Colleen Hoover und andere Booktok-Klassiker: Wo bleibt die Triggerwarnung?
Colleen Hoovers Bücher sind spätestens seit dem Hype um Tiktoks Buchnische fester Bestandteil in deutschen Buchhandlungen. In ihren New-Adult-Romanen greift die Autorin gerne auch auf ernste Themen zurück. Doch weil sie keine Triggerwarnungen nutzt, gerät sie auch immer mehr in die Kritik.
Die Tiktok-Ecke Booktok ist schon lange kein unbekannter Social-Media-Trend mehr. Der Hashtag, unter dem die Creator Buchrezensionen und -empfehlungen teilen, ist bereits mehr als 100 Milliarden Mal aufgerufen worden. Nicht nur die Werke, auch Autoren und Autorinnen sind Teil der Trendkultur. Ein Name sticht dabei besonders heraus: Colleen Hoover. Aktuell häufig mit einem anderem Schlagwort – Triggerwarnung.
Hype um „emotionally devastating“ Romane
Die US-Amerikanerin Hoover ist derzeit eine der erfolgreichsten Bestsellerautorinnen – auch in den sozialen Medien. Allein ihr Tiktok-Account zählt derzeit mehr als 1,1 Millionen Abonnenten und Abonnentinnen. In der Booktok-Community wird sie vor allem für ihren Schreibstil gefeiert, der von geteilten Perspektiven bis hin zu Rückblenden in Form von Tagebucheinträgen reicht. Nicht zuletzt ziehen die ganz und gar nicht perfekten Beziehungen, die so etwas wie Hoovers Markenzeichen geworden sind, insbesondere Mädchen und junge Frauen an. Als „emotionally devastating“ (auf deutsch: emotional zerstörerisch) werden viele ihrer Romane von Booktokern beworben. Aber längst nicht jeder Buchliebhaber steht der Art, wie Hoover in ihren Büchern auf teilweise sehr verstörende Probleme zurückgreift, positiv gegenüber. Ein oft genannter Grund dafür: Keiner ihrer Romane enthält Triggerwarnungen.
Triggerwarnung: Häusliche Gewalt, Blut und Mord … oder doch nicht?
Auch das wohl bekannteste Buch von Colleen Hoover „It Ends With Us“ (auf Deutsch: „Nur noch ein einziges Mal“) bedient sich vieler Probleme in toxischen Beziehungen. Es behandelt die Geschichte von Lily, die in ihrer Jugend mit einem gewalttätigen Vater aufwächst und sich später, entgegen aller Vorsätze, selbst in einer toxischen Ehe wiederfindet. Auf emotionale Weise verfolgen die Leser und Leserinnen, wie Lily zur Einsicht kommt, Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein. Doch was die einen begeistert und tief berührt, lässt andere schockiert und mit dem Wunsch nach einer vorangestellten Triggerwarnung zurück.
@mybookspace.ltm Ich habe das Buch echt geliebt aber warum hatte es keine ausführliche trigger Warnung?! #colleenhoover #booktok #bookworm #foryou #books #bookclub #fypシ #bookchallenge #booktokdeutschland #fyp #booktokgermany #toolate
Deutsche Rezensenten empört
In immer mehr Rezensionen zu diesem und weiteren Büchern der Autorin breitet sich dieser Wunsch nach Triggerwarnungen aus. Zum Psycho-Thriller „Verity“ beispielsweise schreibt die Rezensentin Sandy Härtling auf ihrem „Nightingale‘s Blog“, dass „eine Triggerwarnung unbedingt notwendig gewesen“ wäre und es schade sei, „dass dies die Rezensenten übernehmen müssten“. Damit ist sie aber längst nicht allein: Viele Rezensionen – unabhängig von der Bewertung des jeweiligen Romans – zeichnen sich durch die gemeinsame Überraschung über fehlende Triggerwarnungen aus. „[Ich konnte] nicht fassen, dass dieses Buch diesen Inhalt hat, ganz ohne Triggerwarnung“, lautet das Urteil der Rezensentin Sandra auf ihrem Blog „Piglet and her Books“.
Triggerwarnung oder Spoiler?
Doch nicht jeder hält Triggerwarnungen für unbedingt notwendig. Manche Expertinnen und Experten wie Maria-Sibylla Lotter warnen sogar vor der übermäßigen Ausbreitung von Triggerwarnungen. Sie nähmen Lesern und Leserinnen die Möglichkeit, sich unvoreingenommen auf eine Geschichte einzulassen, sagte die Professorin für Ethik und Ästhetik an der Ruhr-Universität Bochum dem „Deutschlandfunk“. Dass Triggerwarnungen eigentlich nur bestimmte Menschen schützen und keineswegs als Spoiler wirken sollen, halte sie für ein „Scheinproblem“. Wissenschaftliche Untersuchungen von 2021 zeigen zudem, dass die vermeintlich hilfreichen Triggerwarnungen auf Betroffene oft genau gegenteilig wirken: Statt sie schützen, werden Betroffene durch sie noch stärker und vor allem langfristig an ihre traumatischen Erfahrungen erinnert. Dass Triggerwarnungen betroffene Personen tatsächlich davon überzeugen können, für ihr eigenes Wohl nicht weiterzulesen, trifft ebenfalls nicht zu.
Dem Erfolg von Hoovers Büchern haben die fehlenden Triggerwarnungen bisher aber nicht geschadet. Weiterhin bricht die Autorin sämtliche Rekorde und lockt junge Menschen in die Buchhandlung.
Von Chiara Heims
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