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Ein Leben ohne Haare: Anjoula klärt über ihre Erkrankung Alopecia auf

Ein Leben ohne Haare: Anjoula klärt über ihre Erkrankung Alopecia auf
Foto: Thilo Rohleder

Spätestens durch den Ohrfeigen-Eklat rund um Will Smith bei der Oscar-Verleihung haben viele von der Krankheit Alopecia erfahren. Wie lebt es sich als junge Frau ganz ohne Haare? Anjoula Hummel hat uns ihre Geschichte erzählt.


Braune oder grüne Haare oder doch eine Glatze? Mittlerweile trägt Anjoula Hummel alles gerne. Die 26-Jährige ist von der Autoimmunerkrankung Alopecia betroffen – übersetzt kreisrunder Haarausfall. Vor sechs Jahren entdeckte eine Freundin die ersten kahlen Stellen an ihrem Hinterkopf. Runde Flecken von der Größe eines Zweieurostücks – ein typisches Anzeichen der Erkrankung. Zuerst dachte sich Anjoula noch nichts dabei. Doch nach einiger Zeit merkte sie, dass ihre Haare auch an der Stirn weniger wurden. An ihrem Hinterkopf entdeckte ihre Mutter weitere kahle Stellen, nun schon in der Größe eines Tennisballs. Das sei erst mal ein ganz schöner Schock für beide gewesen, erzählt Anjoula. Anschließend sei sie bei ihrem Hausarzt gewesen. Die Diagnose: Alopecia. 

Mit kleinen kahlen Stellen am Hinterkopf fing es an. Foto: Anjoula Hummel

Anfangs versuchte Anjoula noch, die kahlen Stellen mithilfe eines Seitenscheitels oder bestimmter Frisuren zu verdecken. Als das nicht mehr funktionierte, trug sie Tücher. Jedes Mal, wenn sie rausging, hatte sie Angst, das Tuch könne verrutschen und jemand könnte ihren Haarausfall bemerken. Im Jahr 2018 wuchsen ihre Haare dann noch einmal nach. Sogar so weit, dass sie sich wieder traute, ohne eine Kopfbedeckung in die Öffentlichkeit zu gehen. Nach einiger Zeit fielen Anjoulas Haare allerdings erneut sehr schnell aus. Mittlerweile hat die Studentin universale Alopecia. Das bedeutet, Anjoulas ganzer Körper ist betroffen. Sie hat keine Wimpern und Augenbrauen und auch keine Körperbehaarung mehr. 

Alopecia: Schöner mit Glatze

In der ersten Zeit habe es ihr viel Selbstbewusstsein genommen, keine blonden, vollen Haare mehr zu haben, erzählt Anjoula. Sie hatte das Gefühl, weniger Wert zu sein, weil sie nicht mehr dem gesellschaftlichen Idealbild entspreche. Gleichzeitig war sie hilflos. Alopecia sei noch weitgehend unerforscht. Eine richtige Heilungsmethode gebe es nicht, sagt sie. Kortisonsalbe, Kräutertees oder auch Massagegeräte für die Kopfhaut habe sie ausprobiert – im Endeffekt habe sie das aber eher gestresst, als dass es geholfen hätte. 

Anfang 2019 entschied sich Anjoula, ihre restlichen Haare abzurasieren. Das sei ein extremer Schritt gewesen, aber es habe sich sehr befreiend und erleichternd angefühlt, erinnert sie sich. In der Öffentlichkeit zeigte sich Anjoula allerdings nur mit Perücke und ließ sich per Mikroblading permanente Augenbrauen aufzeichnen. Sie wollte gerne aussehen wie vor der Erkrankung. Bis zu einem Fotoshooting im Jahr 2020. Auf den Fotos fand sie sich ohne Haare schöner als mit Perücke. Sie hatte das Bedürfnis, diese Bilder anderen zu zeigen, ganz sie selbst zu sein und sich nicht mehr zu verstecken.

