Die Referendarin: Der Elternsprechtag
Helena (26) ist eine von rund 30.000 Lehramtsanwärtern in Deutschland. Was passiert eigentlich hinter der sagenumwobenen Lehrerzimmertür? Wie ist es, Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, die nur ein paar Jahre jünger sind als man selbst? Und wie kommt Helena mit dem Druck klar? Davon erzählt sie – unter Pseudonym – in ihrer MADS-Kolumne: die Referendarin.
Eine Frau Ende 40 sitzt mir mit erwartungsvollem Blick gegenüber und wartet auf meine Antwort. Was ihre Tochter denn gegen die Prüfungsangst tun könne, möchte sie wissen. Ich blicke verständnisvoll zurück und erzähle etwas von positivem Denken und davon, Ängste aufzuschreiben. Gleichzeitig betrachte ich das Gespräch quasi von außen: Was mache ich da gerade?
Der Elternsprechtag fühlt sich seltsam an. Da sitzt eine deutlich erfahrenere Frau vor mir und möchte doch meine Meinung hören. Nicht nur, wie sich ihre Tochter im Unterricht macht, sondern auch, wie sie die Prüfungsangst bekämpfen kann und wie die Mutter sie von den Videospielen wegbekommt. Von mir, 26 Jahre alt, gerade der Uni entschlüpft und selbst Zockerin. Ich soll dieser Frau Ratschläge zur Erziehung geben? „Also bei meinen Sims mache ich es immer so …“, witzele ich in Gedanken – und fühle mich wie eine Betrügerin.
Tipps von erfahreneren Lehrkräften
Ein schlechtes Gefühl habe ich auch beim nächsten Gespräch. Diese Mutter ist im Lehrerzimmer bereits bekannt dafür, ihren Sohn völlig zu überschätzen. Der ist sehr engagiert, schreibt seitenlange Hausaufgaben. Er gibt alles – liegt aber meist komplett daneben. Seine Fähigkeiten sind einfach begrenzt, mehr als eine gute Vier ist es daher in keinem Fach. Er tut mir wirklich leid. Wie kann ich das seiner Mutter sagen, ohne ihn zu entmutigen? Nach sechs Jahren Studium habe ich einiges an Wissen angesammelt. Was mir fehlt, ist die jahrelange Erfahrung aus der Schulpraxis. Wie erkläre ich Eltern, dass ihr Kind nicht so gut mitmacht, wie sie denken? Was antworte ich auf den Vorwurf, dass mein Unterricht zu anspruchsvoll ist?
Rat gibt es zum Glück im Lehrerzimmer. Dort habe ich mir vor meinem ersten Elternsprechtag Tipps geholt: „Erstelle einen Erwartungshorizont für die mündliche Mitarbeit und zeige ihnen, was ihr Kind kann und was nicht“ oder „Sag, dass ihr im selben Team spielt – ihr wollt beide, dass das Kind besser wird“. Besonders hilfreich: „Nach zehn Minuten hast du immer einen Termin. Sonst kommst du aus manchen Gesprächen nicht raus.“ Klingt fies, ist aber bei 250 Schülerinnen und Schülern, die man als Lehrkraft später unterrichtet, überlebenswichtig.
Von Helena Fischer
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