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Wenn Schönheit über die Abinote entscheidet: Was ist das Pretty Privilege?
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Attraktive Menschen haben es im Leben leichter, zeigt die Forschung. Grund dafür ist das Pretty Privilege. Wieso es das Phänomen gibt und in welchen Situationen es besonders ungerecht sein kann, erklärt der Attraktivitätsforscher Professor Ulrich Rosar.
Auf Tiktok oder Instagram ist es vielen schon begegnet: das sogenannte Pretty Privilege. Es besagt, dass es hübsche Menschen im Leben einfacher haben. „Systematischer Wettbewerbsvorteil“ heiße das in der Forschung, erklärt Professor Ulrich Rosar von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der Attraktivitätsforscher untersucht die Auswirkungen von gutem Aussehen.
Die Forschung zeige, dass es attraktive Menschen tatsächlich in vielen Lebenslagen leichter haben, so Rosar. Demzufolge haben sie nicht nur bei der Partnersuche einen Vorteil. Auch Mütter behandeln ihre Säuglinge unterschiedlich – abhängig von deren Attraktivität. Attraktive Menschen haben außerdem nicht nur einen leichteren Start ins Berufsleben, sie machen auch schneller Karriere. Und selbst vor Gericht seien sie im Vorteil: „Sie werden vor Gericht häufiger freigesprochen oder bekommen mildere Urteile“, sagt Rosar.
Pretty Privilege: Wir lassen hübschen Menschen mehr durchgehen
Doch warum ist das so? „Wir alle nehmen Attraktivität sehr ähnlich wahr, sonst würde es nicht funktionieren“, sagt Rosar. „Schönheit liegt nur in sehr engen Grenzen im Auge des Betrachters.“ Sowohl bei Männern als auch bei Frauen würden beispielsweise ein schmaleres Gesicht, leicht gebräunte Haut, viele dunkle Wimpern, hohe Wangenknochen, volle Lippen und ein schlanker Hals als attraktiv wahrgenommen. Bei Frauen gilt zudem eine schmale Nase, bei Männern ein markantes Kinn als attraktiv.
Dazu kommt, dass uns attraktive Menschen eher auffallen und wir uns besser an das erinnern können, was sie sagen oder tun. Gleichzeitig greift der sogenannte Halo-Effekt: Wie ein Heiligenschein scheint ein einziges positives Merkmal – wie die äußerliche Attraktivität – auf alle anderen Merkmale eines Menschen abzustrahlen. Wer schön ist, den hielten wir auch für intelligenter, kreativer, empathischer und fleißiger, sagt Rosar.
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Foto: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Dass attraktive Menschen geringer bestraft werden, liege wiederum am sogenannten Glamour-Effekt. „Wenn sich eine attraktive Person einen Fehler hat zuschulden kommen lassen, neigen wir dazu, diesen Fehler zu relativieren: Der Fehler sei nicht so schwerwiegend, oder die Person könne nichts dafür.“
Schönheit täuscht nicht über alles hinweg
Das Pretty Privilege sei nicht allein ausschlaggebend dafür, wie wir Menschen einschätzen. „Im Beruf kann man Inkompetenz und Faulheit natürlich nicht durch Attraktivität kompensieren“, sagt Rosar. Doch in einer Prüfung wie dem Abitur könne die Attraktivität der Prüflinge schon über die Nachkommastellen der Noten entscheiden. In der Regel ist der Effekt also nicht extrem, kann schlussendlich aber trotzdem beeinflussen, ob jemand nach dem Schulabschluss einen Medizinstudienplatz ergattert oder nicht.
Auch beim Gehalt schlägt sich das Pretty Privilege nieder: Auf Basis der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) haben Rosar und Kollegen die Effekte der Attraktivität auf das Einkommen geschätzt. Mindestens 450 Euro mehr als eine konventionell unattraktive Person verdient eine konventionell attraktive Person laut dieser Schätzung (ALLBUS-Erhebung von 2016). Der Gehaltsunterschied könne aber auch bis zu 1400 Euro betragen (ALLBUS-Erhebung von 2018). Der wahre Wert, so Rosar, liege irgendwo in der Mitte.
Um dem Pretty Privilege seine Macht zu nehmen, müssten sich die Menschen ihres eigenen Denkfehlers bewusst werden, sagt Rosar. Ein guter Schritt sei außerdem, dass bei immer mehr Bewerbungsverfahren kein Foto mehr verlangt werde.
Von Franziska Wessel
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Der Begriff selbst ist das perfekte Beispiel für das beschriebene Verhalten.
Denn das Attraktivität Vorteile bringt, ist seit Jahrhunderten bekannt. Dass Attraktivität zwar von unterschiedlichen Arten verschieden definiert wird, innerhalb der Art aber evolutionärbedingt den gleichen Regeln folgt, wurde bereits von Darwin bewiesen.
Aber hier ist das Problem: „Alter Knacker“ Charles Darwin, Evolutionsbiologie, Anthropologie, Verhaltensforschung… das klingt alles so kompliziert und vor allem anstrengend. Mag keiner hören.
PRETTY PRIVILEGE
Das ist hübsch, schnell gesagt, einfach hipp und damit attraktiv als Wort.
Sofort reden alle drüber.
Übrigens brauchen wir jetzt den Nachfolgeartikel:
Wer hat recht, die auf Fakten basierende Verhaltensbiologie mit dem Pretty Privilege?
Oder die auf Gefühlen basierende Soziologie mit ihrem Fatshaming und Alle-Menschen-sind-gleich-schön?
Beides gleichzeitig kann nicht wahr sein. ^^