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Kommentar: Die Tiktokifizierung der Musik ist gefährlich

Kommentar: Die Tiktokifizierung der Musik ist gefährlich
Foto: Unsplash/Solen Feyissa

Tiktok beeinflusst die Musikindustrie immens – von Songs in doppelter Geschwindigkeit bis zu Tracks, die von vornherein als Tiktok-Sound produziert werden. Das birgt auch Gefahren, meint MADS-Autorin Marie.


Der Sound von Meghan Trainor hat sich seit ihrem Durchbruch 2014 kaum verändert. Und doch klang vor allem ihre jüngste Single „Mother“ schon wie ein Tiktok-Sound, bevor sie die App überhaupt erreichte. Die Zeile „I am your mother / you listen to me“ ist darauf programmiert, viral zu gehen. Doch damit ist Trainor nicht allein: Mabel singt in „Tick Tock“ zwar laut der Lyrics vom Ticken einer Uhr, es hört sich aber an, als würde sie den App-Namen beschwören. Gayles „abcdefu“ , Mae Stephens‘ „If We Ever Broke up“ und „Twinkle Twinkle“ von Leah Kate passen ebenso in diese Kategorie.  

Singles statt Alben

Seit klar ist, welchen massiven Einfluss die App auf die Musikindustrie hat, reißen sich Künstlerinnen und Künstler beinahe darum, zum nächsten Trend zu werden. Das treibt eine momentane Entwicklung auf die Spitze: Statt Alben zu produzieren, veröffentlichen Artists eine Single nach der anderen. Das zeugt von verkürzten Aufmerksamkeitsspannen, ebenso wie die Speed-up-Versionen zahlreicher Songs.

Das beeinflusst nicht nur das Songwriting (unspezifische Zeilen und Ohrwürmer müssen her), sondern auch die Struktur. Die meist 15-sekündigen Videos benötigten eine besondere Dramaturgie, etwa ein elfsekündiges Intro mit viersekündigem Höhepunkt, sagte ein Analyst gegenüber „Deutschlandfunk“. Richteten sich Tracks nach diesen Grundsätzen, wirke der gesamte Song jedoch oft etwas unstimmig oder repetitiv.

Spotify-Plays im neunstelligen Bereich

Dass Musikerinnen und Musiker die Macht Tiktoks nutzen, um Geld zu verdienen, ist verständlich. Wer bei Tiktok viral geht, hat am nächsten Tag Spotify-Plays im neunstelligen Bereich. Gerade für Newcomer stellt die Plattform eine große Möglichkeit dar, Bekanntheit zu erlangen. Für etablierte Künstlerinnen und Künstler bieten sich auch Kooperationen mit Influencern an. So hat Meghan Trainor für ihren Song eine Tanz-Challenge ins Leben gerufen – gemeinsam mit einem Account, der 2,5 Millionen Follower durch genau solche Tänze gesammelt hat.

@meghantrainor

When @brookieandjessie fly to Australia to teach you the #mother dance 😭🥹😍 #iamyourmother

♬ Mother – Meghan Trainor

Erstmals in der Musikgeschichte wird damit die klare Rollenverteilung von Produzent und Konsument aufgebrochen. Tiktok-User können mit den Sounds und Ausschnitten interagieren, ihre selbst choreografierten Tänze schaffen es oft in die Live-Performances. Das ständige Rekombinieren, neue Kontextualisieren und Verändern eröffnet einen nie zuvor existierenden Raum.

Tiktok: Dauerbeschallung und kurze Aufmerksamkeitsspannen

Die Problematik bleibt aber bestehen: Wenn Songs kalkuliert für die Algorithmen und Trends einer App geschrieben werden, geht es nicht mehr um Kunst oder Expressivität. Stattdessen liegt der Fokus auf Kurzlebigkeit und dem Momentum einer Plattform, die auf Dauerbeschallung und kurzen Aufmerksamkeitsspannen basiert.


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Über den Autor/die Autorin:

Marie Bruschek

Marie (20) studiert Weltliteratur. Wenn sie nicht gerade schlechte Wortwitze macht oder sich zum zehnten Mal Mamma Mia anguckt, schreibt sie für MADS über alles, was sie gerade interessiert.

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