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Das steckt hinter dem Kampf der Uiguren – eine Aktivistin im Gespräch

Das steckt hinter dem Kampf der Uiguren – eine Aktivistin im Gespräch
Foto: Unsplash/Kuzzat Altay

Die Uiguren kämpfen in China für ihre Identität und Freiheit. Auch in Deutschland setzen sich Aktivistinnen und Aktivisten entschlossen für ihre Gemeinschaft ein. MADS erklärt, was hinter dem Kampf der Uiguren steckt.


Von der chinesischen Regierung unterdrückt: Die Uiguren, eine ethnische und muslimische Minderheit, leben in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas. Sie kämpfen um die Identität und Freiheit ihrer Gemeinschaft, denn Millionen Uiguren werden derzeit in sogenannten Umerziehungslager festgehalten. Dort müssen sie Zwangsarbeit leisten, während ihre Menschenrechte massiv verletzt werden.

Vernichtung einer ganzen Kultur

Die Unterdrückung der Uiguren geht jedoch über die Lager hinaus. Die chinesische Regierung zerstört Moscheen und andere Stätten, um die religiöse und kulturelle Identität der Uiguren auszulöschen. Sie sind gezwungen, ihre religiösen Bräuche und Traditionen aufzugeben. Ein dichtes Netz von Kameras und anderen Technologien überwacht jede ihrer Bewegung.

Björn Alpermann, Professor für Contemporary Chinese Studies, beschreibt die aktuelle Situation in Xinjiang als äußerst besorgniserregend. „Viele wurden aus diesen zwischenzeitlichen Umerziehungslagern entlassen, aber entlassen heißt nicht unbedingt, dass sie volle Freiheit genießen. Viele von ihnen wurden in Industriearbeit vermittelt, wahrscheinlich sogar mit hohem Druck“, erklärt Alpermann.

Björn Alpermann. Foto: privat

Persönliche Perspektive auf die Unterdrückung der Uiguren

Die 19-jährige Gülnisa Tursun setzt sich als Aktivistin von Wolfsburg aus für die Uiguren ein. „Meine Eltern sind von dort geflüchtet. Für mich war es schon früh normal, auf Demonstrationen zu gehen.“ Ihre Familie hat Verwandte in Xinjiang, es sei gefährlich, Kontakt aufzunehmen. „Irgendwann haben meine Eltern den Kontakt verloren und nach ein paar Wochen haben wir herausgefunden, dass sie in ein Internierungslager gesteckt wurden“, erzählt Tursun.

Gülnisa Tursun. Foto: privat

Trotz dieser schwierigen Situation geben Aktivistinnen und Aktivisten wie Tursun nicht auf. Sie kämpfen für die Rechte ihrer Gemeinschaft und versuchen, Bewusstsein für die Lage der Uiguren zu schaffen. Alpermann betont: „Diaspora-Aktivisten spielen eine wichtige Rolle im Bereich der Bewusstseinsbildung, weil sie das Thema auf der Agenda halten und auch Gruppen erreichen, die für konventionelle Medien schwer zu erreichen sind.“

Aktivismus auf Social Media

In Deutschland kämpft unter anderem die Uiguren Youth Initiative, angeführt von Aktivisten wie Tursun und von jungen Uiguren gegründet, unermüdlich für die Rechte ihrer Gemeinschaft. Mit Demonstrationen, kulturellen Veranstaltungen und Social-Media-Aktivismus setzen sich ihre Anhängerinnen und Anhänger gegen die Unterdrückung und für ihre Wurzeln ein. „Es war für mich klar, dass ich da auch mitmachen werde, um das Thema anderen Menschen näherzubringen“, betont Tursun. Die Initiative fordert, dass Deutschland das, was in Xinjiang passiert, als Genozid anerkennt und sich weniger von Chinas enormer Wirtschaftskraft abhängig macht.

Alpermann erklärt, dass internationale Maßnahmen gegen Zwangsarbeit, wie der „Uigur Force Labor Prevention Act“ der USA, wichtige Schritte seien. Er kehre die Beweislast um, sodass Exporteure nachweisen müssen, dass ihre Waren nicht unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Die EU und Deutschland haben ähnliche Maßnahmen ergriffen, die Unternehmen verpflichten, ihre Lieferketten frei von Zwangsarbeit zu halten. „In beiden Fällen ist es schwierig, das ganz wasserfest zu machen, weil auch die chinesische Seite nicht offen für wirklich unabhängige Kontrollen ist“, sagt der Experte.

Beistand für Uiguren-Initiative auch von radikaler Seite

In ihrem Engagement stehen Tursun und die Mitglieder der Uiguren Youth Initiative vor zahlreichen Herausforderungen – auch über Social Media. „Man wird ziemlich oft mit Menschen konfrontiert, die sagen, dass das alles fake ist. Die kommentieren dann oder schreiben einen selbst an. Wir haben auch schon Drohungsnachrichten bekommen“, berichtet Tursun.

Internationale Unterstützung ist für die Uiguren Youth Initiative von großer Bedeutung. Sie arbeitet eng mit anderen internationalen Organisationen wie „Help Uiguren“ und dem „World Uiguren Congress“ zusammen – und erhält auch Beistand von Personen wie Marcel Krass, einem der bekanntesten Salafisten Deutschlands, der ihre Events besucht. Seit Jahren wird er vom Verfassungsschutz wegen seiner radikalen Ansichten und Aktivitäten beobachtet, weshalb seine Unterstützung für die Initiative umstritten ist. Tursun sagt dazu: „Der Grund, wieso wir ihn einladen, hat nichts mit der Religion zu tun. Seine aktivistische Arbeit bezieht sich ausschließlich auf das Thema der Uiguren.“ Andere Mitglieder der Initiative schildern, dass Krass bei Veranstaltungen nie radikale Ansichten geäußert oder die Gruppe in dieser Hinsicht beeinflusst habe. „Er hält Reden und nutzt seine Reichweite, um über das Thema der Uiguren aufzuklären, aber wir erhalten keine finanzielle Unterstützung von ihm.“

Zukünftige Entwicklungen und Hoffnungen

Die aktuelle Lage in Xinjiang macht Tursun Angst. Vor allem fürchtet sie, dass der Druck von außen die Situation vor Ort verschlimmern könnte. „Dass die Menschen, die dort leben, auch mehr leiden, weil sie versuchen, da irgendwie rauszukommen oder Kontakt aufzunehmen“, sagt sie. Alpermann hingegen sieht den internationalen Druck als notwendig an, um zumindest kleine Veränderungen zu bewirken. Er bleibt jedoch realistisch: „Ich glaube, dass der Druck dazu führt, dass die chinesische Regierung indirekter vorgeht. Ich glaube allerdings nicht, dass der Druck, egal wie groß er wird, China unter der jetzigen kommunistischen Parteiführung dazu bringen wird, wirklich substanziell einzulenken.“ Ein Machtwechsel in China könnte Veränderungen bringen, aber auch das bleibt unsicher. „Man kann vielleicht hoffen, dass es auf das Niveau vor Xi Jinping zurückfällt“, meint Alpermann. „Das auch schon nicht gut war, wo es auch sehr viele Probleme gegeben hat.“

Tursun und ihre Mitstreiter der Uiguren Youth Initiative bleiben trotz aller Widrigkeiten entschlossen und hoffen, dass ihre Bemühungen Früchte tragen werden. „Das wäre ein großer Wunsch von mir“, sagt Tursun. Sie hofft, eines Tages in das Land ihrer Vorfahren zurückkehren zu können.

Von Georg Krierer


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