Also entschloss sie sich dazu, ihren Haarausfall mit einem Bild auf ihrem Instagram-Account @anjoulaaa öffentlich zu machen. Sie sei lange nicht so aufgeregt gewesen wie vor diesem Post, erinnert sich Anjoula. Sie habe am ganzen Körper gezittert, als sie auf Teilen drückte. Die Reaktionen auf ihren Post seien nur positiv gewesen. Stundenlang hätte sie sich anschließend die Kommentare durchgelesen und Nachrichten und Anrufe von Freunden beantwortet, erzählt sie lächelnd. 

Grüne Haare, gelbe Augenbrauen

Seitdem macht es ihr Spaß, sich auszuprobieren, wandelbar zu sein. Das zeigt sie in kreativen Fotoshootings. Anjoula trägt immer noch gerne Perücken – auch mal grüne oder rote. Sie klebt sich Augenbrauen auf oder malt sich neonfarbenen Eyeliner. Mittlerweile ist es für sie normal, sich ganz ohne Haare in der Öffentlichkeit zu zeigen. Früher fand sie ihr Gesicht oft nackt und konnte sich im Spiegel fast nicht wiedererkennen. Heute zeigt sie sich bewusst auch mal ohne Augenbrauen und findet ihren Anblick mit Haaren sogar teilweise ungewohnt. Es sei ein langer Prozess gewesen, sagt Anjoula. Natürlich gebe es manchmal Tage, an denen sie mit sich zu kämpfen habe. Vor allem, wenn Menschen sie in der Öffentlichkeit anstarren, auf sie zeigen oder lachen. Dennoch könne sie heute selbstbewusst damit umgehen. Die Unterstützung ihrer Familie, ihrer Freunde und auch eine Therapie hätten sie dahin gebracht, wo sie heute ist. 

Foto: Thilo Rohleder

Mit ihrem Instagram-Account möchte Anjoula auf ihre Erkrankung aufmerksam machen, darüber aufklären und Haarausfall bei Frauen normalisieren. Zudem steht sie in Kontakt mit Betroffenen, die noch nicht so weit sind, sich öffentlich ohne Haare zu zeigen. Über die sozialen Medien habe sie eine ganze Community kennengelernt. Es helfe sehr, sich untereinander auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Repräsentationen in den Medien seien sehr wichtig, meint Anjoula. Das Schönheitsideal von Frauen müsse aufgebrochen werden. So habe es sie zum Beispiel emotional sehr berührt, als bei „Germany’s Next Topmodel“ 2020 erstmals eine Kandidatin mit Alopecia teilnahm. Für Anjoula war es schön zu hören, wie Kandidatin Julia von ihrer Krankheit erzählte, es habe auch sie selbst weiter ermutigt. 

Mehr Aufklärung nötig

Den Vorfall bei den diesjährigen Oscars sieht Anjoula zwiegespalten. Bei der Verleihung Ende März hatte Komiker Chris Rock einen Witz über Jada Pinkett Smith, die an Alopecia erkrankte Ehefrau von Will Smith, gemacht. Will Smith war daraufhin auf die Bühne gelaufen und hatte Rock geohrfeigt. Einerseits sei Gewalt nicht vertretbar, sagt Anjoula. Sie könne aber verstehen, wie emotional die Situation für Smith gewesen sein müsse, da er das Leiden seiner Frau jahrelang mit ansehen musste. Einen Witz über eine Erkrankung zu machen sei außerdem nicht in Ordnung.

Der Vorfall habe aber auch ein riesiges Medienecho ausgelöst. Anjoula freut, dass die Krankheit Alopecia nun viel mehr Aufmerksamkeit bekomme. Betroffene hätten Raum für Äußerungen bekommen. Die ganze Situation zeige dennoch, dass viel mehr über die Krankheit aufgeklärt werden müsse. Niemand dürfe wegen seines Aussehens ausgegrenzt werden, betont Anjoula.

Von Jette Ihl


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Über den Autor/die Autorin:

Jette Ihl

Jette (19) hat gerade Abitur gemacht und möchte bald Politikwissenschaften studieren, um Journalistin zu werden. Sie malt und tanzt gerne, kann sich aber auch stundenlang über Katzen-Memes totlachen. Für MADS schreibt sie über Politik, Feminismus und alles, was sonst gerade noch so aktuell ist.

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