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„Last Christmas“ und Co.: Warum kommt der nervige Weihnachts-Pop jedes Jahr wieder?

„Last Christmas“ und Co.: Warum kommt der nervige Weihnachts-Pop jedes Jahr wieder?
Foto: The Retro Store/Unsplash

„Last Christmas“, „All I Want For Christmas Is You“ und Co. finden jedes Jahr wieder Einzug in die Charts. Schon bei den ersten Tönen rollen viele mit den Augen und wechseln den Radiosender. Doch warum sind wir so genervt vom klassischen Weihnachts-Pop? Und warum werden sie trotzdem immer wieder gespielt?


Musikalität ist ein universelles Merkmal der Menschheit und existiert als solches nicht erst seit gestern. In allen Kulturen wird musiziert und Musik konsumiert und das schon seit dem Zeitalter der Neandertaler. Musik bringt Menschen zusammen und hat das Potenzial, unsere Gefühlswelt immens zu beeinflussen. Das weiß auch Lars Rogenmoser, Doktorand der Psychologie an der Universität Zürich. In einem Dossier zur Faszination der Menschen für Musik im Magazin „Psychoscope“ beschreibt er, dass Musik nicht nur beruhigt und erfreut. Sie macht auch traurig, hilft, Emotionen zu verarbeiten, und motiviert. Aber gilt das auch für „Last Christmas“?

Je nach Musikart werden verschiedene Hormone abgegeben – Adrenalin bei schneller und aggressiver Musik, Noradrenalin bei sanften und ruhigeren Klängen. Letztere können so zum Beispiel die Ausschüttung von Stresshormonen verringern und die Konzentration von schmerzkontrollierenden Hormonen im Körper erhöhen.

Weihnachts-Pop ist meistens eher melancholisch-romantisch, aber zu Teilen auch betont fröhlich und unbeschwert. Diese durch Musik induzierten Emotionen lösen, genau wie alltäglich erlebte Emotionen, die Produktion von Dopamin aus. Dopamin hat einen großen Einfluss auf das Gehirn. Durch die Aktivierung des Belohnungssystems wirkt das Hören belohnend. Deswegen läuft das Lieblingslied auch auf Dauerschleife, weil wir uns jedes Mal fürs Hören belohnt fühlen.

Musikgeschmack – ganz individuell oder verallgemeinerbar?

Auch die Präferenz bestimmter Attribute in der Musik oder ganzer Genres bildet sich im Gehirn. Musikgeschmack entwickelt sich dadurch im Laufe unseres Lebens ganz individuell. Deswegen ist es auch schier unmöglich, Musik zu komponieren, die wirklich allen gefällt. Popmusik, wie sie im Radio läuft, erreicht zwar eine große Masse an Menschen. Aber auch die finden nicht jedes Lied gut, das auf NDR 2 dudelt.

Trotzdem ist genau das das Ziel einiger Tonträgerfirmen. Vor allem in der Sommer-, aber auch in der Weihnachtszeit läuft die Produktion heiß. Damit eine möglichst große Zielgruppe erreicht wird, werden die Christmas-Songs häufig stark vereinfacht und wiederholend gestaltet. Um den typischen „Weihnachtseffekt“ zu erreichen, werden zudem die immergleichen Tonelemente verwendet, zum Beispiel Schlittenglöckchen oder die Klänge einer Celesta.

Auch reproduzieren neue Hits oft Motive aus bereits bestehenden Weihnachtsliedern, damit die Zuhörenden den Song direkt mit Weihnachten assoziieren. Genau deswegen werden Weihnachtslieder häufig als besonders repetitiv und nervig wahrgenommen. Dass Radiosender, Kaufhäuser und Supermärkte jedes Jahr die gleichen Songs aus den 80er- und 90er-Jahren auftauen, verstärkt diesen Effekt. Denn selbst das Lieblingslied wirkt nach dem 100. Mal Anhören abgedroschen und verliert den anfänglichen Charme. Und doch funktioniert Weihnachts-Pop irgendwie. Aber wieso denn jetzt?

Wieso funktioniert Weihnachts-Pop trotzdem so gut?

Die Weihnachtszeit ist für viele, auch unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit, eine Zeit der Nostalgie und des Wohlfühlens. Traditionen wie den Baum zu schmücken, Plätzchen zu backen und auf dem Weihnachtsmarkt Punsch zu trinken sind für viele ein Muss. Songs, die genau dieses Gefühl der Behaglichkeit einfangen und konservieren, sind deswegen ein Garant für positive Assoziationen. „Einige Stücke gefallen uns bereits der nostalgischen Effekte wegen“, schreibt auch Rogenmoser. Vor allem Lieder, die fest mit Weihnachten verankert sind, sind daher fast Selbstläufer.

Dass „Last Christmas“ und „All I Want For Christmas Is You“ dazu gehören, ist kaum bestreitbar. Denn neben modernen Weihnachtsliedern wie „Christmas Tree Farm“ von Taylor Swift, „24 to 25“ von Stray Kids oder „two queens in a king sized bed“ von Girl in Red finden auch die Klassiker von Wham! und Mariah Carey Platz auf vielen Weihnachts-Playlists. Auch wenn die ersten Töne bei vielen Augenrollen auslösen mögen, erfüllen die Songs nämlich ihr ganz einfaches Ziel: Weihnachtsstimmung auslösen. Und das ist, jedenfalls für die meisten, schließlich das Wichtigste.

Weihnachts-Pop vereint die Menschen. Auch, wenn es nur im kollektiven Genervtsein ist.

Von Marie Thielebörger


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Über den Autor/die Autorin:

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