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Rügen: Mich wecken die Kraniche

Rügen: Mich wecken die Kraniche
Foto: dpa

Der 15-jährige Jakob Brandenburg lebt auf Deutschlands größter Insel. Hier schreibt er, was morgens vor seinem Fenster los ist.

​Normalerweise klingelt mein Wecker mit einem sanften Ton. Seit Wochen ist das aber anders – jetzt werde ich von einem Chor von Schreihälsen geweckt. Jeder „Sänger“ hat zwei dünne Beine, einen langen Hals und einen großen Schnabel. Es sind ein paar hundert Kraniche, die rund 50 Meter vor meinem Fenster im Süden von Rügen auf einem Feld paradieren und Krach machen.

Mit dem Fernglas kann ich die Federn auf ihrem Körper erkennen, schwarze, helle, graue. Die Kraniche sind über einen Meter groß und etwa zehn Kilo schwer. Ihre Flügel messen ausgebreitet über zwei Meter. Ihr Federschwanz ist wie ein buschiger Staubwedel. Auf ihrem Kopf tragen sie eine rötliche Krone, das passt: Sie sehen königlich aus, wenn sie stolzieren. Bei jedem Versuch, ihnen näher zu kommen, fliegen sie sofort auf. Das wirkt dann so, als starte ein Geschwader grauer Kleinflugzeuge.

Der Autor Jakob Brandenburg lebt auf Rügen. Foto: privat

Oft tanzen sie eine Art Ballett. Einer hebt ein Bein, ein anderer springt mehrmals auf und schlägt mit den Flügeln, als wolle er abheben. Ein Dritter bewegt den Hals hoch und runter wie zu einer Melodie, vielleicht ein Kranich-Rap. Gern laufen sie auch wie wild Zickzack oder spurten im Kreis, dass die Erde aufspritzt.

Von meinem Fenster beobachte ich das Spektakel jeden Frühling und Herbst. Sobald es wärmer wird, kommen die Kraniche aus ihren Winterquartieren in Spanien oder Nordafrika. Sie sind auf dem Weg in den Norden. Mein Feld ist für sie Zwischenstation, Raststätte mit Übernachtung. Kraniche sollen Glück bringen. In Japan glaubt man das. In China sind sie seit Jahrtausenden die Vögel der Langlebigkeit – und den alten Griechen waren sie Symbol der Klugheit. Die Adligen des Mittelalters trugen Kraniche auf ihren Wappen. Dort standen sie für Wachsamkeit.

Plötzlich gibt es Aufregung auf dem Feld. Die Kraniche schlagen mit den Flügeln, das Geschrei wird lauter. Ein Fuchs schleicht über das Feld. „Achtung, aufpassen!“, rufe ich. Endlich fliegen die Kraniche auf. Noch lange höre ich ihr Geschrei. Kein Problem, ich bin ja schon wach.      

Von Jakob Brandenburg (15)

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