Kommentar zu „Vanilla Girls“: Warum der Hype problematisch ist
Eine Tiktok-Ästhetik löst die andere ab: Kursiert hier noch der „that girl”-Trend, sind dort die „Vanilla Girls” schon die neuen It-Girls des Internets. Was steckt hinter dem Hype?
Wenn die Gen Z eines gut kann, dann bestimmte Lebensstile in Ästhetiken zu verpacken. 2020 waren es „E-Girls”, danach „soft girls”, und erst kürzlich galt der „that girl”-Trend. Das Original sind vermutlich die „VSCO girls”. Sie sind 2019 – nach der gleichnamigen Bildbearbeitungsapp benannt – mit Muschelketten und Hydro-Flask-Flaschen bekannt geworden. Diese von jungen Frauen für junge Frauen entwickelten Stile gehen in eine immer besorgniserregendere Richtung. Das zeigt der neueste Hype um das „Vanilla Girl” besonders anschaulich.
Beige, puristisch, ohne Persönlichkeit
Ein „Vanilla Girl” lässt sich recht einfach beschreiben. Die Farbpalette ist beige, weiß und creme. Das bezieht sich auf ihre Kleidung, Einrichtung, Ernährung. Die Trendanhängerin ist minimalistisch und puristisch, lebt ein gemütliches und unaufgeregtes Leben. Ihr Make-up ist möglichst natürlich, Hobbys sind Yoga, Kaffee trinken und Journaling, der cremefarbene Strickpullover ist von Ralph Lauren. Und: Natürlich duften Kerzen, Duschgel und sie selbst nach Vanille.
Online teilen Userinnen Produktlisten, Anleitungen und Beispiele für den Lebensstil. Hashtags wie #vanillagirlmakeup oder #vanillagirlbedroom bekommen Klicks wie kein anderer Trend momentan. Vanille wird umgangssprachlich als Inbegriff von Langeweile gesehen: Die Top-Definition von Urban Dictionary für „Vanille“ ist „unaufregend, normal, konventionell, langweilig.“ Das passt auch zu dem „Vanilla Girl”: Sie ist ohne einen Hauch von Persönlichkeit, hat keine Ecken und Kanten.
Patriarchales Weiblichkeitsideal
Genau da beginnt die Problematik des Trends. „Vanilla Girls” verkörpern eine stereotype Version von Weiblichkeit. Während „E-Girls” mit kreativem Make-up und besonderen Outfits auffielen, sind „Vanilla Girls” als unaufgeregte und zurückhaltende Frauen ein Traum des Patriarchats. Völlig frei von eigenen Interessen, ohne Ambitionen und ohne eigene Meinungen sind sie auf dem besten Weg, Hausfrauen zu werden. Schließlich beschränkt sich ihre gesamte Welt bereits jetzt schon auf ihr Zuhause.
Das passt zu einem anderem viralen Trend: dem „Stay at home Girlfriend“. Ähnlich wie Hausfrauen zeigen Userinnen hier ihren entspannten Alltag, den sie zu Hause und im Fitnessstudio verbringen und sich um ihren Freund kümmern – nur, dass sie eben nicht verheiratet sind.
„Vanilla Girls”: Weiß, reich, sorgenlos
Die Ästhetik hat noch eine zweite Problematik: Sie ist für weiße, schlanke Frauen der Mittel- und Oberschicht reserviert. Fast alle „Vanilla Girls” sind Blondinen, Make-up-Tutorials für BIPOCs gibt es nicht, auch auf Pinterest fallen alle Bilder in das Schema. Noch dazu können nur die mitmachen, die sich den Konsum der vorgeschriebenen Produkte leisten können. Wie schon bei anderen Ästhetiken beruht ein Großteil des Trends auf Kapitalismus. Ein Ralph-Lauren-Pullover ist ein Muss, ebenso wie das Dior-Lippenöl, flauschige Ugg-Boots und unschuldige weiße Brandy-Melville-Unterwäsche mit kleinen Schleifchen.
Warum Schwarze Frauen ausgeschlossen werden, lässt sich auf Ideale zurückführen, die seit dem Kolonialismus bestehen: Während Schwarze Frauen als wilde Wesen mit einem ausgeprägten Sexualtrieb charakterisiert wurden, galten weiße Frauen als keusch, fromm und zurückhaltend. Im Kern ist das „Vanilla Girl” genau das, was der Name verspricht: Die personifizierte Unschuld der weißen Frau, nur modernisiert mit passenden Outfits und Pinterest-Lebensstil.
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