Sexismus im Alltag: „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, belästigt zu werden“
Milla (19) beschäftigt sich viel mit dem Thema Sexismus. Dazu hat sie nun während ihres Bundesfreiwilligendienst einen Podcast erarbeitet und dafür auch junge Frauen befragt. Über die Ergebnisse ihrer Umfrage und eigene Erfahrungen spricht sie im MADS-Interview.
Milla, du hast einen Podcast zu dem Thema Alltagssexismus gemacht. Woher kam die Idee?
Auf das Thema bin ich gekommen, weil ich mich privat sehr viel damit beschäftige und es super aktuell ist. Das Format Podcast war dabei auch neu für mich und Sarah, mit der ich zusammengearbeitet habe. Er soll demnächst auf der Internetseite des Bundesfreiwilligendienstes erscheinen, das genaue Datum steht noch nicht fest.
Worüber sprecht ihr in dem Podcast?
Hauptsächlich haben wir uns mit einer eigenen Umfrage und Erfahrungsberichten beschäftigt. Bei dieser Umfrage auf Instagram haben ungefähr 110 junge Frauen teilgenommen. Dabei gab es aber auch leider einige Männer, die sich darüber lustig gemacht haben.
Hat dich bei der Recherche etwas besonders getroffen oder überrascht?
Das Traurige ist eigentlich, dass es mich nicht überrascht hat. Wenn es um verbale sexuelle Belästigung geht, haben 89,5 Prozent angeben, dass ihnen das schon mal widerfahren ist. Bei körperlicher sexueller Belästigung waren es 60,5 Prozent – teilweise Minderjährige. Das ist schon ziemlich schockierend. Ich habe einige ausführlichere Berichte bekommen, vom Hinterherpfeifen bis zur Vergewaltigung. Die haben mich sehr mitgenommen.
Du sprichst in dem Podcast auch darüber, was du selbst schon erlebt hast.
Genau. Ich erzähle von einer aktuellen Erfahrung. Neben mir hielt ein Auto mit zwei Männern. Mir wurde hinterhergepfiffen, es folgten sexistische Kommentare. Die Männer forderten mich auf, einzusteigen und mit ihnen Sex zu haben. Ich fand es ziemlich heftig, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet habe. Ich war total sauer. Früher habe ich so etwas ignoriert. Inzwischen zeige ich, dass so ein Verhalten nicht geht. Aber abends, wenn ich alleine bin, lasse ich es lieber. Ich kann die Menschen nicht berechnen, und das ist sehr einschüchternd.
Was rätst du anderen?
In Deutschland gibt es für Catcalling keine Strafe. Ich glaube, deswegen nehmen es viele hin und sagen nichts. Was schlimm ist. Aber ich kann verstehen, dass man nicht immer etwas sagt – die Situation kann ausarten. Generell finde ich es wichtig, über das Thema aufzuklären. Situationen zum Thema Sexismus dürfen nicht runtergespielt werden. Ich war mit 16 das erste Mal feiern, und mir wurde in den Schritt gefasst. Ich war total entsetzt, von meinen Freunden kam nur der Kommentar: „Ja, echt doof. Aber damit muss man halt rechnen, wenn man feiern geht.“ Es ist schlimm, dass man in gewissen Situation denkt: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, sexuell belästigt zu werden. Deswegen habe ich den Podcast gemacht, um Frauen mit solchen Erfahrungen eine Stimme zu geben. Es ändert zwar nur wenig, aber Männer können für das Thema sensibilisiert werden, und es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Im größeren Rahmen muss man an gewissen Strukturen in unserer Gesellschaft arbeiten. Das kann aber nur passieren, wenn auch von der politischen Ebene was kommt.
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