Corona-Krise: Deshalb gibt es in Deutschland keine einheitlichen Regeln
Der Bund empfiehlt das Kontaktverbot, einige Bundesländer belassen es dabei, andere verhängen zusätzlich noch Ausgangssperren. Überall gelten andere Beschränkungen. Aber warum gibt es in Deutschland keine einheitlichen Regeln, um das Coronavirus zu bekämpfen – wäre das nicht sinnvoller?
In Bayern, im Saarland und in Sachsen gelten strenge Regeln: Ausgangssperren wurden verhängt, während beispielsweise in Niedersachsen nur ein Kontaktverbot herrscht. „Was darf ich eigentlich noch in welchem Bundesland?“, ist eine Frage, die sich viele Bürger*innen jetzt stellen. Der Grund für diese Verwirrung? Föderalismus.
Föderalismus = Aufgabenteilung
Föderalismus bedeutet, dass in Deutschland die staatlichen Aufgaben zwischen Bund und Bundesländern aufgeteilt sind. Der Bundestag bestimmt über Bereiche, die den gesamten Staat betreffen, wie die Außenpolitik. Die Bundesländer entscheiden jedoch selbst bspw. über Strafvollzug und Denkmalschutz, haben eine eigene Landesregierung und ein Landesparlamant, das Gesetze erlassen kann. Daher können die Bundesländer aktuell individuell Maßnahmen ergreifen, die Regelungen des Bundes verschärfen und eigene Strafen festlegen: In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verhängen die Behörden Bußgelder bis zu 25.000 Euro , während in Bayern das Maximum bei 5.000 Euro liegt. Auch das Infektionsschutzgesetz, welches für die Vorbeugung und Verhinderung der Weiterverbreitung von übertragbaren Infektionen sorgt, ist vom Föderalismus betroffen. Zwar wurde es vom Bund beschlossen, aber wenn es um die Ausführung dieses Gesetzes geht, sind die Länder am Zug.
Schutz der Demokratie
Der Föderalismus hat einen historischen Hintergrund: Die alliierten Siegermächte haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Bundesländer gegründet und den Deutschen nach und nach politische Verantwortung zurückgegeben. Die zentrale Funktion des Föderalismus ist der Schutz der Demokratie vor einer einseitigen Machtausübung wie zur NS-Zeit. Den Föderalismus abzuschaffen und einheitliche Regelungen einzuführen, wie es zum Beispiel im nicht-föderalen Frankreich der Fall ist, ist nicht möglich, da der Föderalismus vom Grundgesetz durch die „Ewigkeitsklausel“ geschützt wird.
Sinnvoll – ja oder nein?
Der Föderalismus hat zurzeit mehrere Vor- und Nachteile: Einerseits können viele Probleme schon auf Länderebene geklärt werden und regionale Unterschiede (Fallzahlen, Nähe zu Risikogebieten, etc.) können besser berücksichtigt werden. Die Situation in Bayern ist anders als die in Niedersachsen, da Bayern näher an den Risikogebieten Italien und Österreich liegt und hier die ersten Fälle auftraten. So gibt es aktuell (Stand 20.04) in Bayern 37.849 bestätigte Fälle, in Niedersachsen gerade mal 8900. Das die beiden Bundesländer unterschiedliche Maßnahmen ergreifen ist nachvollziehbar. Andererseits dauern durch den Föderalismus bundesweite Entscheidungen deutlich länger, weil alle Bundesländer mitreden können. Ein Virus, das sich nicht an Ländergrenzen orientiert, kann den Wunsch nach einheitlichen Lösungen verstärken. Die variierenden Regelungen und Maßnahmen sorgen durchaus bei den Bürger*innen für Verwirrung.
Die aktuelle Lage ist eine Bewährungsprobe für den föderalen Staat und die gesamte Rechtsordnung. Die Frage, die sich jetzt stellt, lautet: Wird die föderale Aufgabenverteilung in der Bundesrepublik weiterhin gut funktionieren? Das wird sich vermutlich in naher Zukunft, durch die Corona-Krise, zeigen.
Von Marie Bruschek
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