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„Emily in Paris“: Staffel drei ist belangloser denn je

„Emily in Paris“: Staffel drei ist belangloser denn je
Foto: Marie Etchegoyen/Netflix

Trotz mieser Bewertungen von Publikum und Kritikerinnen und Kritikern ist nun schon die dritte Staffel „Emily in Paris“ erschienen. Auch die neuen Folgen erzählen die Geschichte der amerikanischen Marketing-Angestellten Emily und ihrer Abenteuer in der französischen Hauptstadt. Dabei bietet die Serie keine wirklichen Gründe für die Weiterführung.


Das Potenzial für Spannung war eigentlich da. Staffel zwei der Netflix-Serie „Emily in Paris“ endete mit der Kündigung aller Angestellten der Marketing-Firma Savoir. Offen blieb Emilys (Lily Collins) Entscheidung: Bleibt sie bei ihrer amerikanischen Chefin Madeline (Kate Walsh) oder schlägt sie sich auf die Serie der französischen Kollegen rund um Sylvie (Philippine Leroy-Beaulieu)? Ihr Liebesleben – der zweite große Teil der Serie – war hingegen klarer definiert: Emily ist mit Alfie (Lucien Laviscount) zusammen, Koch Gabriel (Lucas Bravo) hat nach wie vor Freundin Camille (Camille Razat). So weit, so gut – doch nun müssen ja zehn weitere Folgen gefüllt werden.

Liebesgeschichte verschwindet aus dem Fokus

„Everything is just such a mess right now, except for this“, deklariert Emily in der dritten Folge gegenüber Alfie – und scheint sich dabei selbst nicht richtig zuzuhören. Zwar wird ihr Liebesleben nicht mehr so chaotisch inszeniert wie zuvor, stattdessen wandern Emilys Beziehungen zu Männern gänzlich auf die Ersatzbank. Alfies Existenz in der Serie ist die perfekte Personifizierung des Phänomens: In Staffel zwei als eine Art Nebenbuhler neben Gabriel eingeführt, ist er nun Emilys fester Freund. Das heißt allerdings nicht, dass die beiden Dinge unternehmen würden oder weiterhin Chemie bestünde. Alfie ist zum Konzept geworden. Die Serie und die Figuren behandeln ihn trotz viel Screentime wie eine Nebenfigur.

„Emily in Paris“ zielt seit Beginn auf Emily und Gabriel als Pärchen ab. Offenbar wissen die Figuren selbst, dass Emily und Alfie die Serie nicht gemeinsam beenden werden – sie scheinen ebenfalls nur darauf zu warten, dass er von der Bildfläche verschwindet. Praktisch also, dass er für einige Folgen nach London abreist und erst mal nicht weiter erwähnt werden muss. Raum für Gabriel bleibt allerdings ebenfalls nur noch, wenn der Serie ansonsten der Plot ausgeht.

Emily und Alfie. Foto: Stéphanie Branchu/Netflix

Selbsterkenntnis – aber nicht so richtig

Die Serie versucht, sich als selbstreflektiert zu inszenieren, gibt an, zu lernen. Irgendwie tut sie das auch: Die kulturellen Fettnäpfchen fehlen, mangelnde Französischkenntnisse bringen Emily weniger in Schwierigkeiten. So sind es in Staffel drei nicht ausschließlich die Fehler der Protagonistin, die das Drama entfachen. Einige ihrer Intentionen werden einfach von Dritten hinderlich ausgelegt. Doch so häufig, wie das vorkommt, sollte Emily vielleicht lernen, nicht ständig über ihre Arbeitspläne zu reden – sie wird sogar von ihrem näheren Umfeld häufig genug darauf hingewiesen.

