yachtschule
„Ich bin hier quasi aufgewachsen am Steg“, sagt Johanna Ahrens. Die 25-Jährige hat im August 2021 die Yachtschule Hannover übernommen. Vorher arbeitete sie als Speditionskauffrau. Schon seit ihrer Kindheit ist Segeln ihre Leidenschaft. Mit der Übernahme der Yachtschule hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht. „Ich bin wirklich gerne und oft am Wasser“, sagt Ahrens.
Der Vorbesitzer, Hannes Bondesen, hatte das Unternehmen zuvor mehr als 50 Jahre lang geführt. „Ich habe ihn dann gefragt, ob er verkaufen möchte“, erzählt Ahrens, „und dann hat es sich halt so ergeben.“ Vieles in der Yachtschule ist Ahrens vertraut: die Segelausbildung, die Bootsvermietung, das Putzen der Boote. Und auch die bis zu zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennt Ahrens seit ihrer Kindheit. „Die sind alle älter als ich und kennen mich von klein auf“, erzählt Ahrens.
Trotzdem war nicht alles einfach, als Ahrens die Yachtschule übernahm. Eine „große Hürde“ sei für sie der Zeitpunkt der Übergabe gewesen, erzählt sie. Denn als sie im Herbst 2021 die Schule übernahm, war die Saison schon fast vorbei. Boote reparieren statt auf dem See zu sein – so sahen die ersten Monate für Ahrens aus.
In ihrer Rolle als Chefin musste Ahrens einiges neu lernen: Theorie- und Praxiskurse koordinieren, das Büro organisieren – und die Buchhaltung machen. „Ich habe die Buchhaltung in der Ausbildung zwar gelernt, aber in der Praxis nie gebraucht“, sagt Ahrens. Ganz auf sich allein gestellt ist sie dennoch nicht. „Ich kann mich jederzeit bei Hannes Bondesen melden.“
Thomas Reicherzer (26) ist hauptamtlicher Bürgermeister
Ein Bauhof, ein Kindergarten, ein Rathaus mit knapp 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – für all das ist Thomas Reicherzer (SPD) verantwortlich. Er ist hauptamtlicher Bürgermeister von Wittislingen in Bayern, einer Gemeinde mit rund 2000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Als er im März 2020 in sein Amt gewählt wurde, war Reicherzer gerade einmal 24 Jahre alt.
„Schon im Jugendalter war das Bürgermeisteramt mein Traumberuf“, sagt Reicherzer. Passend zu seinem Berufsziel studierte er Politik- und Verwaltungswissenschaften. Sein Pflichtpraktikum absolvierte er im Referat des Oberbürgermeisters der Stadt Konstanz. Und trotzdem war anfänglich vieles neu für Reicherzer. „Man kann sich auf diesen Beruf nicht vorbereiten“, sagt der 26-Jährige.
Die erste Zeit nach der gewonnen Wahl war für Reicherzer herausfordernd. „Man ist erst mal ziemlich auf sich gestellt“, sagt er. Seinen Arbeitstag beschreibt er als sehr abwechslungsreich: Gemeinderatssitzungen, Verwaltungsarbeit, Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern – aber eben auch Ortstermine, wie etwa die Eröffnung eines neuen Supermarktes, gehören zu seinen Aufgaben.
Dass er überhaupt zum Bürgermeister gewählt werden würde, war keinesfalls sicher. Reicherzer setzte sich mit 50,5 Prozent durch. Mit 694 Stimmen bekam er nur 13 mehr als sein Konkurrent Paul Seitz. Im Wahlkampf spielte sein Alter durchaus eine Rolle. „Gerade zu Beginn wird man vollkommen unterschätzt“, erzählt Reicherzer. „Die Kandidatur hat niemand ernst genommen.“
Im Rathaus ist Reicherzer einer der jüngsten. Spontan fallen ihm drei Auszubildende und eine Kollegin im Einwohnermeldeamt ein, die jünger sind als er. „Einige Mitarbeiter sind über 60, für die war das genauso eine Umstellung wie für mich“, sagt Reicherzer. Probleme habe es deshalb aber nicht gegeben.
Simon Wolf (23) leitet ein Unternehmen mit 80 Angestellten
Eigentlich wollte er, so erzählt er es heute, sich nur ein bisschen Geld dazuverdienen. Simon Wolf begann noch während seines Staatsexamens zum Gesundheits- und Krankenpfleger, Erste-Hilfe-Kurse zu geben. Damals war er 19 Jahre alt. Jetzt, mit 23 Jahren, leitet Wolf ein Unternehmen mit 80 Angestellten, bekannt unter dem Namen „Erste Hilfe Wolf“.
Erste-Hilfe-Kurse waren für Wolf allerdings nur der Anfang. Inzwischen gehört neben den Schulungen auch ein Handelssegment dazu, mit zwei Sanitätshäusern in den Baden-Württembergischen Städten Sigmaringen und Gammertingen und einem Großhandel für Sanitätsbedarf.
