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Juniorstudium: Schon während der Schule Uni-Luft schnuppern

Juniorstudium: Schon während der Schule Uni-Luft schnuppern
Foto: Unsplash/Dom Fou

In der Schule kann man sich oft noch nicht vorstellen, wie ein Studium später abläuft. Helfen kann ein Juniorstudium. Im Interview mit MADS teilen zwei Mathematik-Juniorstudenten ihre Erfahrungen.


Per und Laurin sind beide 17 Jahre alt und besuchen zurzeit die 12. Klasse eines Gymnasiums in der Region Hannover. In der Astrophysik-AG ihrer Schule lebten sie schon länger ihre Begeisterung für Mathematik und Physik aus. Im vergangenen Jahr haben sie dann zwei Semester lang als Juniorstudenten Mathematik studiert.

Was ist das Juniorstudium?

Das Angebot des Juniorstudiums ist an deutschen Universitäten weit verbreitet. Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler der zehnten bis 13. Klasse, die während der Schulzeit bereits an einem richtigen Studiengang teilnehmen wollen. Von Mathematik über Architektur bis hin zu Rechtswissenschaften sind hier alle Interessen vertreten. Voraussetzung für die Teilnahme sind oft sehr gute schulische Noten und eine Bewilligung der Schulleitung. Auch für Auszubildende, FSJ/FÖJ/FWJ-Leistende und Bundesfreiwilligendienstleistende ist das Angebot nutzbar.

Juniorstudierende können semesterweise an ausgewählten Lehrveranstaltungen teilnehmen und teils sogar Klausuren schreiben. Das Juniorstudium ist kostenlos und kann jederzeit abgebrochen werden. Die Leibniz Universität Hannover wirbt vor allem damit, potenziellen Studierenden einen Einblick in den Uni-Alltag zu gewähren und dadurch der späteren Wahl eines ungeeigneten Studiengangs vorbeugen zu können. Deckt sich dies mit den Erfahrungen der beiden Juniorstudenten?

Foto: Unsplash/Lu Moreno

Juniorstudium: So funktionieren Vorlesungen und Klausuren

Wie das Juniorstudium genau abläuft, hängt vom jeweiligen Studiengang ab. „Das Mathe-Grundstudium beispielsweise besteht hauptsächlich aus Analysis und linearer Algebra, also zwei Hauptveranstaltungen“, berichtet Laurin. Als Juniorstudent nehme man nur an einer teil – Laurin und Per entschieden sich für Analysis. Diese gliedert sich in zwei Vorlesungen und eine Übung von jeweils 90 Minuten pro Woche.

Anders als Laurin besuchte Per aus zeitlichen Gründen nur eine Vorlesung und die Übung. Wie oft man die Uni besucht, sei jedem Juniorstudenten nämlich freigestellt. Allerdings erhalte man nur bei 80-prozentiger Anwesenheit eine Teilnahmebescheinigung. „Das ist ähnlich wie auch in der Oberstufe mit der 80-Prozent-Regel“, erklärt Per.

Eine weitere Regel speziell von ihrem Professor habe sich bei den Hausübungen ergeben. „Das sind immer so 13/14 Übungszettel mit Aufgaben“, sagt Laurin. Nur bei durchschnittlich 50 Prozent der Punkte in allen Übungsaufgaben erhalte man die Studienleistung, die zur Klausurteilnahme berechtigt. Die Klausuren haben beide erfolgreich bestanden und damit auch die Semester, was die Uni den beiden bescheinigt. Selbstständig könne man das in einen richtigen Schein umwandeln lassen, der grundsätzlich in Deutschland anerkannt wird. „Wenn ich dann beispielsweise irgendwas studiere, in dem Analysis vorkommt, brauche ich das nicht noch mal machen, weil mir das angerechnet wird“, erklärt Laurin.

Neue Kontakte oder Außenseiterrolle?

Richtiger Uni-Alltag bedeutet auch, dass Juniorstudierende im Wintersemester vorwiegend mit Erstsemestern und im Sommersemester mit Zweitsemestern in denselben Vorlesungen sitzen. „Die gucken einen vielleicht ein bisschen komisch an, aber am Ende interessiert es die auch nicht wirklich“, berichtet Per. Gerade im Wintersemester habe der Anteil an Juniorstudierenden höher gelegen, wenn auch weiterhin gering im Vergleich zu den normalen Studierenden. 

