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Menschen thematisieren ihre Familiengeschichte zur NS-Zeit auf Twitter

Menschen thematisieren ihre Familiengeschichte zur NS-Zeit auf Twitter
Foto: Unsplash.com/@freestocks

Aktuell geht der Hashtag #MeinNaziHintergrund in den sozialen Medien viral. Junge Menschen setzen sich auf Twitter damit auseinander, was die eigenen Großeltern zur NS-Zeit getan haben. 


Wenn wir über den Nationalsozialismus in Deutschland reden, dann denken viele gar nicht an ihre eigene Familiengeschichte. Das ändert jetzt mit dem Hashtag #MeinNaziHintergrund, der auf Twitter gerade viral geht. Junge Menschen erzählen dabei, was ihre Familie zur NS-Zeit (nicht) getan hat. Doch es hagelt auch viel Kritik.

Von Instagram-Livestream zu Twitter-Debatte

Angestoßen wurde das Ganze von der Künstlerin Moshtari Hilal und dem Schriftsteller Sinthujan Varatharajah. In einem Instagram-Livestream im Februar unter dem Titel „Nazierbe: Kapital und Rassismus bei Menschen“ mit Nazihintergrund haben sie auf NS-Kontinuitäten in Deutschland aufmerksam gemacht. Zudem kritisierten sie den Umgang von deutschen Industrieerben mit der Vergangenheit ihrer Familien, die oft von dem Geld, das im Zusammenhang mit den Verbrechen während des Nationalsozialismus verdient wurde, noch heute profitieren würden.

Die beiden nannten in dem Zuge den Begriff „Nazihintergrund“ und daraus entstand der Hashtag #NaziHintergrund und dann #MeinNaziHintergrund, unter dem User auf Twitter ihre Familiengeschichten in Bezug auf die NS-Zeit teilen. Dabei ist bei den Tweets alles dabei: Von Verschweigen in der Familie über aktive Beteiligung an Kriegsverbrechen bis zu Widerständlern. Die große Mehrheit aber gehörte – wie auch zu erwarten – zu Tätern und Mitläufern. 

Viel Lob für Aufarbeitung mit der NS-Zeit

Es gibt viel Lob für die Debatte: Die Selbstbezeichnung „Menschen mit Nazihintergrund“ könne helfen, verantwortungsvoll mit der eigenen Geschichte umzugehen und thematisiert dies außerhalb jeglicher Institutionen, findet die Journalistin Jule Hoffmann. Weiterhin ist der Begriff Nazihintergrund laut Varatharajah eine Umkehr von „Menschen mit Migrationshintergrund“, was den Teil der Gesellschaft zeige, der sonst andere markiert. In der Erinnerungskultur nur von Deutschen verallgemeinert zu reden, sei problematisch, da man Juden und andere Opfergruppen sowie die Deutschen im Widerstand mit Tätern und Mitläufern zusammenfasst, sagte der Schriftsteller der Zeit. Generell ist Reflexion und Aufarbeitung zu befürworten – allerdings gibt es auch Kritik an der Rezeption des Videos und der Aktion insgesamt. 

Kritik: Jüdische Perspektive fehle

So wird die Wahrnehmung einiger User kritisiert, Hilal und Varantharaja hätten das Thema erstmals angesprochen. Der Künstler Leon Kahane sagt der TAZ, dass Juden dies seit Ende des Krieges thematisieren und für Aufarbeitung kämpfen. Noch dazu fehle im Instagram-Stream und im Trend die jüdische Perspektive. Dies sei ein Problem, weil Juden nun mal die Hauptopfergruppe waren. Gleichzeitig befreie die Bezeichnung „Menschen mit Nazihintergrund“ andere ohne diesen Hintergrund davon, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Der Hashtag sei extrem täterfixiert und erinnere an Selbstentlastung durch Beichten, meint Kahane. 


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Über den Autor/die Autorin:

Marie Bruschek

Marie (20) studiert Weltliteratur. Wenn sie nicht gerade schlechte Wortwitze macht oder sich zum zehnten Mal Mamma Mia anguckt, schreibt sie für MADS über alles, was sie gerade interessiert.

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