Der Aufstieg vom kleinen Start-up zum Unternehmer lief für Wolf allerdings keineswegs linear. Einen herben Rückschlag erlebte er mit Beginn der Corona-Pandemie, als Schulungen vorerst nicht mehr stattfinden durften. „Da sind wir maximal gegen die Wand gefahren“ sagt er. Die finanzielle Rettung kam für ihn durch seinen Job an einer Sozialstation, den er nebenbei noch zu 30 Prozent ausübte. Erst wurde er Leiter einer Station, später noch von einer zweiten. Und auch „Erste-Hilfe-Wolf“ kam wieder auf die Beine. „Wir haben viel mit Corona-Teststationen verdient“, sagt Wolf.
Der Jüngste im Unternehmen ist Wolf selbst, abgesehen von Praktikanten. Doch mit dem ungewöhnlichen Altersverhältnis weiß Wolf umzugehen. Er trägt einen Anzug, siezt konsequent. Schwieriger sei der Umgang mit Kunden im Handelssegment. Einige Kunden hätten ihn zunächst belächelt, erzählt er. „Ich tue mich leichter, seit ich einen guten Vertriebsleiter habe.“ Wenn er selbst etwas einkaufen wolle, würden ihn Vertreter manchmal auch nicht ernst nehmen, sagt Wolf. „Ich hatte gerade wieder eine Situation, wo mich der Vertreter überhaupt nicht beachtet hat, bis er herausbekommen hat, dass ich der Chef bin“, erzählt Wolf.
Eileen Billerbeck (25) ist Geschäftsführerin einer Versicherung
Bei den unabhängigen Versicherungsmaklern Billerbeck in Hannover trifft eine 25-Jährige die Entscheidungen. Noch ist Eileen Billerbeck zusammen mit ihrem Vater in der Geschäftsführung, ganz allein trägt sie die Verantwortung also noch nicht. Doch herausfordernd ist der Job dennoch für sie.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind – bis auf zwei Auszubildende – älter als Billerbeck. „Der Altersunterschied hat sich am Anfang sehr komisch angefühlt“, erzählt Billerbeck, und fügt hinzu: „Ich entscheide ja schließlich über Dinge wie Urlaub, Gehalt und Fortbildungen.“
Zwischen ihrem Bachelor und Masterstudium an der Humboldt-Universität in Berlin hat sich Eileen Billerbeck ein Jahr lang unterschiedliche Unternehmen angeschaut. Darunter waren auch das Unternehmen ihres Vaters. Da fiel die Entscheidung, nach dem Master in das Familienunternehmen einzusteigen. Bereut hat sie das bisher nicht. „Mir gefällt es, nicht nur eine Aufgabe, sondern oft 15 gleichzeitig zu haben“, sagt sie.
In ihrer Arbeit merke sie häufig, dass ihr noch die Erfahrung fehle, erzählt Billerbeck. „In dem Alter ist alles eine Herausforderung.“ Die Schwierigkeit bestehe darin, abzuwägen, welche Entscheidungen sie schon alleine treffen könne und bei welchen Fragen sie Rücksprache halten müsse. Wünschen würde sie sich allerdings, dass es mehr Menschen gäbe, mit denen sie sich austauschen könnte. „Es ist sehr schwer, andere Frauen zu finden“, sagt sie. „Ich habe bisher noch keine andere gefunden.“
Emil Senkel (19) hat ein Restaurant eröffnet
„Chez Emil“ ist ein kleines, französisches Lokal mitten in Berlin. Der Inhaber, Emil Senkel war gerade einmal 17 Jahre alt, als er es eröffnete. Mit dem Restaurant machte der heute 19-Jährige sein Hobby zum Beruf. Seine ersten Lebensjahre verbrachte Senkel in Frankreich. Schon als Kind kaufte er, so erzählt er es, für seine Familie ein und bereitete Essen zu.
Das Restaurant war allerdings mehr ein Plan B als ein lang gehegter Traum. „Eigentlich wollte ich vielleicht in 20 Jahren ein Restaurant eröffnen“, sagt Senkel. Bevor er sich dazu entschied, ein Ladenlokal aufzukaufen und zu renovieren, interessierte er sich für das Unternehmen Tesla. Er schwänzte die Schule, um über die Bauarbeiten am Produktionsstandort zu berichten, verlor Geld, dass er in Aktien investiert hatte. Die Folge: Zu den Abiturprüfungen durfte er wegen der Fehlstunden nicht mehr antreten.
„Dann habe ich geschaut, wie teuer eigentlich Restaurantmieten sind“, erzählt Senkel. Bevor die ersten Gäste Senkels Speisen probieren konnten, renovierte er das Lokal. Nebenbei verkaufte er, um die Miete zu finanzieren, erst Kaffee, später die ersten Gerichte. Schließlich stellte Senkel einen Koch ein, weil er die Aufgaben alleine nicht mehr bewältigen konnte. Antoine, heute 24 Jahre alt. „Ich hatte keine Erfahrung als Chef. Das war sehr komisch“, sagt Senkel. „Antoine hat mir geholfen und gesagt, welche Verantwortungen ich habe.“
Auch wenn er inzwischen viel an Erfahrung gewonnen hat, empfindet Senkel den Arbeitstag immer noch als herausfordernd. Zwischenzeitlich hatte er drei Servicekräfte eingestellt, musste sie im Winter bei verschärften Corona-Regeln dann wieder entlassen. Künftig, das ist Senkels Wunsch, sollen aber wieder mehr Beschäftigte im Restaurant arbeiten. „Mein großer Traum ist es, zu expandieren“, sagt er.
Von Thea Schmidt