Seite auswählen

Werbung

Pro & Contra zur Musikindustrie: Einzelne Singles ersetzen die Albenkultur

Pro & Contra zur Musikindustrie: Einzelne Singles ersetzen die Albenkultur
Foto: Unsplash/Sean Benesh

Bis zu 100.000 neue Songs täglich allein auf Spotify – immer mehr Menschen nutzen digitale Plattformen zum Veröffentlichen eigener Musik. Hier wird ein deutlicher Trend bemerkbar: Einzelne Singles lösen zusammenhängende Alben ab. MADS-Autorin Annika und MADS-Autor Amir diskutieren die Licht- und Schattenseiten dieser Entwicklung.


Pro: Singles als Budgetschoner und Möglichkeit zum Experimentieren

Zusammenhängende Alben haben für Musik-Fans einen gewissen Reiz. Insbesondere Menschen, die mit ihren Lieblingsalben wichtige Erinnerungen oder Erlebnisse verbinden, verstehen die Liebe zum Musikalbum. Mit dem Zeitalter des digitalen Streamings hat sich die Musikindustrie jedoch grundlegend verändert – wer als Musikerin oder Musiker erfolgreich sein will, sollte mit der Zeit gehen. Heißt im Umkehrschluss: Insbesondere zu Beginn der eigenen Musikkarriere lieber auf Alben verzichten und stattdessen Singles releasen. Was zunächst nach einem Zwang zur Anpassung klingt, verschafft Artists jedoch einige Vorteile, denn alleinstehende Singles bieten sowohl finanzielle als auch künstlerische Freiheiten.

MADS-Autor Amir. Foto: privat

Musik produzieren, veröffentlichen, bewerben – all das kostet Geld. Speziell für Newcomerinnen und Newcomer kann sich die Finanzierung des eigenen Hobbys schwierig gestalten. Vor allem dann, wenn Gewinn übrigbleiben soll, mit dem irgendwann das alltägliche Leben finanziert werden kann. Wo die Produktion eines gesamten Albums also beinahe unmöglich erscheinen kann, hilft die aktuelle Tendenz zu Single-Releases: Geringere Kosten bergen geringeres Risiko. Wer den Traum vom Musiker-Dasein verfolgen möchte, kann klein anfangen und nach und nach Singles veröffentlichen. Doch nicht nur für Newcomerinnen und Newcomer ist weniger Risiko erstrebenswert, denn letztendlich wollen auch bereits erfolgreiche Musikschhaffende ihr Budget so gut wie möglich einsetzen. Gut nachvollziehbar also, dass viele Artists mittlerweile zur Singles-Tendenz beitragen.

Auch auf künstlerischer Ebene bieten Singles gegenüber Alben ein gewisses Maß an Freiheit. Im klassischen Sinne sollte ein Album einen roten Faden besitzen, alle Songs sollten im besten Falle also klanglich, qualitativ und inhaltlich miteinander harmonieren, um das Projekt sinnvoll zu verbinden. Auch wenn sich viele Artists der Herausforderung einer guten Albumproduktion gern stellen, kann der Charakter eines derartig zusammenhängenden Projekts die Musikerinnen und Musiker auch einschränken. Statt beispielsweise 16 Songs mit zusammenhängendem Klangbild und Inhalt in einem Album zusammenzufassen, können sich Artists mit dem nötigen Budget völlig frei entfalten und 16 Einzelwerke veröffentlichen. 16 komplett unterschiedliche Inhalte, eingebettet in 16 komplett unterschiedliche Sounds – ohne Zwang zur Beschränkung.

Von Amir Khalifa

Contra: Musik wird in der Gesamtheit zur Kunst

Die Welt ändert sich, der Musikmarkt zieht mit neuen Möglichkeiten und Gegebenheiten mit. Niemand kann es Musikerinnen und Musikern verübeln, Geld mit ihrer Arbeit verdienen zu wollen. Doch wenn es um die Sache an sich geht, wird eines doch verhältnismäßig häufig übersehen: Musik ist Kunst. „Ja, natürlich“, würden jetzt die meisten Leute direkt zustimmend sagen – und doch muss man sich die Aussage wohl zweimal durch den Kopf gehen lassen, um sie wirklich zu verstehen.

In ihrer Zugänglichkeit ist Musik zum Massenmedium geworden. Playlists, Tiktok-Sounds, Radio, Supermarkt – überall sind Melodien. Dass Songs an jeder Ecke verfügbar sind, ist toll, um neue Sachen kennenzulernen. Doch gleichzeitig geht so ein Stück von ihrem Wert verloren. Nicht, dass man keine Musik auf diese Art konsumieren sollte oder ein einzelner Song nicht für sich stehen kann! Es ist einfacher denn je, Fan zu sein. Und auch für die Musikerinnen und Musiker ergibt es Sinn, potenzielle Hits gesondert zu vermarkten. Doch einmal in den Bann gezogen, ist es schade, wenn das Gesamtwerk – sofern es existiert – ignoriert wird – schließlich sind Singles aus ihrem Kontext gerissen.

MADS-Autorin Annika. Foto: privat

Wenn man etwas mag, ist doch gerade das Weiterdenken interessant: Ist die Ballade, die überall spielt, vielleicht eine Ausnahmeerscheinung auf ihrem Album? Ist der Hit, den wir alle unterbewusst summen, ein Opener oder steht er eher in der Mitte einer Platte? Alben als Gesamtwerk sind eine Form von Medium, die durch den neuen Musikmarkt immer mehr in den Hintergrund gerät. Dabei bieten sie so viel mehr als nur zehn, zwölf Songs hintereinander. Wie sind die Reihenfolge, die Übergänge, die Steigerung? Wird eine Geschichte erzählt? Gibt es verschiedene Einflüsse? Wie wirkt dieser eine tolle Song in der Fülle anderer Lieder?

Es ist nicht rückwärtsgewandt, an Alben als alter Musikform festzuhalten. Eigentlich ist die Wertschätzung des großen Ganzen ebenso ein Verlangen nach mehr wie der schnelllebige Streaming-Markt. Die wenigsten Menschen würden schließlich einzelne Kapitel aus Büchern lesen oder diese in der Mitte beginnen. Ebenso erschließen sich manche Kunstwerke erst im Kontext des Gesamtwerks eines Künstlers oder zumindest im Rahmen einer Reihe. Und wo ist der Unterschied? Musik ist doch auch Kunst – in ihrer Gesamtheit.

Von Annika Eichstädt


Lies auch:


Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

Poste einen Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

UNSERE MADS-PARTNER

Jetzt zum MADS-Newsletter anmelden

Jetzt zum MADS-Newsletter anmelden

Laufend die neuesten Artikel direkt in deine Mailbox -bequemer geht's nicht. Melde dich schnell und kostenlos an!

Du bist erfolgreich angemeldet