Damit zeigt sich allerdings immer wieder, dass die Fassade bröckelt. In Staffel eins noch in seliger Unwissenheit, was die eigene Anstößigkeit angeht, ist die Serie in der dritten Staffel zur Selbsterkenntnis übergegangen. An einigen Stellen funktioniert das: Emilys Freundin Mindy (Ashley Park) kommentiert, dass Emily immer weniger bei Social Media postet – nur sägen die Serienschaffenden den Ast, auf den sie mit diesem Witz über ihr eigenes Vergessen sitzen, ab, indem sie Emilys Influencertum kurz darauf als reines „plot device“ aus dem Nichts zurückholen. So ganz scheint die Serie einfach nicht zu wissen, wo sie hin will und wie dieses Ziel erreicht werden kann. Das zeigt sich auch in der Darstellung der Medien: Emily streamt bei 113.600 Followerinnen und Followern mitten am Arbeitstag mit unrealistischen 18.900 aktiven Zuschauerinnen und Zuschauern, die Schriftart und Darstellung von Textnachrichten auf dem Bildschirm ändert sich ständig, sogar Satzzeichen sind teilweise falschrum dargestellt.

Auf der Suche nach der Handlung …

Solche Fehlerchen wären verzeihlich, wenn dafür mehr Energie in die Handlung geflossen wäre. Doch die ist in Staffel drei von „Emily in Paris“ kaum mehr existent. Man kann Emily viel vorwerfen, doch zielstrebig war die Figur immer. In den neuen Folgen fehlt das. Streicht man die ersten drei Episoden, deren unspektakulär abgeschlossener Handlungsbogen ohne Konsequenzen bleibt, wird man mit sieben Folgen zurückgelassen, die ohne roten Faden vor sich hindümpeln. Emily hat einen Job, einen Freund, verfolgt Gabriel nicht mehr so richtig, und auch Bonding-Momente mit Mindy fehlen.

Camille, Gabriel und Emily gemeinsam unterwegs. Foto: Stéphanie Branchu/Netflix

Das Skript scheint von Folge zu Folge geschrieben, das Hin und Her und der Mangel an bedeutsamen Szenen lassen das Publikum den Bezug zu den Figuren verlieren. Dazu werden ständig neue Probleme erfunden, die ausreichen, um für kurze Zeit als Nebenhandlungsstrang zur nicht existenten Haupthandlung zu beschäftigen, aber nicht genug sind, um wirkliche emotionale Bindung aufzubauen. Beispiele dafür sind Beziehung von Gabriel und Camille, Emilys Kollegen Luc und Julien, die ewig Beiwerk sind, oder Madeline, deren amerikanische „over the top“-Art durch die Schwangerschaft und den folgenden Baby-Stress sogar fast verständlich wird. Dazu passen Erzählgeschwindigkeit und Motivationen nicht richtig, aber die Serie ist auch nicht mehr so peinlich wie noch zu Beginn. „Emily in Paris“ ist in Staffel drei belangloser denn je.

„Emily in Paris“: Kunterbunte Alternativwelt

Warum also schaut man „Emily in Paris“ nach wie vor? Ein Warten auf weitere Fehltritte wird es nicht sein – schließlich ist es gut, dass die Serie nicht weiterhin mit Rassismus um sich schmeißt. Dementsprechend beschränkt sich der Grund für das Hate-Watching wohl auf „all vibes, no plot“ – die Serie ist perfekt, um das Hirn abzuschalten. Auf keinen Fall darf man „Emily in Paris“ als Abbildung einer Realität wahrnehmen, die Serie ist viel eher eine Alternativwelt voller übertriebener Outfits und bunter Sets. Gemeinsam mit den wirren Handlungssträngen ist sie albern genug, um zu unterhalten. Und das eben vor schönerer Kulisse, als andere Serien sie schaffen.

Alle Folgen von „Emily in Paris“ sind auf Netflix verfügbar. Eine vierte Staffel ist bereits bestätigt.


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Über den Autor/die Autorin:

Annika Eichstädt

Annika (24) macht ihren Master in Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft. Das ist zwar brotlose Kunst, aber sie liest oder schreibt nun einmal den ganzen Tag. Bei MADS rezensiert sie am liebsten Musik oder Serien.

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