Zu Beginn habe Per durch zwei Besuche in der Denkwerkstatt – dort bieten Studierende aus höheren Semestern ihre Unterstützung an – noch mehr Kontakt zu Studierenden gehabt. Doch der logistische Aufwand habe sich dafür nicht gelohnt. Der Austausch mit älteren sei danach wie bei Laurin gering gewesen – hauptsächlich wegen der wenigen gemeinsamen Vorlesungen und des Altersunterschieds. Anders war es mit den anderen Juniorstudenten. „Wir waren quasi so unsere kleine Studentengruppe“, sagt Per. Gemeinsam haben sie sich zum Beispiel über Aufgaben beraten. 

Entgegen aller Vorurteile sei das Verhältnis zum Professor „überragend“ gewesen, berichten Laurin und Per. Beide betonen seine Hilfsbereitschaft bei Fragen oder privateren Anliegen rund um die Uhr. „Der Professor nimmt sich auch wirklich die Zeit“, sagt Laurin, räumt aber ein, dass andere Lehrende wahrscheinlich weniger Engagement zeigen würden.

Foto: Unsplash/Annie Spratt

Zwischen Schule und Uni 

Für Per und Laurin war das Juniorstudium mit langen Anfahrtswegen verbunden. Vorlesungsbesuche, die ohnehin anstelle des Schulunterrichtes stattfanden, kosteten noch mehr Zeit. „Für 90 Minuten bist du mindestens drei Stunden weg“, sagt Per. Der verpasste Schulunterricht inklusive Hausaufgaben musste natürlich nachgearbeitet werden – meist auf dem Weg zur Uni oder Schule, teils auch am Wochenende. 

In der Uni selbst „gab es einen Haufen an Hausaufgaben, die man eigentlich die ganze Zeit gemacht hat“, berichtet Per. Laurin war jede Woche etwa 15, Per acht bis zehn Stunden mit dem Juniorstudium beschäftigt. Natürlich verringerte dies die Freizeit erheblich, doch beide haben weiterhin Zeit für Hobbys und Freunde gefunden. 

Den zeitlichen Mehraufwand kompensierte Laurin mit weniger Aufmerksamkeit für die Schule – geschadet habe es seinen schulischen Leistungen aber nicht. Trotz einer noch lockeren Einstellung zu Beginn des Juniorstudiums, entwickelte er im Verlauf mehr Ehrgeiz. „Ich habe mir da selber schon ein bisschen Druck gemacht.“ Dennoch sei für ihn immer klar gewesen, dass er bei zu hoher Belastung die Uni zuerst aufgeben würde. Per hingegen habe weniger Leistungsdruck verspürt. Denn er wusste, dass er die fehlende Hälfte der Vorlesungen sowieso später einmal wiederholen müsse. Bei der Schule habe er sich dagegen mehr Druck gemacht, trotz Studiums nicht zurückzufallen.

Foto: Unsplash/Anoushka Puri

Lohnt sich das Juniorstudium?

Per und Laurin sind beide vom Konzept des Juniorstudiums überzeugt. „Es war schon ein sehr guter Einblick, auch wenn das vom Aufwand her nur die Hälfte des kompletten Mathe-Studiums war“, meint Per. Die Gewöhnung an das Pensum sei aber nicht zu unterschätzen. „Es ist doch anders als Schule. Wenn du deine Sachen nicht machst, bist du selbst schuld.“ Genau deshalb seien Disziplin und Interesse, aber auch Ausdauer und viel Zeit wichtige Voraussetzungen. 

Besonders für das Fach Mathematik ist laut Laurin auch Offenheit entscheidend. Die Unterschiede zwischen Uni- und Schulmathematik seien nämlich enorm. „Schulmathematik ist der Fußball, während die Uni-Mathematik das ganze Stadion ist“, sagt Per. Es sei ein ganz anderes Vorgehen in der Uni, das sich eher auf allgemeine Beweise statt konkrete Beispiele konzentriere, was für beide zunächst eine große Umstellung war. 

Viele schreckt genau diese Abstraktion später im Mathematik-Studium ab, wodurch sich immer noch eine der höchsten Abbruchquoten für diesen Studiengang ergibt. Die Möglichkeit, schon vor einem richtigen Studium damit in Berührung zu kommen, erscheint somit sinnvoll. Per und Laurin wurden in ihrem Plan, Mathematik zu studieren, sogar noch bestätigt. 

Von Chiara Heims


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

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