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Noch mal durchstarten: Aus Friseurin wird Steuerfachangestellte

Noch mal durchstarten: Aus Friseurin wird Steuerfachangestellte
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Klingt doch trocken: Steuerfachangestellte. „Wenn dieser Beruf langweilig wäre, würde ich nicht diese Ausbildung absolvieren“, sagt Kathrin Michel aus Schwerin. Die 35-Jährige ist angehende Steuerfachangestellte, lernt im ersten Lehrjahr. Sie ist eine von gut 500 Umschülerinnen in den IHK-Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. Und gehört zu den beinahe zwei Prozent der Azubis im Land, die älter als 30 Jahre sind.

Eigentlich war Kathrin Michel Friseurin. „Es war mein Traumberuf.“ Sie legte die Meisterprüfung ab und „habe einen Salon mitgeleitet“. Dadurch habe sie schon früh die unternehmerische Seite in der Arbeitswelt kennengelernt und eine betriebswirtschaftliche Vorbildung erhalten. Ein Vorteil, der ihr nun zugutekommt, wenn sie im Steuerbüro mit Mandanten zusammensitzt. „Aus gesundheitlichen Gründen musste ich vor einiger Zeit dann die Schere niederlegen“, berichtet sie.

Jeder zweite Betrieb kann Azubi-Plätze nicht oder nur zum Teil besetzen

Ellen Grull von der IHK Neubrandenburg sagt, dass es neben gesundheitlichen und privaten Gründen noch weitere Punkte gibt, die eine komplette berufliche Neuorientierung auslösen. „Zum Beispiel wenn Berufsbilder veralten und so nicht mehr benötigt werden. Oder im Informatikbereich, wenn man sich durch eine Umschulung bessere Jobchancen ausrechnet.“ Arbeitsagenturen würden so etwas bis ins höhere Alter fördern. Interessant sei ebenso, dass es einzelbetriebliche Umschulungen gebe. Damit wollen Betriebe mit Hilfe der Ausbildung Mitarbeiter per „Klebeeffekt“ halten. Denn jeder zweite Betrieb im Nordosten kann seine Ausbildungsplätze gar nicht mehr oder nur teilweise besetzen, so die Leiterin der Abteilung Aus- und Weiterbildung der IHK Neubrandenburg. Übrigens: Eines der Haupthemmnisse für junge Leute, eine Lehrstelle im Flächenland anzunehmen, ist der lange, oft mühselige Weg zu den Berufsschulen, so die Fachfrau.

Strukturiert arbeiten hilft, Pensum zu schaffen

Die Umschulung für Kathrin Michel dauert zwei, statt der üblichen drei Jahre. „Das ist schon knackig“, sagt sie zum straffen Zeitplan ihrer Ausbildung. Auch wenn einige Fächer wie Sport und Philosophie für die Umschülerin wegfallen. Sie müsse ihre Wochen klar strukturieren, um alles zu schaffen, Ausbildung und Familie. Denn zu Hause ist die Schwerinerin auch noch für ihre zwölfjährige Tochter verantwortlich. „Wenn mein Kind abends im Bett liegt, sitze ich noch ein bis zwei Stunden am Schreibtisch und pauke.“ Zum Beispiel geht es um allgemeine Wirtschaftslehre, Rechnungswesen, Umsatzsteuer, Einkommenssteuer oder Buchführung. Dabei braucht sie Ruhe, Musik läuft bei ihr nicht nebenbei. „Obwohl ich gern Pop und Hip-Hop höre.“

Unternehmer beklagen geringe Leistungsbereitschaft bei Schulabgängern

Ohne Ehrgeiz ginge es nicht, betont Kathrin Michel. Der ist allerdings nach Auswertung einer Umfrage aller drei Industrie- und Handelskammern (IHK) im Nordosten aus dem vergangenen Jahr ein Problem bei heutigen Schulabgängern. „Von den 228 befragten Unternehmen gaben mehr als drei Viertel an, dass es vor allem an Leistungsbereitschaft und Motivation fehle“, sagt Sabine Zinsgraf, Sprecherin der IHK zu Rostock. Zwei Drittel sagen, dass die Belastbarkeit dürftig sei. Die Hälfte beklagen den Mangel elementarer Rechenfertigkeiten sowie defizitäres mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen. Andreas Kraus, Sprecher der IHK zu Schwerin, sagt, dass derzeit die Unternehmen notgedrungen die Ansprüche an Azubis schon herunterschrauben, weil der Arbeitsmarkt das hergebe. „Vor zehn Jahren noch wäre ein Teil der Schulabgänger, die jetzt genommen werden, von den Betrieben abgelehnt worden“, so Kraus.

Soziale Kompetenzen sind gefragt

Die Anforderungen an eine Steuerfachangestellte seien hoch, sagt Kathrin Michel. Auch an die sozialen Kompetenzen. „Ich habe später mit Mandanten zu tun, rede mit ihnen, möchte ihnen bei Steuerangelegenheiten helfen.“ Ein gesunder Realismus sei wichtig, um Mandanten nicht das Blaue vom Himmel zu erzählen. In ihrem Ausbildungsbetrieb, der Ecovis Grieger Malison Beck Steuerberatungsgesellschaft mbH, werde sie darauf gut vorbereitet. „Natürlich muss man in meinem Job auch Zahlen und Gesetze mögen und Lust auf die Pflicht haben, genau und möglichst fehlerfrei zu arbeiten“, sagt sie. Aber die Anstrengungen bereiten Spaß. „Ich bin richtig stolz darauf, was ich alles lerne.“

Erfolgsgeheimnis Betriebsklima

Ellen Grull von der Neubrandenburger IHK sagt, dass Azubis vor allem schätzen, wenn das Betriebsklima in ihren Ausbildungsfirmen stimme. „In einer Umfrage haben 91 Prozent der Auszubildenden auf die Frage ‚Würdest du deinen Betrieb weiterempfehlen?‘ mit Ja geantwortet.“ Vor allem weil das Betriebsklima mit gut notiert wurde. „Da hat sich bei den Betrieben etwas zum Positiven entwickelt.“

Und wie sieht es bei Kathrin Michel aus? „Ich fühle mich total wohl hier, wenn ich mich weiter anstrenge, werde ich vielleicht übernommen“, sagt sie lächelnd. Aber findet ihre Tochter es gut, dass sich ihre Mutter noch mehr als ein Jahr in einer auch kräftezehrenden Ausbildung befindet? „Meine Tochter findet es cool – weil sie nun nicht die Einzige ist, die lernen muss.“

Zu den beliebtesten Ausbildungsberufen gehören hierzulande Handelsberufe (Platz 1), gastgewerbliche Berufe (Platz 2) sowie Metall- und Elektroberufe. Letztere haben wieder an Attraktivität gewonnen.

Die höchsten Nach­fragen nach Azubis gibt es nach wie vor im gastronomischen Bereich und in der Metall- und Elektrobranche.Ehemalige Azubis, die abgebrochen haben oder im „falschen“ Beruf stehen, können auch über Teilabschlüsse zu einem vollwertigen IHK-Berufsabschluss gelangen. Infos für Betroffene oder Unter-nehmen gibt es bei jeder IHK.

Von Klaus Amberger

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