Tauziehen vor dem Reichstagsgebäude – Jugendbotschafter fordern mehr Geld für weltweite Armutsbekämpfung
Mit einem symbolischen Tauziehen zwischen Olaf Scholz und Willy Brandt haben sich die Jugendbotschafter der Organisation One am Donnerstag für Entwicklungspolitik starkgemacht. Zuvor diskutierten sie ihre Forderungen mit Bundestagsabgeordneten.
Ein Showdown vor dem Reichstagsgebäude: Olaf Scholz und Willy Brandt stehen sich gegenüber – gleich in mehrfacher Ausgabe. Zwei Gruppen, maskiert mit den Konterfeis des aktuellen und des ehemaligen Bundeskanzlers, ziehen am gleichen Strang, aber in unterschiedliche Richtungen. Ein symbolisches Tauziehen, das den Kontrast im Politikstil der beiden SPD-Männer zeigen soll.
Während Willy Brandt sich seinerzeit stark für Armuts- und Hungerbekämpfung einsetzte, scheint eben jenes unter Olaf Scholz ein wenig unter den Tisch zu fallen. So zumindest die Kritik der beteiligten Aktivistinnen und Aktivisten. Der Haushaltsplan für 2023 sieht zumindest aktuell vor, dass das Budget für das Entwicklungsministerium um 17 Prozent und für das Auswärtige Amt um rund 10 Prozent schrumpfen soll. Das bedeutet unter anderem weniger Geld für die Bekämpfung von Hunger und Armut in Entwicklungsländern.
Die Organisation One, die das symbolische Tauziehen unter dem Motto „Mehr Willy Brandt wagen“ veranstaltete, prangert das an. Sie setzt sich bereits seit Jahren für die Bekämpfung extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten speziell im globalen Süden ein. Dafür führen die Mitglieder regelmäßig Gespräche mit Politikerinnen und Politikern oder machen mit symbolischen Aktionen auf ihre Forderungen aufmerksam. Zuletzt etwa beim G7-Gipfel im Juni dieses Jahres, als die Jugendbotschafterinnen und Jugendbotschafter als Regierungschefs verkleidet mit leeren Weizenbiergläsern gegen die Hungerkrise demonstrierten. Oder eben beim Tauziehen vor dem Reichstagsgebäude.
Jugendbotschafter sprechen mit Politikern
Unter einer der Willy-Brandt-Masken steckte Julian Bondarenko. Der 20-Jährige ist erst seit diesem Jahr Jugendbotschafter bei One. Er sieht die Organisation als Chance, für mehr Gerechtigkeit auf der Welt zu sorgen: „Entwicklungspolitik war für mich als Europäer nie ein Thema, mit dem ich oft konfrontiert wurde. In Teilen Afrikas hängt von unserer Entwicklungspolitik jedoch zum Beispiel ab, ob einige Menschen dort morgen noch etwas zu essen haben oder nicht. Ich sehe mich als Bewohner eines reichen europäischen Landes in der Pflicht, meinen Teil zu leisten.“ Dafür setzen die jungen Botschafterinnen und Botschafter bei der Politik an. „Wir als junge Menschen versuchen, mit den Verantwortlichen zu sprechen, um sie für diese Themen zu sensibilisieren und uns ihre Unterstützung zu sichern“, sagt Julian.
Am Tag vor dem Tauziehen hatten Julian und einige seiner Mitaktivisten und -aktivistinnen die Möglichkeit, mit Bundestagsabgeordneten von SPD, FDP und Grünen zu sprechen. Dabei mahnten sie speziell die geplanten Budgetkürzungen für Entwicklungsministerium und Auswärtiges Amt an. Mit Erfolg? „Innerhalb der Koalition herrscht eigentlich ein Konsens, dass die beiden Ämter nicht mit Kürzungen zu kämpfen haben sollten. Das waren zumindest die Worte, die wir als Jugendbotschafter bekommen haben“, so Julian.
„Im globalen Süden geht es ums Überleben“
Ob das jedoch auch im finalen Haushaltsplan so umgesetzt wird, bleibt fraglich. „Wir hoffen nach dem Gespräch natürlich, dass es da auch wirklich keine Kürzung, stattdessen vielleicht sogar eine Erhöhung geben wird. Ich blicke optimistisch auf das Ganze“, sagt Julian. Man dürfe natürlich nicht vergessen, dass es auch hierzulande gerade eine Krise gibt und Menschen ihre Energiekosten nicht bezahlen könnten. „Trotzdem geht es uns vergleichsweise immer noch besser als dem globalen Süden. Dort geht es ums Überleben.“
Von Benjamin Wätzold
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