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Die Referendarin: Schüler in der Freizeit

Die Referendarin: Schüler in der Freizeit
Foto: Amelie Rook/Unsplash.com

Helena (25) ist eine von rund 30.000 Lehramtsanwärtern in Deutschland. Was passiert eigentlich hinter der sagenumwobenen Lehrerzimmertür? Wie ist es, Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, die nur ein paar Jahre jünger sind als man selbst? Und wie kommt Helena mit dem Druck klar? Davon erzählt sie – unter Pseudonym – in ihrer MADS-Kolumne: die Referendarin. Diesmal: Schüler in der Freizeit.


Zweimal die Woche mache ich pünktlich Feierabend, um zum Training zu gehen. Mit meinen Mitspielerinnen scherzen, albern sein, blöde Witze machen – das tut nach einem Schultag, an dem ich viel mit erhobenem Zeigefinger ermahnt habe („Im Sportunterricht wird nicht getreten!“ oder „Warum hast du nach zehn Minuten nicht einmal das Datum geschrieben?“), gut. Blöd nur, wenn ich die Gesichter aus der Schule auf dem Sportplatz wiedertreffe. Fünf Schüler sind mir dort schon begegnet, ein Neuntklässler trainiert parallel auf der anderen Platzseite. Als unsere Trainer dann auch noch ein Trainingsspiel gegeneinander veranstalten wollten, habe ich mein Veto eingelegt.

Ja, manche finden das spießig. Ich kenne Lehrer, die gehen in dasselbe Fitnessstudio wie ihre Schüler und stören sich nicht daran, wenn sie neben ihnen unter der Hantelbank liegen. Aber als Frau mit einem Schüler um den Ball kämpfen, wo wirklich enger Körperkontakt vorprogrammiert ist? Wenige Wochen später kam dann das nächste Level: Zwei Schüler aus meiner elften Klasse sind zu meinem Fußballspiel gekommen, um mich spielen zu sehen.

Geht die Distanz verloren?

Das klingt erst mal niedlich. Einen Tag vorher hatten sie mich allerdings gefragt, ob ich einen Freund habe. Jeder Mensch nimmt verschiedene Rollen in unterschiedlichen Umgebungen ein. In der Schule bin ich strenger und regelkonformer als zu Hause. Normal trage ich mein Herz auf der Zunge, aber in der Schule erzähle ich so wenig Privates wie möglich. Als junge Lehrkraft, die ihren eigenen Schülern ähnlicher ist als ihren älteren Kollegen, habe ich Angst, dass die Distanz verloren geht.

Nach meinem Spiel, bei dem zwei Schüler zugeschaut haben, fingen die beiden Elftklässler auf einmal an, mich zu duzen. Nähe und Distanz ist für mich als junge Lehrkraft noch ein Balanceakt. Aber: Balancieren kann man lernen.

Von Helena Fischer


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