Frauenfeindlichkeit im Deutschrap: Die Szene hat ein Problem
Chauvinistische Aussagen, Vergewaltigungsvorwürfe und Lines, die sexuelle Gewalt verherrlichen: Frauenfeindlichkeit im Deutschrap ist ein Problem. Doch wie kann sich das ändern? Ein Kommentar.
Braucht die Deutschrap-Szene eine eigene #MeToo-Bewegung? Diese Frage dominiert aktuell den Diskurs um den deutschen Hiphop – angestoßen von den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Samra. Influencerin Nika Irani wirft dem Rapper vor, er habe sie vergewaltigt. Samra weist die Anschuldigungen zurück: Er sei „kein Gentleman“ gewesen, vergewaltigt habe er sie aber nicht. Außerdem kündigt er eine Anzeige an: „Da sich diejenige, die mich beschuldigt, weigert, die Angelegenheit zur Anzeige zu bringen, sehe ich mich gezwungen, den Sachverhalt von der Staatsanwaltschaft klären zu lassen.“
Ob die Vorwürfe stimmen, muss also die Justiz klären. Dennoch steht eins sicher fest: Die Deutschrap-Szene hat ein Problem mit Frauenfeindlichkeit – und das spitzt sich weiter zu. Diese Entwicklung zeigt sich unter anderem in Aussagen von Rappern wie Bonez MC, der immer wieder an der Spitze der Charts landet. „Frauen, die Schach spielen, sind sexy“, schrieb der Rapper 2020 in seiner Instagram-Story. „Frauen, die ein Instrument spielen oder kochen können, sind sexy! Heutzutage können Frauen nix, außer wie ein Opfer mit Shisha-Schlauch und Filter in der Fresse Selfievideos machen.“
Auch Rapper Nimo fiel in einem gerade erst veröffentlichten Song durch Aussagen auf, die sexuelle Gewalt verherrlichen: „Ich f*** sie fast tot, sie liegt im Wachkoma.“ Darf man Lines wie diesen noch unbedarft zuhören und lässig mit dem Kopf zum Beat wackeln? Nein. Zumindest dann nicht, wenn man die Frauenverachtung im Deutschrap nicht unterstützen möchte.
Wo liegt die Grenze?
Frauen als Accessoires und Männer, die sich durch ihre Stärke profilieren: Zahlreiche Tracks zeichnen sich durch Geschlechter-Klischees aus. Ziemlich sexistisch, keine Frage. Doch damit hebt sich der Deutschrap noch längst nicht von allen anderen Genres ab. Egal ob Schlager oder Pop – noch immer verharren etliche Songs in einem unreflektierten Gemisch aus Stereotypen. Sexistische Texte zu hören kann jedoch okay sein, solange die Texte beim Hören eingeordnet und hinterfragt werden.
Schwieriger ist es bei Textzeilen, die sexuelle Gewalt verherrlichen. Spätestens hier sollten auch die Musiklabels klare Zeichen setzen. Immerhin: Nach einer Welle der öffentlichen Wut entschuldigte sich Universal auf Instagram für das Veröffentlichen von Nimos Song und löschte den Track von den Plattformen.
Doch reicht das? Labels wie Universal arbeiten mit Rappern zusammen, die immer wieder frauenverachtende Inhalte in ihrer Musik verbreiten. Wirkliche Konsequenzen gab es bislang kaum. Auf lange Sicht fördert das Frauenhass.
Die Unterstützung und Vermarktung solcher Rapper schadet dem Image der Deutschrap-Szene. Denn längst nicht alle Rapper und Rapperinnen stellen sich hinter Samra, Nimo und Co. Shirin David etwa positioniert sich eindeutig. „Das Beschissene ist zudem, dass ich den Künstler, der aktuell unter diesen Vorwürfen steht […], in meiner kommenden zweiten Single in einem positiven Zusammenhang erwähnt habe“, schrieb sie in ihrer Instagram-Story, nachdem Nika Irani die Vorwürfe öffentlich machte. „Diese Line/Aussage werde ich streichen und nicht veröffentlichen.“
Instagram-Kanal hilft Opfern bei der Vernetzung
Ob ein kurzer Aufschrei auf Instagram die frauenverachtenden Dynamiken der Deutschrap-Szene ändern kann, bleibt fraglich. Es braucht eine langfristige Bewegung, die sich gegen die Verherrlichung von Frauenhass und sexueller Gewalt stark macht. Genau das könnte nun auch passieren: Auf Instagram ist der Kanal @deutschrapmetoo entstanden. Menschen, die sexuelle Übergriffe in der deutschen Hip-Hop-Szene erlebten, sollen sich auf dieser Plattform vernetzen. Gemeinsam haben Opfer und Unterstützer bessere Chancen, Druck auf die Deutschrap-Szene auszuüben.
Bewegungen wie #metoo können auf diese Weise große Konzerne und Labels in die Verantwortung nehmen, die veröffentlichten Inhalte genauer zu prüfen. Statt also ausschließlich die Verantwortung auf die Hörer und Hörerinnen zu verlagern und von ihnen zu verlangen, das Gehörte ständig zu analysieren und einzuordnen, greift die Bewegung den Ursprung an. Ein wichtiger Schritt, den die Deutschrap-Szene nun auf jeden Fall gehen muss.