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Der Fall Simone Biles: Wie gehen junge Leistungssportler mit Druck um?

Der Fall Simone Biles: Wie gehen junge Leistungssportler mit Druck um?
Foto:  Unsplash/Emma Simpson

Die Erwartungen an Sportlerinnen und Sportler sind bei großen Turnieren – wie derzeit den Olympischen Spielen in Tokio – hoch. Das kann Auswirkungen auf die mentale Gesundheit haben, wie die Auszeit von Turnerin Simone Biles zeigt. Wie können sich junge Menschen schützen?


Körperlich gehe es ihr gut, sagt die 24-jährige Simone Biles nach dem Teamfinale im Turnen in einem Interview. Aber sie müsse sich auf ihre mentale Gesundheit fokussieren und dürfe nicht ihr Wohlbefinden gefährden. Dass die vierfache Olympiasiegerin von Rio 2016 bei den Olympischen Spielen in Tokio aufgrund mentaler Probleme den Mehrkampf-Wettbewerb abbricht, lenkt einmal mehr den Fokus auf die geistige Gesundheit der Sportler und den enormen Druck, der auf ihnen lastet. Und wirft auch die Frage auf: Wie gehen junge Leistungssportler mit Druck um?

Handballer Luis Rodríguez Foto: Handball-Verband Niedersachsen

Luis Rodríguez: „Das war vom Druck her krass“

Luis Rodríguez spielt Handball in der Talentschmiede des Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf. Seit einem halben Jahr lebt der Großburgwedler im Internat und hat bereits einige Einsätze in der Jugendnationalmannschaft absolviert. „Das war vom Druck her schon krass“, gesteht der 16-Jährige. „Aber am Ende war es gar nicht so schlimm.“ Mental fühle er sich vom Verein und Verband gut unterstützt. Und auch Yoga und Atemübungen, die im Internat angeboten werden, helfen ihm gegen den Stress.

Auch Visualisierungsübungen gehören zu seiner Ausbildung. „Bei besonders großem Druck versuche ich, die Spielsituationen vorher im Kopf durchzugehen – und wie ich sie löse. Anschließend fokussiere ich mich auf etwas komplett anderes, wie meine Atmung“, berichtet Luis. Besonderen Druck durch seine Mannschaftskollegen verspürt der Kreisläufer nicht. „Ich glaube, die Jungs vertrauen mir, dass ich meinen Job mache, genauso, wie ich ihnen vertraue.“ Für Biles‘ Entscheidung hat er großes Verständnis. „Die ganze Nation schaut auf sie und fordert Gold, sie wird als ‚greatest of all time‘ betitelt. Da ist der Druck natürlich extrem, und man kann verstehen, dass sie den Spaß verloren hat.“

Foto: Unsplash/Pascal Swier

Mental Health: Bund fördert Hilfe für junge Sportler

Das Thema psychische Gesundheit ist also schon im Jugendbereich relevant. Manche jungen Sportler wie Luis werden dazu schon früh von Verein und Verband geschult. Und auch auf Bundesebene ist mentale Gesundheit ein Thema. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) hat gemeinsam mit Sportwissenschaftlern die Website nachwuxathleten.de entwickelt. „Mit dieser Homepage wollen wir junge Athletinnen und Athleten über psychisch stabile Gesundheit aufklären. Zusätzlich bieten wir die Möglichkeit, mentale Stärke gezielt zu fördern und somit psychische Überlastung, zum Beispiel in Form von Depression oder Burn-out, zu verhindern“, heißt es auf der Website. Nachwuchssportlerinnen und Nachwuchssportler, die bereits von psychischen Problemen betroffen sind, bekommen dort auch Hilfestellungen, an wen sie sich wenden können.

Max Dehning: „Man gewöhnt sich daran“

Auch Max Dehning weiß, welcher Druck auf jungen Sportlerinnen und Sportlern lasten kann. Der 16-Jährige aus Hermannsburg in der Lüneburger Heide ist deutscher U18-Meister im Speerwerfen und hat Mitte Juli an der U20-Europameisterschaft in Estland teilgenommen. Dort belegte er Platz 17 mit 63,96 Metern. In Dehnings Disziplin kommt es auf den entscheidenden Wurf an. „Aufregung spüre ich oft bei wichtigen Wettkämpfen, Angst oder Panik aber nicht“, sagt der 16-Jährige. Das Nachwuchstalent mache einfach das, was im Training so intensiv erarbeitet wurde. Fehlversuche und schlechte Würfe enttäuschten ihn schon. „Aber wenn es passiert, sollte man sich direkt auf den nächsten Wurf fokussieren, um den Fehler beim nächsten Mal zu vermeiden“, sagt er.

Speerwerfer Max Dehning Foto: privat

Dass sein Alltag im Grunde nur aus Schule und Training besteht, sieht er gelassen. „Man gewöhnt sich daran, das belastet mich kaum noch.“ Den Schritt von Simone Biles hält Max dennoch für absolut richtig. Nicht zuletzt könnten psychische Probleme auch die körperliche Gesundheit gefährden. „Gerade beim Turnen darf man die Konzentration nicht verlieren, sonst kommt es zu Verletzungen“, sagt er. 

Wie wichtig Hilfe und Schulungen sind, wird nicht nur durch Biles‘ Fall klar. Auch die japanische Tennisspielerin Naomi Osaka sprach offen über ihre mentalen Probleme vor den Olympischen Spielen. Starschwimmer Michael Phelps und Skifahrerin Lindsey Vonn machten öffentlich, dass sie in ihrer aktiven Zeit mit Depressionen zu kämpfen hatten.

Eine Tendenz zur Akzeptanz

Psychischer Druck bleibt ein Problem im Leistungssport, und gerade in den sozialen Medien äußern sich nicht alle verständnisvoll zu diesem Thema. Dennoch gibt es eine Tendenz zur Akzeptanz und Anteilnahme – das zeigt, dass Sportlerinnen und Sportler immer weniger heroisiert und öfter die Menschen hinter dem Erfolg gesehen werden, mitsamt ihren Problemen. Simone Biles erfuhr sowohl vom Verband als auch von der Öffentlichkeit breite Unterstützung und viel Lob für ihren Schritt. Auch sportlich endete ihr Olympiaerlebnis versöhnlich. Nach einer Woche Pause trat sie wieder am Schwebebalken an und sicherte sich die Bronze-Medaille. Ihr Lächeln hatte sie da schon zurück. 

Von Benjamin Kehl


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