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Passt die Kirche noch zur Jugend?

Passt die Kirche noch zur Jugend?
Foto: Klaus Amberger

Andreas Braun ist Leiter der Jugendkirche Rostock. Im Interview spricht er über Kritik an der Kirche und über seine Sorgen.

Es sind nicht mehr viele. Der Anteil von Katholiken und Protestanten in der Bevölkerung von MV beträgt etwa 17 Prozent (Bayern 63 Prozent). Also rund 270 000 Frauen und Männer. Wie viele junge Leute konfessionell gebunden sind, ist schwer zu ermitteln. Im Landesjugendring, der Vereinigung der organisierten Jugendverbände in MV, vertritt die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend mehr als 50 000 Kinder und Jugendliche.

Im Gespräch mit der OZ gibt der Leiter der Jugendkirche Rostock, Andreas Braun, Einblick in die Arbeit mit jungen Leuten, die er von Ribnitz-Damgarten bis Kühlungsborn betreut. Der schlanke leger schwarz gekleidete 58-jährige Pop-Kirchmusiker, Diakon, Sozial- und Religionspädagoge und Vegetarier sagt unter anderem, dass er nicht nur gern mit kirchlich gebundenen Jugendlichen, sondern ebenso mit konfessionslosen jungen Leuten arbeitet.


Gibt es überhaupt noch ein Interesse von jungen Leuten an der Kirche?

Ich glaube, für einen großen Teil der Kinder und Jugendlichen ist die Institution Kirche überhaupt nicht wichtig. Man braucht Kirche ja nicht unbedingt. Hinzu kommt die große Unwissenheit über Kirche. Ich finde, das Entscheidende ist, dass Kinder und Jugendliche jemanden vor Ort erleben, der sich ihnen zuwendet. So wie Jesus sich den Menschen zugewendet hat und nach ihren Bedürfnissen gefragt hat. Kirchliche Arbeit ist für mich Beziehungsarbeit. Wenn Kinder und Jugendliche erleben, dass sie ernst genommen werden, ihnen zugehört wird und dass sie tolle Gemeinschaftserfahrungen machen, dann kann es sein, dass Kirche für sie relevant wird.

Wie reagieren Sie auf Kritik gegenüber der Kirche?

Ich kann verstehen, dass Jugendliche der Kirche kritisch gegenüberstehen. Oft haben sie Probleme mit der Institution oder kritisieren Verfehlungen von Mitarbeitern. Auch ich hinterfrage manche Entscheidung. Kirche muss Anwalt von jungen Leuten sein und sich ihnen zuwenden. Sie muss sich auch politisch positionieren und sich mehr für soziale Gerechtigkeit oder Klimaschutz einsetzen. Kirche kann ein gutes Angebot sein, wenn sie auf die Bedürfnisse der Jugend eingeht.

Tun Sie das mit Ihrer Arbeit?

Ja, es ist schön, junge Leute, egal ob sie konfessionell gebunden sind oder nicht, auf ihrem Lebensweg ein Stück oder manchmal auch ein paar Jahre zu begleiten, ihnen Räume und Möglichkeiten anzubieten, in denen sie sich ausprobieren und ihre Gaben entwickeln können sowie Verantwortung übernehmen. Ein gutes Beispiel ist ein Musikprojekt, das ich jeden Sommer veranstalte, bei dem jeder seine Fähigkeiten in eine große Band einbringt und am Ende ein Konzertprogramm steht, das auch den Zuhörern Spaß macht.

Kirchenmusik ist ja nicht für jeden etwas.

Die Jugendlichen suchen sich die Musik oft selbst aus. Darüber hinaus gibt es viele moderne kirchliche
Lieder mit popmusikalischen Elementen. Aber wir singen und spielen auch Songs ohne religiöse Bezüge.

Was bewegt derzeit Jugendliche am meisten?

Corona, Krieg, Zukunft, Klima, Leistungsdruck. Viele wissen noch nicht, was sie werden wollen. In den vergangenen zwei Jahren wurden auch einige Pläne durch die Ereignisse über den Haufen geworfen. Ich bin dann auch Seelsorger, höre zu und frage nach. Jugendliche haben auch den Eindruck, dass zu wenig fürs Klima getan wird. Das, was unsere Regierung momentan tut, reicht ihnen nicht.

Was macht Ihnen als Kirchenmitarbeiter Sorgen?

Die personelle Situation ist, wie fast überall, angespannt. Aber für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen braucht man Leute, die Beziehungsarbeit leisten können. In vielen Kirchengemeinden gibt es nur noch halbe oder auch Viertelstellen. Damit ist weniger möglich. Und auch die finanziellen Mittel für die Arbeit mit jungen Leuten sind überschaubar.

Was gibt Ihnen Kraft?

Wenn Jugendliche eine gute Gemeinschaft erleben, aus der sie Energie ziehen können, die sie trägt, um den Alltag zu bewältigen. Dann bin ich dankbar, auch wenn ein Konzert trotz Corona-Auflagen möglich ist. Wenn Jugendliche erleben, dass Kirche ihnen Heimat sein und auch noch Spaß machen kann. Wenn sie sich für andere engagieren, etwa in der Ukraine-Hilfe, oder sich für die Umwelt einsetzen. Wenn ich Jugendliche in einer Krisenzeit begleite und sie ihre Leben wieder besser in den Griff bekommen. Wenn die jungen Leute gute Erfahrungen machen und noch Jahre später davon reden, beseelt mich das. Es ist tierisch viel Arbeit, aber sie lohnt sich.

Stammen die Jugendlichen, mit denen Sie arbeiten, aus unterschiedlichen Milieus?

Diejenigen, mit denen ich arbeite, stammen mehrheitlich aus gebildeteren Kreisen. Es gibt bei mir aber diesbezüglich keine Schranken. Andere Kollegen sind auch in den sogenannten Brennpunktvierteln vor Ort unterwegs und kommen dort mit jungen Leuten zusammen. Generell reicht die Bandbreite in der Jugendkirche von spirituellen Angeboten, wie zum Beispiel Jugendgottesdiensten, bis zu Angeboten wie Musikprojekten, Spiel-Aktionen, Theateraufführungen oder Workshops.

Gibt es Bibelzitate, die junge Leute mögen?

Das kann man nicht verallgemeinern. Aber beliebt ist zum Beispiel der Psalm 139: Von allen Seiten umgibst du uns Gott und hältst deine Hand über mir. Ich mag zum Beispiel aus dem Matthäus-Evangelium: Ihr seid das Salz der Erde!

Von Klaus Amberger

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